Veranstaltungsberichte
Auf einer Reise nach Neuseeland begegnete die Dokumentarfilmerin und Bürgerrechtlerin Freya Klier zufällig der Jüdin Dorothea Eisig, deren Familie das nationalsozialistische Deutschland verlassen musste. Zwar ist „Auswandern nach Neuseeland“ seit vielen Jahrzehnten durchaus üblich, doch war es als Fluchtziel für deutsche Juden bislang unbekannt. Klier erforschte die Flucht vieler deutscher Juden ans „andere Ende der Welt“ und schildert in ihrem Buch „Gelobtes Neuseeland“ die Schicksale von Emigranten wie dem Philosophen Karl Popper, dem Lyriker Karl Wolfskehl oder dem Leichtathleten Ernst Eisig, der seine Ehefrau später nachholte. Zu den Einwanderern gehörten überdies die Geschwister Hansi und Fred Silberstein. Bei einer Veranstaltung des Bildungswerks Erfurt der Konrad-Adenauer-Stiftung stellte die Autorin in der Erfurter Buchhandlung Peterknecht ihr Buch vor und referierte über die Schicksale der Auswanderer.
Klier sprach dabei an, dass es zwei verschiedene Formen jüdischer Emigration nach Neuseeland gab – zum einen jene Menschen, die in den ersten Jahren der NS-Diktatur (bis 1939) flohen, aber schon erste Verfolgungen und Schikanen über sich ergehen lassen mussten und nur durch viel Glück und über Zufälle ein Visum erhielten; zum anderen NS-Opfer, die viele Jahre in Konzentrationslagern verbringen mussten und Deutschland erst nach dem Krieg verließen. Dabei war es äußerst schwierig, die begehrte Einreisegenehmigung zu erhalten, denn Neuseelands Politik unterschied sich kaum von der Blockadehaltung anderer Staaten.
Aus letztgenanntem Grund durften etwa die Eltern des bekannten Leichtathleten Eisig (er wurde aufgrund seiner jüdischen Herkunft von den Olympischen Spielen 1936 ausgegrenzt) nicht einreisen, da sie schon über 50 Jahre alt waren. Erschütternd war auch das Schicksal der Geschwister Silberstein, die in Auschwitz einsaßen: Während die Schwester Hansi als Schreiberin Typhus, Lagerauflösung und Todesmärsche überlebte, überstand ihr Bruder Fred die Menschenversuche Mengeles. Beide fanden nach 1945 in Neuseeland eine neue Heimat, doch sprachen sie Jahrzehnte nicht über die erlebte Hölle von Auschwitz. Erst Klier Buch gab vielen jüdischen Emigranten die Stimme zurück.