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Deutsch-Polnisches Barometer 2020

Nachbarschaft mit Geschichte: Blicke über Grenzen

Das „Deutsch-polnische Barometer” ist ein Projekt, das regelmäßig die Meinungen von Polen und Deutschen über die gegenseitige Wahrnehmung der deutsch-polnischen Beziehungen und deren aktuelle Herausforderungen erhebt und präsentiert. Die Untersuchungen werden vom Institut für Öffentliche Angelegenheiten in Warschau in Zusammenarbeit mit der Konrad-Adenauer-Stiftung in Polen und weiteren Partnern durchgeführt. Die neueste Erhebung für 2020 wurde jetzt per Facebook-Livestream vorgestellt.

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Zentrale Ergebnisse:

- Fast ein Drittel aller Assoziationen der polnischen Befragten zu Deutsch- land sind mit dem Thema Krieg verbunden (30%), womit für diese Art von Assoziationen seit 2016 ein merklicher Anstieg zu verzeichnen ist (damals: 21%). Stichworte, wonach sich Deutschland durch eine starke Wirtschaft und Wohlstand auszeichnet, machen 14 Prozent der polnischen Assoziati- onen aus; acht Prozent beziehen sich auf Kultur, Tourismus und Sprache. Mit letzteren Bereichen sind wiederum auf deutscher Seite mit Blick auf Polen die meisten Assoziationen verknüpft (29%); mit Geschichte verbundene Assoziationen machen demgegenüber einen Anteil von acht Prozent aus. Weniger als in den letzten Jahren assoziieren die deutschen Befragten Polen mit Kriminalität und Unordnung (4%).

- Der Anteil an positiven Meinungen zu Deutschland (starke Wirtschaft, Funktionieren des Staates) ist in Polen seit 2018 zurückgegangen, doch ist im gleichen Zeitraum kein Anstieg der negativen Bewertungen zu ver- zeichnen. Vielmehr nehmen mehr Polen eine ambivalente Haltung ein. Gleichzeitig ist das Deutschlandbild der Polen positiver als das Bild vom eigenen Land. Betreffend diese zweite Frage zeigen sich die Polen in ihrer Meinung sehr gespalten und richten sich stark aus an ihren politischen Präferenzen.

- Die deutschen Befragten bewerten das Land Polen positiver als noch im Jahr 2018 (damals waren die positiven Bewertungen rückläufig), aber immer noch hat die Hälfte der Deutschen keine bzw. eine ambivalente Mei- nung zu Polen; so antworten sie etwa auf Fragen zum demokratischen Regierungssystem, zu freien Medien, Korruption oder Bürokratie mit „weder ja noch nein“. Die Einschätzungen zum eigenen Land hingegen fallen auf Seiten der Deutschen überwiegend positiv aus.

- Erstmals seit Erscheinen des Deutsch-Polnischen Barometers im Jahr 2000 zeigen mehr Deutsche Sympathie für die Polen (55%) als umgekehrt Polen Sympathie für die Deutschen (42%). Der Rückgang der polnischen Sympathiebekundungen für die Deutschen ist dabei nicht mit einem entsprechenden Anstieg an Abneigung verbunden. Die polnischen Befragten tendieren vielmehr zunehmend zu einer eher neutralen Bewertung im mittleren Bereich der Skala. Gleichzeitig fallen im Jahr 2020 die Bewer- tungen mit Blick auf alle abgefragten Nationen schlechter aus als zuvor (US-Amerikaner 56%, Briten 50%, Franzosen 46%, Ukrainer 35%, Russen 27%). Auf deutscher Seite befinden sich die Sympathiebekundungen für die Polen auf gleichhohem Niveau mit denen für die Briten (55%) und liegen sogar noch über den Beliebtheitswerten von US-Amerikanern (50%), Russen (35%) und Türken (34%). Die meiste Sympathie allerdings haben die Deutschen für die Franzosen (68%).

- Sowohl Deutsche als auch Polen bekunden mit ganz überwiegender Mehr- heit (um 80%) ihre Zustimmung zur Beteiligung von Bürgern des je anderen Nachbarstaates in verschiedenen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens – etwa als Nachbar, Arbeitnehmer, Vorgesetzter. Lediglich ein kleiner Prozentsatz der Befragten lehnt die Teilhabe von Menschen aus dem Nachbarland in den abgefragten gesellschaftlichen Bereichen teilweise oder kategorisch ab.

- Die deutsch-polnischen Beziehungen werden von 55 Prozent der Deutschen und 72 Prozent der Polen als gut erachtet, von 25 Prozent bzw. 14 Prozent hingegen als schlecht. Auf polnischer Seite bedeutet dies eine Verbesserung im Vergleich zum Vorjahr. Die deutschen Bewertungen bleiben demgegenüber relativ stabil, allerdings bei einem sichtbaren Anstieg des Anteils der Unentschiedenen – dieser beläuft sich mittlerweile auf 20 Prozent.

- Befragte, die den Zustand der deutsch-polnischen Beziehungen positiv einschätzen, verweisen hauptsächlich auf die wirtschaftlichen Interessen (40% der Polen bzw. 51% der Deutschen), an zweiter Stelle auf die Maßnah- men der eigenen Regierung (29% der Polen bzw. 23% der Deutschen).

- Von denjenigen Befragten, die die deutsch-polnischen Beziehungen in ei- nem schlechten Zustand sehen, macht der größte Teil für diesen Umstand die polnische Regierung verantwortlich (unter Polen 40%, unter Deut- schen 36%). Als zweite Ursache erkennen die Befragten unterschiedliche wirtschaftliche Interessen (30% bzw. 31%).

- Das von Befragten in Polen und Deutschland am häufigsten genannte Problem in den deutsch-polnischen Beziehungen ist die Frage der Zahlung von Reparationen durch Deutschland an Polen (58% der Polen bzw. 52% der Deutschen sehen dies als problematisch an). Als weitere Konflikte nennen die polnischen Befragten die Gaspipeline Nord Stream II (55%) sowie die Forderungen nach Entschädigung bzw. Rückübertragung von Vermögenswerten durch einige deutsche Vertriebene (54%). Deutsche Befragte weisen demgegenüber an zweiter und dritter Stelle auf die unterschiedlichen Einstellungen zur Flüchtlingsfrage hin (52%); erst danach folgt die Forderung nach Entschädigungszahlungen. In beiden Ländern ist der Anteil derer gesunken, die den letztgenannten Punkt als „Problem” oder „großes Problem” ansehen.

- Die jeweils größte Gruppe der Befragten in beiden Ländern vertritt die An- sicht, dass ein Schwerpunkt der Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Polen der Kampf gegen den Terrorismus sein sollte (38% der Polen, 40% der Deutschen). Auf den nachfolgenden Plätzen liegen seitens der Polen die Stärkung der europäischen Flanke der NATO (30%) sowie die Stärkung der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik und die Schaf- fung eines energieunabhängigen Europas (beide 28%). Bei den Deutschen nimmt Platz zwei die europäische Außen- und Sicherheitspolitik ein (35%), gefolgt vom Eintreten für eine ehrgeizige europäische Politik zur Bewälti- gung der Klimakrise (34%).

- Die Polen nehmen mehrheitlich keine politische (59%), wirtschaftliche (56%) oder militärische (67%) Bedrohung durch Deutschland wahr; jedoch sind diese Werte im Vergleich zum Jahr 2018 allesamt gefallen (damals 65%, 65% bzw. 74%).

- Ein Drittel der deutschen Befragten (32%) geht davon aus, dass Polen eher zu einer guten Zusammenarbeit in Europa beisteuert, wohingegen 43 Pro- zent glauben, dass Polen eher zur Verschärfung von Konflikten und Strei- tigkeiten auf europäischer Ebene beiträgt. Die deutschen Bewertungen zu Polens Europapolitik haben sich zwar leicht verbessert und inzwischen wieder den Stand des Jahres 2008 erreicht, doch überwiegen die negativen Einschätzungen immer noch die positiven. Gleichzeitig wertet die Hälfte der polnischen Befragten die polnische Europapolitik als Beitrag zur guten Zusammenarbeit (51%), ein Drittel hingegen als Beitrag zur Verschärfung von Konflikten (33%).

- Mehr als die Hälfte der Polen glauben, Deutschland trage zu einer guten europäischen Zusammenarbeit bei (56%). Drei Viertel der Deutschen teilen diese Ansicht ebenfalls (76%). Ein Fünftel der polnischen Befragten allerdings geht davon aus (21%), dass Deutschland eher zur Verschärfung der Konflikte in Europa beiträgt.

- Mehrheitlich sind Polen und Deutsche (52% bzw. 66%) der Ansicht, dass man sich in den deutsch-polnischen Beziehungen vor allem auf die Ge- genwart und die Zukunft konzentrieren sollte – wobei der Anteil der polnischen Befragten diesbezüglich seit Jahren kontinuierlich sinkt (2011: 73%, 2018: 60%). Heute vertreten bereits 36 Prozent der Polen den Standpunkt, man sollte sich in den Beziehungen vor allem auf die Vergangenheit konzentrieren.

- Große Unterschiede zwischen Deutschen und Polen gibt es nach wie vor in der Einschätzung zur Frage, ob das Leid und die Opfer, welche die Polen im Laufe der Geschichte erbracht haben, bisher international ausreichend anerkannt wurden. Die Hälfte der befragten Polen (50%) ist der Ansicht, dass dem nicht so ist, während über die Hälfte der Deutschen (56%) meint, dass dies bereits geschehen sei.

- Personen, die einmal das Nachbarland besucht haben, haben für gewöhn- lich eine bessere Meinung von diesem als solche, die noch nie dorthin gereist sind. Einwohner von an Polen angrenzenden Bundesländern sowie Berlin haben das östliche Nachbarland weitaus häufiger besucht als Einwohner anderer Bundesländer. Dasselbe gilt umgekehrt für die Einwohner von an Deutschland angrenzenden polnischen Wojewodschaften.

- Ein Einfluss des Alters der Befragten auf Antworten ist statistisch kaum nachzuweisen.

- Anhand der Antworten der deutschen Befragten zu Polen und zu den deutsch-polnischen Beziehungen lassen sich deren politische Parteipräferenzen nicht ablesen. Auf polnischer Seite dagegen ist eine politische Polarisierung deutlich zu erkennen. Bewertungen von Anhängern der Regierungspartei unterscheiden sich deutlich von Einschätzungen von Anhängern des Oppositionslagers, vor allem solchen der Bürgerkoalition (Koalicja Obywatelska, KO). Erstere haben zu Deutschland und dessen Politik eine generell negativere Einstellung und plädieren, in den gemeinsamen Beziehungen vor allem die Vergangenheit und nicht die Zukunft in den Fokus zu rücken. Auch anhand von Präferenzen für bestimmte Printmedien lassen sich vergleichbare Unterschiede festmachen.

Das gesamte Barometer können Sie als pdf herunterladen.

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Kontakt

Dr. Angelika Klein

Dr

Leiterin der Abteilung Stabsstelle Evaluierung

angelika.klein@kas.de +49 30 26996-3435
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3. Juni 2020
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