Veranstaltungsberichte
Das Bildungssystem der DDR schuf keine Individuen, sondern züchtete Kollektive. In diesem Satz lässt sich der Inhalt einer Studie zum Erziehungswesen der DDR zusammenfassen, die Freya Klier bereits vor 1988 in der DDR erarbeitete und nach ihrer Verhaftung mit anschließender Abschiebung in der Bundesrepublik veröffentlichte. Zum Auftakt der Reihe „Heidecksburger Schlossgespräche“ der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. stellte die Bürgerrechtlerin auf der Heidecksburg in Rudolstadt ihre Studie vor. Gesprächspartner war Gerhard Günther MdL, moderiert wurde die Diskussion von Manfred Wagner (Geschichtswerkstatt Jena), Dr. Helmut-Eberhard Paulus (Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten) wandte sich mit einem Grußwort ans Publikum.
Klier stellte eindrucksvoll dar, wie die regierende SED bereits in den fünfziger Jahren die Kindern zu Wesen erzog, die dem ostdeutschen Teilstaat absolute Treue erweisen sollten. Für Individuen war dies freilich nicht möglich; im Mittelpunkt stand das Kollektiv, stand stets die Gemeinschaft. Jeder einzelne junge Mensch musste sich als Teil einer großen Gemeinschaft fühlen, nicht aber als Einzelperson mit eigenen Gedanken. Für diese Aussage spricht die Uniformierung von Beginn bis zum Ende jeder Schulzeit: Jungpionier, Thälmann-Pionier, FDJ-Mitglied, GST-Aktivist, NVA-Soldat. Nach der Ausbildung folgte eine ständige Auffrischung des uniformierten (para-)militärischen Wissens im Arbeitsleben, sei es durch Reservisten-Dienst bei der NVA oder durch Zivilverteidigungs-Lehrgänge im Betrieb. Als Höhepunkt des uniformierten Bildungssystems ist für jeden Schüler die konkrete vormilitärische Ausbildung anzusehen (Wehrkunde-Unterricht, Wehrlager, Tage der Wehrbereitschaft).
Erst ab den achtziger Jahren kam es zu kleinen Reformen im Bildungssystem. Während zuvor besonders auf Geschichts-, Staatsbürgerkunde- oder Deutschunterricht Wert gelegt wurde, wobei für Interpretationen stets politische Hintergründe im marxistisch-leninistischen Sinne standen, richtete die Staats- und Parteiführung - vor allem in Person des „Ministers“ für Volksbildung Margot Honecker - ihr Interesse nun verstärkt auf naturwissenschaftliche Fächer. Ende des Jahrzehnts (und am Ende der DDR-Geschichte) kamen sogar erste Stunden im fakultativen Informatik-Unterricht hinzu.