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Anhebung des Mindestlohns – ja oder nein?

Diskussionsforum an der Universität ITESO Guadalajara

Die Cátedra Konrad Adenauer an der Universität ITESO in Guadalajara lud am 28. Oktober 2014 zu einer Debatte rund um die in Mexiko vieldiskutierte Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns, der mit 67,29 Pesos (umgerechnet ca. vier Euro) derzeit den niedrigsten aller OECD-Länder darstellt. Das zahlreich erschienene Publikum konnte sich ein umfassendes Bild der Argumente für oder gegen den von verschiedenen politischen Parteien und Gruppierungen unterstützten Vorschlag einer Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns machen.

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Laut Ricardo Becerra Laguna, stellvertretender Leiter der Abteilung für wirtschaftliche Entwicklung von Mexiko-Stadt, produziert der offizielle Arbeitsmarkt (im Gegensatz zum inoffiziellen, der in Mexiko immerhin fast 60% aller Erwerbstätigen beschäftigt) extreme Armut. Die 67,29 Pesos seien laut Angaben des nationalen Statistikinstituts INEGI nicht einmal ausreichend, um die Versorgung mit Lebensmitteln für die erwerbstätige Person und ihre Familie – wie es die mexikanische Verfassung in ihrem Artikel 123 eigentlich vorsieht – zu gewährleisten. Der reale Mindestlohn sei in Mexiko seit 1966 ständig gesunken, das Land verzeichne seit der Wirtschaftskrise von 2008 die stärkste Zunahme der Bevölkerung unter der Armutsgrenze in den letzten 40 Jahren, so der Beamte.

Anders sieht das Ricardo Barbosa Ascencio, der in seiner Funktion als Mitglied der Nationalen Kommission für Mindestlöhne (CONASAMI) und als Mitglied des Unternehmerverbundes COPARMEX des Bundesstaates Jalisco, an der Diskussion teilnahm. Seiner Meinung nach sei der gesetzliche Mindestlohn zur reinen Maßeinheit geworden, kaum ein Mexikaner verfüge tatsächlich nur über dieses, wie er zugab, „beschämende Einkommen, von dem kein Mensch leben kann“. Darüber hinaus sei der Mindestlohn von den Marktgesetzen, die auch am Arbeitsmarkt herrschen, bereits fast vollständig beseitigt worden – nur wenige Mexikaner seien bereit, um diesen Lohn zu arbeiten, so der Unternehmervertreter.

Viel aussagekräftiger als der Mindestlohn sei laut Barbosa Ascencio das durchschnittliche Realeinkommen der mexikanischen Beschäftigten, die über ein offizielles Arbeitsverhältnis verfügen, welches in Mexiko rund 285,78 Pesos (rund 16,80 Euro) pro Person und Tag beträgt.

Da eine Anhebung des Mindestlohns eine Inflation nach sich ziehen würde, schlägt Barbosa Ascencio stattdessen vor, alle Löhne und Gehälter geringfügig anzuheben – was jedoch nur durch einen Anstieg der Produktivität zu finanzieren wäre. Darüber hinaus fände er es wichtig, überhaupt mehr formelle Arbeitsplätze zu schaffen.

Auf den Vorwurf, der Vorschlag des Bürgermeisters von Mexiko-Stadt, Miguel Angel Mancera, über die Anhebung des Mindestlohns sei populistisch und der Zeitpunkt in Hinblick auf das Superwahljahr 2015* strategisch gewählt, meinte Becerra Laguna, dass es sich bei diesem Vorschlag eben nicht um eine Idee in Wahlkampfzeiten handle, sondern um eine dringende Maßnahme, die so bald als möglich umgesetzt werden sollte. Der Vorschlag sei bereits im Frühling des Jahres gemacht worden – also über ein Jahr vor den Wahlen und werde darüber hinaus von verschiedensten Parteien unterstützt.

Barbosa Ascencios Argument, dass nur ganz wenige Menschen in Mexiko den Mindestlohn beziehen würden, widerlegte Becerra Laguna mit Zahlen von INEGI, wonach 6,9 Millionen MexikanerInnen Mindestlohn-EmpfängerInnen sind. Um der gefürchteten Inflation infolge einer Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns – ein von der Gegenseite viel zitiertes Argument – vorzubeugen, wird von den Befürwortern eine graduelle Anhebung des Mindestlohns von derzeit 67,29 Pesos (ca. 4 Euro) auf rund 160 Pesos (rund 9,40 Euro) bis zum Jahr 2025 vorgeschlagen.

Die Anhebung des Mindestlohns dürfe außerdem nicht isoliert passieren sondern müsse von einer Serie an Maßnahmen begleitet werden, wie zum Beispiel von steuerlichen Anreizen für kleine und mittelständische Unternehmen, so Ignacio Román, Wirtschaftswissenschaftler am ITESO in Guadalajara.

Als einer der Knackpunkte der Diskussion stellte sich die Produktivität sowie ihre Definition und Messbarkeit heraus: meinte Becerra Laguna, dass Mexiko die zweithöchste Produktivität in Lateinamerika vorzuweisen habe und belegte das mit offiziellen Zahlen, widersprach ihm Sergio Negrete, ebenso Professor am ITESO in Guadalajara, indem er meinte, dass die Produktivität in Mexiko rückläufig sei. „Es hat keinen Sinn, über die Verteilung des Kuchens zu diskutieren, wenn dieser zuvor nicht gebacken wird“, meinte der Wirtschaftswissenschaftler sehr anschaulich in der Diskussion. Einfach nur dafür zu sein, dass die Einkommen höher sein sollten, sei populistisch, so Negrete.

  • In Mexiko finden 2015 Kongresswahlen sowie in 17 der 32 Bundesstaaten Wahlen auf Landes- und Gemeindeebene statt.

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Magdalena Jetschgo-Morcillo

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Referentin Entwicklungspolitik

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