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Veranstaltungsberichte

Juventud y Cultura Cubanas

Was denken, fühlen und wollen kubanische Jugendliche auf und ausserhalb Kubas heute? Um dieses Themen ging es beim Kongress über kubanische Jugend und Kultur am 20. und 21. November in Mexiko-Stadt. Das weit gefasste Thema mit Referenten aus den Bereichen Kunst, Kultur, Medien, Politik und Gesellschaft ermöglichte spannende Diskussionen durch die ganz unterschiedlichen Sichtweisen der heterogenen Teilnehmerschaft. Ziel der Veranstaltung war es, kubanische Jugendliche anzusprechen, die sich von einer zu stark politischen Perspektive oft abgestossen fühlen.

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Im Panel über die Ausdrucksformen der kubanischen Kultur wurde über kubanisches Kino, Literatur, Musik, Comics und Architektur diskutiert. In allen Vorträgen wurde deutlich, auf welchem schmalen Grad sich auf Kuba tätige Künstler bewegen müssen. Aufgrund der Zensur sind künstlerische Ausdrucksformen sehr eingeschränkt und wer sich nicht an die Regeln hält, muss mit Repressalien rechnen. Laura García Freyre stellte eindrucksvoll das Beispiel der Punk-Rock-Band „Porno para Ricardo“ dar. Die Texte fallen durch ihre explizite Vulgarität auf, vor der auch Fidel Castro nicht verschont bleibt. Aufgrund dieser Beleidigungen wurde der Sänger Gorki Aguilar dieses Jahr verhaftet, aber schon bald danach dank des Drucks der internationalen Gemeinschaft wieder frei gelassen. Es entwickelte sich eine spannende Diskussion während der Veranstaltung, da viele Anwesende an dem künstlerischen Wert der Musik von „Porno para Ricardo“ zweifelten. Dadurch wurde klar, dass es darum gar nicht geht und gehen kann: jeder Bürger muss das Recht zur freien Meinungsäusserung haben und somit auch das Recht, schlechte Punk-Musik zu spielen. Jeder Einzelne kann danach frei entscheiden, ob er diese Musik hören möchte oder nicht. Ebenfalls eindrucksvoll war der Vortrag des Comic-Künstlers Hernán H. Von 1964 bis 1980 publizierte er auf Kuba das Comic „Gugulandia“. Mit „Gugulandia“ schuf er eine komplett neue Welt, eine Welt der Naivität und Unschuld. So schaffte er es, Jahre lang die Zensur auszutricksen und gleichzeitig aufzuzeigen, das ein anderes System möglich ist.

Im Panel über die virtuelle Gemeinschaft wurde die Bedeutung des Internets für die Transformation der kubanischen Gesellschaft hervorgehoben. Regelmässig erscheinende Blogs wie der wohl erfolgreichste von der Insel aus erstellte von Yoani Sánchez machen es möglich, einen Eindruck dessen zu bekommen, was junge Kubaner heute beschäftigt. Obwohl nicht explizit über die Regierung und das politische System Kubas geschrieben werden kann, findet eine direkte Kommunikation der Kubaner über Themen statt, die unweigerlich mit der politischen Situation verknüpft sind, so z.B. über die doppelte Währung, die Knappheit bestimmter Nahrungsmittel, unzureichende Gehälter etc. Dieser Prozess ist natürlich langsam aufgrund der eingeschränkten Möglichkeiten des Internet-Zugangs. In La Habana ist Kubanern der Besuch von Inter-Cafés gestattet, allerdings kostet die Stunde zwischen 5 und 12 Pesos Convertibles (ein Peso Convertible ist etwas mehr als ein US-Dollar wert) und ist bei einem Monatsgehalt von zwischen 10 und 20 Pesos Convertibles kaum bezahlbar. In der Provinz ist der Internetzugang noch komplizierter und restriktiver. Es waren ebenfalls zwei Vertreter der Internet-Zeitschrift und des Blogs Cubaencuentro.com anwesend. Cubaencuentro.com wird von Spanien aus publiziert, aber Kubaner auf der ganzen Welt schreiben für die Internet-Publikation, die die meist gelesenste auf Kuba ist. Dies macht deutlich, dass die kubanische Regierung nicht im Stande ist, diese Entwicklung aufzuhalten. Das Internet macht Kommunikation einfacher und teilweise erst möglich. Viele Kubaner sehen in dieser Entwicklung die Chance, durch gute Informationsverbreitung die Grundlage für einen demokratischen Wandel zu schaffen.

Im Panel zur Politik wurde vor allem darüber gesprochen, was die internationale Gemeinschaft tun kann, um das kubanische Volk zu unterstützen. Die Erwartungen an den neu gewählten Präsidenten der USA Barack Obama sind hoch. Jahrelang konnte die kubanische Regierung das Feindbild USA nutzen, um Versorgungsknappheiten und andere Probleme im Land zu erklären und mit der Embargo-Politik der USA zu rechtfertigen. Obama hat bereits deutlich gemacht, die Kuba-Politik überdenken zu wollen. Sollte es zu einer Aufhebung des Embargos und der Beschränkungen der Geldsendungen von den in den USA lebenden Kubanern kommen, so wird das Regime Schwierigkeiten haben, im Nachhinein einen Schuldigen für sicherlich weiterhin bestehende wirtschaftliche Probleme zu finden. Der mexikanische Abgeordnete Cristian Castaño machte die Verantwortung deutlich, die die internationale Gemeinschaft gegenüber Kuba hat. Durch Besuche bei Dissidenten und Solidaritätserklärungen kann diesen der Rücken gestärkt werden und der Spielraum für willkürliche Handlungen der Regierung wird kleiner.

Am Abend des 20. November eröffnete der Journalist Rubén Cortes die Ausstellung mit Werken von Ernesto Lozano mit einer Lesung über dessen Werk. Die Ausstellung mit dem Titel „Había una vez una isla“ zeigte Werke über die Problematik der illegalen Emigration mit technisch unzureichenden Booten und Flössen.

Am 21. November im Panel über die Zivilgesellschaft stellte Dr. Andy Gómez dar, was Kubaner wollen. Er stützte seine Aussagen auf verschiedene Umfragen, die deutlich machen, dass eine Mehrzahl der Kubaner mit dem System unzufrieden ist und bei freien Wahlen nicht für Raúl Castro, sondern für einen Kandidaten der Opposition stimmen würde. Diese Unzufriedenheit mit dem derzeitigen System ist vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen gross. Gómez betonte, dass ein Regierungswechsel allein noch keinen demokratischen Staat schafft. Das totalitäre System hat über die Jahre hinweg eine Kultur der Angst mit den dazu in Verbindung stehenden Überlebensstrategien der Heuchelei, des Lügens und der Widersprüche geschaffen. Für eine wahre Transition ist eine Wiederherstellung der gesellschaftlichen Werte unabdingbar. Yaxys Cires betonte die Bedeutung der kirchlichen Jugendbewegungen für die Wertekultur in Kuba. Die Kirche schafft Räume, die ein Gegengewicht zum vom totalitären System geschaffenen Wertevakuum bilden. Jugendliche suchen und finden in der Kirche Orientierung in Fragen ziviler Werte wie Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, und in Themen wie Sexualität, und Politik. Adrián Leiva sprach über die Massenemigration kubanischer Jugendlicher ins Ausland. Fast alle Jugendlichen und jungen Erwachsenen haben den gleichen Traum: ins Ausland zu gehen, um endlich des eigenen Glückes Schmied sein zu können, das Studienfach selbst zu wählen, durch gute Arbeit ein gerechtes Gehalt zu beziehen und eine Familie mit einer Zukunft in Freiheit zu gründen. Gerade an diesem Punkt wird die Widersprüchlichkeit des kubanischen Systems deutlich, das sich für seine sozialen Errungenschaften rühmt, aber andererseits nicht im Stande ist, jungen Menschen attraktive Zukunftsperspektiven zu bieten.

Im letzten Panel der Veranstaltung ging es um die Beziehungen von kubanischen Jugendlichen auf und ausserhalb der Insel. Studenten der Universität von Miami führen seit kurzem Videokonferenzen mit kubanischen Studenten in La Habana mit der Unterstützunng verschiedener Botschaften durch und der so entstandende Austausch ist für Jugendliche beider Seiten eine emotionale Erfahrung. In Zukunft sind Videokonferenzen mit Lehrinhalten für junge Kubaner geplant, die aufgrund ihrer politischen Einstellung aus der Universität ausgeschlossen wurden. Diane Cabrera stellte die Organisation „Raíces de Esperanza“ vor, die ebenfalls für einen Austausch mit Jugendlichen auf der Insel eintritt und sich mit politisch Andersdenkenden solidarisiert. Im Anschluss an das Panel gab es eine lebendige Diskussion über die Frage, wie weit man sich als im Ausland lebender Kubaner überhaupt in Kuba engagieren darf und was die auf der Insel lebenden Kubaner wirklich brauchen und wollen.

Die Konferenz war gut besucht und es wurde angeregt und leidenschaftlich diskutiert. Dabei wurde deutlich, dass sich zwar viele kubanischen Jugendlichen aufgrund der massiven Ideologisierung auf Kuba von politischen Themen abgestossen fühlen, aber trotz allem Träume träumen, die sich ohne eine Transition kaum verwirklichen lassen. Diese Träume der Selbstverwirklichung, des Reisens, des Lernens, der freien Meinungsäusserunng und der Schaffung einer Existenz mit Zukunft unterscheiden sich nicht wesentlich von denen vieler Jugendlichen in anderen Ländern dieser Welt.

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