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Veranstaltungsberichte

Gadji beri bimba - Über das Phänomen Dada

von Thea Stapelfeld

Am 08. Mai lud die Konrad-Adenauer-Stiftung zur Fortsetzung ihrer Themenreihe „Umbruch 1918“ ins Stadtmuseum Dresden ein. Zu Gast war der preisgekrönte Schriftsteller und Literaturexperte Dr. Raoul Schrott, der über das Phänomen des Dadaismus als Seismographen zeitgeschichtlicher Entwicklungen und seine Bedeutung für die Gegenwart sprach.

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Nach einer kurzen Einführung durch den Landesbeauftragten der Konrad-Adenauer-Stiftung Sachsen, Dr. Klose, begann Dr. Schrott seinen Vortrag über die kulturkritische Kunstrichtung des Dadaismus, die 1916 im Züricher „Cabaret Voltaire“ ihren Anfang genommen hatte. Schrott führte aus, dass dadaistische Kunst insbesondere nach Ende der 20er Jahre als „Unsinnspoesie“ vermarktet worden war, was ihren vielschichtigen Bedeutungsebenen jedoch nicht gerecht wurde. Die Kunstrichtung sei viel mehr gewesen als eine homogene Ansammlung von Provokateuren. Als „état d‘esprit“ sei die relativ kurzlebige Kunstrichtung des Dada eine Geisteshaltung mit langfristigen Auswirkungen auf die Nachkriegsgesellschaften gewesen, deren Einfluss noch heute merkbar sei. So seien viele Ausdrucksformen des Dada in unsere Sprache übergegangen. Das Bewusstsein dafür sei heutzutage allerdings weitestgehend verloren gegangen.

Eindrucksvoll legte Schrott dar, in welcher Vielfalt sich dadaistische Kunst in den Umbruchsjahren geäußert hat. Die Dadaisten versuchten der Sprache durch linguistische Operationen etwas vermeintlich Urwüchsiges zu geben. Dadaistische Gedichte beziehen sich oft auf kindliche Ausdrucksweisen und arbeiteten mit Lautmalerei. Des Weiteren erlebten überzeugte Theatergänger ein „Theater des Absurden“, das sich verschiedenen Formen der Aktionskunst und des Ausdruckstanzes bediente.

Dabei lag die Radikalität des Dadaismus weniger in seiner Provokationslust, sondern vielmehr in seiner unverblümten Ehrlichkeit und seinem Verlangen nach Unmittelbarkeit. Ähnlich dem Expressionismus versuchte auch „Dada“, in die menschlichen Abgründe zu starren und versuchte vor diesem Hintergrund, den Humanismus in seiner technisierten Umwelt darzustellen, so Schrott.

In den von Schrecken und Tod gekennzeichneten Kriegsjahren kam die Frage auf, was Kunst überhaupt noch solle. Die Dadaisten wollten dieser Tristesse etwas Andersartiges, Provokantes entgegenstellen und erkoren den „Heiligen Narr“, der als Antagonist zum Philosophen fungierte, zur ihrer Symbolfigur.

Zudem thematisierte Herr Schrott in seinem Vortrag auch die politische Ausrichtung des Dadaismus. Er charakterisierte sie als Anti-Kriegs-Bewegung, die die als spießig erlebte Enge der Umbruchs- und Nachkriegsjahre überwinden wollte und deutlich pazifistisch ausgerichtet war. Die meisten Dadaisten hätten den Ersten Weltkrieg verurteilt und seien deswegen in die Schweiz emigriert; dennoch habe kein Dadaist öffentlich gegen den Krieg protestiert. Dies führte Schrott auf den Schweizerischen Hintergrund der Bewegung zurück. Als vornehmlich aus Emigranten bestehende und in der Schweiz gegründete sowie wirkende Kunstbewegung mussten auch die Dadaisten die Neutralität der Schweiz wahren, um nicht ausgewiesen zu werden.

Zum Ende seines Vortrags bezog sich Dr. Schrott auf das „Erbe“ des Dadaismus für unsere heutige Zeit. Er führte aus, dass dieses zu seinem Bedauern nicht bewusst existiere. Beispielsweise hätten genuin dadaistische sprachliche Elemente den Weg in unsere Alltagssprache gefunden. Die Meisten wissen dies aber nicht. Der Dadaismus habe sich in die Ritzen unserer Gesellschaft zurückgezogen, er sei eigentlich nur noch museal präsent. Als heterogene Kunstrichtung, die nie ein „ismus“ sein wollte, sondern vielmehr eine „Bewegung der Ichs“ gewesen sei, hat der Dadaismus immer danach gestrebt, den Konformismus der damaligen Zeit aufzudecken und sich ihm entgegenzustellen. Vor diesem Hintergrund sei Kunst immer Ausdruck des jeweiligen Augenblicks gewesen: witzig, provokant, emotional. Die Utopie der Dadaisten, das Humane in seiner Reinform zu realisieren, erfüllte sich jedoch nicht, wie Dr. Schrott feststellte.

Im Anschluss entwickelte sich eine intensive Diskussion zwischen dem Publikum und dem Referenten zu verschiedenen Fragen.

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