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Migrationskrise: Wahrnehmung und politische Relevanz in Kuba und Mexiko

von Daniel Colmenero López, Yoali Sandoval Ramírez
Behandlung des Themas Migration in Kuba und Mexiko

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In den vergangenen Wochen und Tagen ist das Thema Migration in Deutschland in den allgemeinen Fokus gerückt. Auch wenn Deutschland in den letzten Jahrzehnten auch immer ein Land der Zuwanderung war, führte die aktuelle Krisenlage in verschiedenen Weltteilen zu einer starken Welle der Migration nach Europa und nach Deutschland. Im Zuge dieser Entwicklungen und zur Erweiterung der Perspektive ist es interessant den Blick auch auf andere Länder der Welt zu richten, die sich mit dem Themas Migration auseinandersetzen. Wie setzen sie sich mit dem Thema auseinander und wie deuten sie die Ereignisse in Europa und insbesondere in Deutschland? Die folgende Zusammenfassung über die Behandlung des Themas Migration in Kuba und Mexiko soll dieser Perspektivenerweiterung dienen.

Kuba

Migration wird in den kubanischen Printmedien vor allem in Bezug auf die eigenen Migrationsbewegungen thematisiert, seien diese in Richtung Mexiko oder in die USA. Die jeweilige Deutung dieser Meldungen entspricht der Tendenz des Mediums, je nachdem, ob es regimetreu oder -kritisch ist. Selbst nach der diplomatischen Annäherung zwischen Kuba und den USA ist das Thema der kubanischen Migrationsströme weiterhin aktuell. Schließlich wurden in den vergangenen zwei Wochen insgesamt 30 Kubaner vor den Küsten Mexikos aufgegriffen. Betrachtet wird in den Medien auch die US-amerikanische Migrationspolitik. Das offizielle Organ des PCC Granma berichtet beispielsweise kritisch über die unrealistischen migrationspolitischen Vorstellungen des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump. Über die jüngsten Ereignisse im Bereich der Migration in Europa wird zwar informiert,

es handelt sich allerdings um meist neutrale Nachrichten.

Mexiko

Migration ist seit vielen Jahren ein besonders relevantes Thema in Mexiko. Da das Land nicht nur in geografischer Hinsicht ein Brückenland zwischen Süd- und Nordamerika ist, gehen die üblichen Migrationsströme von Süden nach Norden, in Richtung USA. Die Migranten kommen vordergründig aus Zentralamerika, aber auch Mexikaner versuchen in die USA zu gelangen. Vor den aktuellen europäischen Flüchtlingsbewegungen, war die Anzahl der Migranten, die von Mittelamerika durch Mexiko reisten höher als die der Migranten, die über das Mittelmeer versuchen, die EU zu erreichen.

Migration wird in Mexiko in zweierlei Hinsicht wahrgenommen. Auf der einen Seite steht die zentralamerikanische Migration durch Mexiko in Richtung USA. Auf der anderen Seite wird das Thema der US-amerikanischen Migrationspolitik gegenüber den illegalen mexikanischen Einwanderern thematisiert. Letztere wird ungleich stärker wahrgenommen. Die Regierung geht das Problem der zentralamerikanischen Süd-Nord Migrationsströme an, indem sie versucht, sie über das Vorhaben „Programm Südgrenze“ (Programa Frontera Sur) zu kanalisieren und zu steuern. Bezüglich der US-amerikanischen Migrationspolitik finden Regierungskonsultationen statt, wobei der mexikanische Verhandlungsdruck gegenüber dem Weißen Haus nicht

übermäßig groß erscheint.

In Bezug auf die politischen Parteien in Mexiko gewinnt man den Eindruck, dass die Themen Migration und Flucht wenig beachtet werden, da kaum eindeutige Positionierungen zu diesem Thema vorzufinden sind. Die Wahrnehmung der Migrationsproblematik innerhalb der entscheidenden politischen Parteien (PRI, PAN, PRD) Mexikos steht dem eigentlichen Phänomen der Migration diametral entgegen. Obwohl es kaum im Fokus steht, wird Migration bei allen Parteien meist in Bezug auf die mexikanischen Migranten in den USA thematisiert. Auf der Webseite der PRI werden z. B. die abfälligen Äußerungen Donald Trumps bezüglich der in den USA lebenden Mexikanern kommentiert. Bezüglich der zentralamerikanischen Migranten gibt es weniger klare Positionierungen oder politische Strategien.

Kritische Äußerungen der Medien gibt es vordergründig gegenüber der US-amerikanischen Migrationspolitik, insbesondere bei der aktuellen Deportation der sogenannten „Dreamers“,

die in den USA ohne gültige Aufenthaltstitel geboren und aufgewachsen sind. Auch werden die teils als rassistisch empfundenen Äußerungen von Donald Trump scharf kritisiert. Über die zentralamerikanische Migration wird vor allem dann intensiv berichtet, wenn größere Skandale auftreten, wie beispielsweise die Auffindung eines Massengrabes in Tamaulipas vor fünf Jahren.

Im Bereich der Zivilgesellschaft sind zahlreiche Organisationen vorzufinden, die die Migranten aus Zentralamerika durch Unterkunft und Verpflegung unterstützen. Jedoch werden diese Organisationen vielfach von der organisierten Kriminalität bedroht. Als eine der herausragenden Persönlichkeiten bei der Ersthilfe von Migranten ist der Priester Alejandro Solalinde zu nennen, der eine eigene Herberge im Bundesstaat Oaxaca eröffnet hat und in den Medien offen gegen die Menschenrechtsverletzungen klagt.

Das Thema der innermexikanischen Migration wird in den mexikanischen Medien insbesondere in den Tageszeitungen wie La Jornada, El Universal und Reforma zwar behandelt, es

steht jedoch nicht im Fokus. Themenschwerpunkte sind die Migrationspolitik der USA, die vielfach kritisierte Innenpolitik Mexikos, insbesondere im Fall des „Programms Südgrenze“, die den Migrationsstrom von Süden steuern soll, die Menschenrechtsverletzungen, die durch die organisierte Kriminalität und durch korrupte Behörden begangen werden sowie die von der Zivilgesellschaft geleistete humanitäre Hilfe, aber auch die Bedrohungslage der helfenden Organisationen.

Die aktuelle europäische Flüchtlingsproblematik wird in allen Hauptmedien thematisiert. In den Tageszeitungen handelt es sich überwiegend um Meldungen großer Nachrichtenagenturen. Kommentar- und Meinungsartikel sind rar. Thematisch wird Deutschland als eines der wichtigsten Zielländer der Asylsuchenden dargestellt, jedoch werden auch die fremdenfeindlichen Ausschreitungen thematisiert. Die ablehnende Haltung der deutschen Politiker gegenüber den xenophoben Attacken wird deutlich dargestellt (Angela Merkel, Sigmar Gabriel, Heiko Maas). Auf diese Weise erscheinen die fremdenfeindlichen Angriffe nicht als allgemeine Haltung der „Deutschen“ gegenüber den Flüchtlingen, sondern als Nebenerscheinungen aus ausländerfeindlichen Milieus. Zivilgesellschaftliche Anstrengungen zur Hilfe für die ankommenden Migranten werden nicht erwähnt. Auffallend ist die derzeit hohe Frequenz der Berichterstattung zu diesem Thema, da üblicherweise internationale Themen weniger im Vordergrund stehen. Zu beobachten ist jedoch, dass die eigene Migrationsproblematik in den Medien derzeit eine nachgeordnete Rolle spielt.

In den sozialen Netzwerken wird die innermexikanische Migration stärker diskutiert. Insbesondere die zivilgesellschaftlichen Organisationen und studentischen Initiativen versuchen über Twitter und Facebook über die Menschenrechtslage zu informieren sowie Korruption und die organisierte Kriminalität anzuprangern. Darüber hinaus machen sie auch auf ihre Aktionen aufmerksam. Die sozialen Medien der öffentlichen Organe wie des Nationalen Migrationsinstituts (INM) sind nicht auf einem aktuellen Stand. In Twitter fordert das INM lediglich zur „Mithilfe“ auf, sobald man Migranten antrifft. Die größten Parteien PRI und PAN veröffentlichen in ihren sozialen Medien keine Informationen zu diesem Thema. Auch die Regierung der Mexikanischen Republik hält sich auf ihren Kanälen diesbezüglich zurück. Recherchen in den sozialen Medien zum Thema europäische Flüchtlingsproblematik zeigen, dass dieses Thema in der öffentlichen Diskussion nur eine geringfügige Rolle spielt.

Migration spielt demnach in beiden betrachteten Ländern eine Rolle, insbesondere in der teilweise selektiven Betrachtung der eigenen Probleme mit diesem Thema. Die aktuelle Migrationslage in Europa wird zumindest in Mexiko thematisiert, jedoch nicht in Relation zu den eigenen Migrationsströmen gesetzt. Es ist zu erwarten, dass zumindest in Mexiko die Migrationsproblematik in Europa in den kommenden Wochen stärker in den allgemeinen Diskurs gelangen wird.

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