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Erneut Regierungskrise in Peru

von Markus Rosenberger
Erst im Dezember 2003 war es in Peru zu einer umfassenden Kabinettsumbildung gekommen. Doch ein Grossteil der Minister wird schon in wenigen Tagen wieder den Hut nehmen müssen. Politische Korruptionsskandale hatten die erneute Krise ausgelöst.

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Alles deutet darauf hin, dass die derzeitige politische Krise in Peru in Kürze zu einer weiteren umfassenden Kabinettsumbildung führen wird. Die Krise erreichte nach dem Rücktritt des Toledo-Stellvertreters Raul Díez Canseco (Korruption und außereheliche Liebesaffäre) einen weiteren Höhepunkt. César Almeyda, einer der engsten persönlichen Berater Präsident Alejandro Toledos, hatte mit einer Schlüsselfigur des Fujimori-Montesions-Regimes, dem General Oscar Villanueva, geheime Verhandlungen geführt. Tonbandaufnahmen belegen dies. Gegenstand dieser Gespräche war der Versuch Almeydas, belastende Informationen über ehemalige Fujimori-Gefolgsleute herauszubekommen. Im Gegenzug sollte Villanuevas Haftbefehl aufgehoben werden. Kurz danach nahm sich General Villanueva das Leben. Almeyda wurde aller Ämter enthoben und wartet unter Hausarrest auf seinen Prozess.

Das neue Kabinett wird aller Vorrausicht nach wiederum von Carlos Ferrero angeführt werden. Ausscheiden werden vor allem Minister der Regierungsparteien Peru-Posible und des Frente Indepentiente Moralizador (FIM). Von allen Seiten wird ein Kabinett aus politisch Unabhängigen und Technokraten gefordert. FIM wird vermutlich ganz ausscheiden, die Präsenz von Peru-Posible auf ein Minimum zurückgeführt. Noch wehrt sich Fernando Olivera, FIM-Vorsitzender und Botschafter Perus in Spanien, vehement gegen den sich abzeichnenden Machtverlust. Vermutlich jedoch vergebens. Auch Toledo scheint den Ernst der Situation – derzeit stehen lediglich acht (!) Prozent der Peruaner hinter dem Präsidenten – nicht zu begreifen. Nach wie vor schiebt er jede Verantwortung von sich und sieht in der Fujimori-Montesinos-Mafia die eigentlichen Schuldigen. Mit diesem Verhalten reiht sich Toledo nahtlos in die lange Reihe peruanischer Führungspersonen ein, die kritikunfähig jeweils andere Schuldige für eigenes Versagen suchten.

Allerdings kommt die Schuldzuweisung nicht von ungefähr, konnten die Peruaner doch auf ihren Fernsehbildschirmen verfolgen, wie der inhaftierte ehemalige Geheimdienstchef Vladimiro Montesinos während einer Gerichtsverhandlung dem neben ihm sitzenden ebenfalls angeklagten Moisés Wolfenson aufschrieb, welches Thema die Tageszeitung La Razón am nächsten Tag aufgreifen sollte. Tatsächlich erschien La Razón auf der Titelseite mit dem von Montesinos geforderten Thema (angeblicher Drogenkonsum Präsident Toledos).

Dies alles beweist zweifellos den Einfluss, den Montesinos nach wie vor auf einen Teil der Boulevardpresse hat. Gleichwohl steht jedoch auch fest, dass die verantwortlichen staatlichen Stellen (Justizministerium, Instituto Nacional Penitenciario) versagt haben und nunmehr der Eindruck vorherrscht, dass es möglich ist, aus Gefängnissen und Gerichtssälen politisch destabilisierend zu operieren.

Im Gegensatz zu Toledo, dem die beschriebenen Vorkommnisse als Ausrede für eigenes Versagen wie gerufen kamen, reagierte der Vorsitzende des Ministerrats Carlos Ferrero durchaus selbstkritisch und erließ zudem rasch eine Reihe von Maßnahmen, um der immer weiter um sich greifenden Korruption Herr zu werden. Insgesamt ist die Glaubwürdigkeit der Regierung jedoch am absoluten Tiefpunkt angelangt, nicht zuletzt durch das Versagen des sich in FIM-Händen befindenden Justizministeriums und dessen dubiose Verbindungen zum Montesinos-Netzwerk. Auch intern zeigen sich starke Auflösungstendenzen. Erste FIM- und Peru-Posible-Abgeordnete gaben ihr Parteibuch zurück. Ob und wie lange die Koalition Peru-Posible und FIM noch halten wird, wagt derzeit kein Beobachter vorauszusagen.

Die Opposition verhält sich vorsichtig zurückhaltend, vor allem weil sie fürchtet, dass bei einem Sturz der derzeitigen Regierung das ganze politische System zusammenbrechen könnte. Die Abwesenheit von APRA-Chef Alan García während der Krise zeigt, dass der APRA als größte Oppositionspartei bemüht ist, keine allzu auffällige Rolle zu spielen. Etwas lauter agiert das bürgerliche Lager – allen voran die Alianza Unidad Nacional um Lourdes Flores. Von dieser Seite wurde Toledo nachdrücklich aufgefordert, Verantwortung zu übernehmen.

Es bleibt festzustellen, dass es sich bei der derzeitigen angespannten politischen Situation vor allem um eine hausgemachte – sprich eine regierungsinterne - Krise handelt. Die Luft für die Regierung Toledo war noch nie so dünn wie in diesen Tagen. Die Brisanz aber ist vor allem in der Tatsache zu sehen, dass die Menschen in Peru nicht zwischen der Bewertung der Regierung einerseits sowie der Bewertung der Politik und Politiker andererseits unterscheiden. Das katastrophale Erscheinungsbild der Regierung Toledo führt dazu, dass immer mehr Menschen den Glauben an das demokratische System verlieren. Demokratie wird in Peru immer mehr zum Synonym für politische Instabilität, Unordnung und Ineffizienz.

Der Eindruck der Menschen, in einem Machtvakuum zu leben und von führungsschwachen Personen regiert zu werden, verstärkt zudem anarchistische Tendenzen. Die kürzlich zu beklagenden Vorkommnisse um den Park Loque Yupanqui zeigen dies beispielhaft. Ein Rechtsstreit zwischen den Verwaltungen des Limeñer Bezirks Los Olivos und der Stadt Lima um die Hoheit über jene Parkanlage eskalierte in einer blutigen Straßenschlacht. Von den jeweiligen Streitparteien gedungene Schläger lieferten sich blutige Auseinandersetzungen mit 150 Schwerverletzten. Die Ereignisse zeigen, dass nicht einmal die Vertreter der rechtmäßig gewählten politischen Institutionen – in diesem Fall die Stadt Lima und der Bezirk Los Olivos - Vertrauen in die Lösungskompetenz und Unabhängigkeit der Gerichte haben. - Peru stehen schwierige Zeiten bevor.

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