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Veranstaltungsberichte

Erster Fortbildungskurs für indigene Führungskräfte in Mexiko

von Janina Grimm-Huber

Kernthema: Menschenrechte und indigene Völker

Politische Partizipation und politisches Engagement sind unerlässlich für eine funktionierende und lebendige Demokratie. Die indigene Bevölkerung Mexikos bleibt jedoch nach wie vor zu großen Teilen vom Prozess der politischen Meinungs- und Willensbildung ausgeschlossen. Daher fördert die KAS Mexiko ihre aktive Teilnahme seit Jahren. Mit dem ersten Spezialisierungskurs für indigene Führungskräfte, das vom 15. bis 17. Juni in Oaxaca stattfand, führte sie ihre Bemühungen noch intensiver fort.

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Zum Auftakt der Veranstaltung wurde neben den verschiedenen Einführungsansprachen eine traditionelle Reinigungszeremonie von Vertretern einer indigenen Gemeinde aus dem Bundesstaat Oaxaca abgehalten.

Anschließend fand eine „Kennenlern-Dynamik“ statt: Alle Anwesenden zogen aus einem Beutel eine Memorykarte. Sie mussten daraufhin entsprechend ihr Paar finden und sich fünf Minuten lang gegenseitig vorstellen. Am Ende setzten sich alle in einem Stuhlkreis zusammen und stellten der Reihe nach ihren Gesprächspartner vor.

Dritter Programmpunkt war ein erster Einführungsvortrag zum Thema Menschenrechte. Dr. Ricardo Ruiz Carbonell, freiberuflicher Berater in Menschenrechts- und Genderfragen für zahlreiche Regierungseinrichtungen und Hochschulen in Mexiko, erläuterte Grundkonzepte und legte anhand von allgemein gültigen Definitionen die Bedeutung der hier relevanten Termini dar. Darüber hinaus erklärte er wo die Menschenrechte verankert sind und welche Institutionen auf internationaler, regionaler und nationaler Ebene diese schützen.

Dr. Maria Virginia Lorena Ossio Bustillos, Forscherin an der Fakultät für Europarecht des Max-Planck-Instituts, ging zum Ende des ersten Seminartages noch eingehender auf den internationalen Rechtsrahmen ein und gab gesondert Einblick in die allgemein gültigen Standards für indigene Völker. In diesem Sinne analysierte sie ausführlich gemeinsam mit den Teilnehmern das Übereinkommen 169 über "eingeborene und in Stämmen lebende Völker" (Indigenous and Tribal Peoples Convention) der Internationalen Arbeitsorganisation von 1989, weil es das einzige internationale Vertragswerk darstellt, das einen umfassenden Schutz der Rechte indigener Völker zum Gegenstand hat. Daneben stellte sie auch die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker vor, die 2007 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommen wurde und seitdem einen weiteren wichtigen Meilenstein für die Menschenrechte indigener Völker verkörpert.

Der zweite Seminartag begann mit einer Gruppendiskussion über die Relevanz und Umsetzungsprobleme der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Dafür wurden die Teilnehmenden zunächst gebeten, sich in zwei Gruppen zusammenzufinden und mit Hilfe von Fragekarten, die sich jeweils auf einen beliebigen Rechtsartikel bezogen, zu debattieren. Eine Stunde lang gingen sie somit eingehender auf zahlreiche Artikel der Allgemeinen Menschenrechtserklärung ein und reflektieren über ihre Bedeutung für das Alltagsleben eines jeden Einzelnen oder verschiedener Gesellschaftsgruppen.

Danach folgte eine weitere Gruppenaktivität, mit dem Ziel, nun mehr über die indigenen Rechte im Speziellen zu lernen. In diesem Sinne teilte Guadalupe Estela Peralta Santiago, Dozentin für Politikwissenschaft, öffentliche Verwaltung und internationale Beziehungen der Universität von Papaloapan (UNPA), die Gruppe wiederum in vier kleine Arbeitseinheiten auf. Jeder Arbeitstisch erhielt von ihr den Auftrag über ein bestimmtes indigenes Recht (diese wurden vorgegeben: 1. Recht auf Selbstbestimmung, 2. Recht auf Land und Ressourcen, 3. Recht auf Bildung, Anerkennung und Förderung ihrer kulturellen Identität und 4. Selbstbestimmungsrecht hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Entwicklung) zu recherchieren und ihre Ergebnisse mit Hilfe entweder eines Vortrages, Diskurses, Lösungsbaumes oder Soziodramas den anderen Gruppen vorzustellen.

Am Nachmittag nahm das Seminar einen vertiefenden Einblick in den nationalen Rechtsrahmen und die darauf aufbauende Gesetzgebung. José Gámez Estrada, Forscher und Berater am Institut für wissenschaftliche Arbeit des Länderparlaments von Sonora, erklärte den 25 Teilnehmern, wie und in welchen Artikeln die internationalen Erklärungen zu indigenem Recht im Grundgesetz und anderen Gesetzen verankert sind. Dabei schilderte er auch die Reichweite und Herausforderungen bei der Umsetzung und die Wirksamkeit des Rechtstaates in Missachtungsfällen. Zusätzlich stellte er die wichtigsten Regierungsinstitutionen vor, die sich indigenen Themen in Mexiko widmen und bearbeiten. In diesem Zusammenhang gab er den Teilnehmern ein für die Praxis sehr nützliches Instrument an die Hand, nämlich einen Leitfaden, der Schritt für Schritt erklärt, wie eine korrekte Beantragung für die staatliche Unterstützung von Maßnahmen die der Wahrung indigener Rechte dient, erstellt werden muss.

Die letzten beiden Referenten des Tages, Luis Enrique Cordero Aguilar, Richter am Gerichtshof für indigene Angelegenheiten von Oaxaca, und Dr. Gloria Zafra, Dozentin am IIEPCO, richteten ihr Augenmerk auf die konkrete Umsetzung von indigenem Recht auf Landes- und Gemeindeebene. Ersterer sprach vor allem über „usos y costumbres“, ein alternatives, indigenes Rechtsverständnis, das in vielen Gemeinden von Oaxaca und anderen Bundesländern Mexikos und parallel zum staatlichen Recht existiert.

Dr. Victor Leonel, Forscher am Institut für höhere Sozialwissenschaften in Oaxaca (CIESAS), vertiefte das Thema am Morgen des letzten Seminartages, erklärte anhand konkreter Beispiele welche Rolle der mexikanische Staat hierzu und in Abgrenzung zur indigenen Führung einnimmt und beschrieb auf Grundlage seiner Forschungsergebnisse aber auch seiner eigenen persönlichen Erfahrung was es für die Menschen bedeutet, in einer Gemeinde zu leben, wo das Wahlrecht, Strafrecht, Familienrecht und Landrecht nach usos y costumbres praktiziert wird.

Das Abschlussthema dieses Spezialkurses war den Frauenrechten gewidmet. Dr. Ricardo Ruiz Carbonell jonglierte hierbei mit allen relevanten Termini und Konzepten, machte eingangs auf den Unterschied zwischen Geschlecht und Gender aufmerksam, erklärte wie die klassischen Geschlechterrollen entstehen, welche Institutionen diese tagtäglich reproduzieren, dass die Begriffe „Gleichheit, Gewalt und (Nicht-)Diskriminierung“ für die Debatte rund um Gender in Zusammenhang mit Menschenrechten unerlässlich sind, warum das Recht auf die sexuelle Identität und Produktivität zum Menschenrechtskanon gehören, was mit „Machismo“, alten und neuen Männlichkeiten eigentlich gemeint ist und welche Rolle diese für Frauenrechte spielen.

Nachdem die Vortragsreihe beendet war, unternahm die Gruppe einen Ausflug zu den Pyramiden von Monte Albán, wo sie von einem Reiseführer drei Stunden über die geschichtlichen und kulturellen Hintergründe der Zapoteken, die hier gelebt haben, informiert wurden.

Zurück im Hotel fanden sich alle Teilnehmer und Organisatoren für ein letztes Mal im Seminarraum ein, um eine Evaluierung des Seminars vorzunehmen. Beim Abendessen erhielten alle TN von den lokalen Regierungsvertretern und Organisatoren ihr Teilnahmediplom.

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Fortbildungskurse für indigene Führungskräfte 2017-2018

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