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Veranstaltungsberichte

Reichsbürger in Deutschland: Ziele, Ideologie und Gefährdungspotentiale

Vortrag und Gespräch

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Am 17. Oktober lud das Politische Bildungsforum Thüringen der Konrad-Adenauer-Stiftung zum Eisenacher Gespräch ins Martin-Luther-Gymnasium. Thema der Veranstaltung war „Reichsbürger in Deutschland: Ziele, Ideologie und Gefährdungspotentiale“ Als Referenten waren Thomas Schulz vom Amt für Verfassungsschutz Thüringen und Raymond Walk (MdL) geladen.

Zunächst begrüßte Dr. Peter Schütz, Schulleiter des Martin-Luther-Gymnasiums und Daniel Braun, wissenschaftlicher Mitarbeiter des politischen Bildungsforums Thüringen, die Gäste. Auch Raymond Walk (MdL) schloss in sich den Begrüßungen an und verwies dabei bereits auf erste Fakten zum Thema Reichsbürger in Thüringen. So liege hier das erste Auftreten bereits fünfzehn Jahre zurück. Heute gibt es etwa 1000 Reichsbürger in Thüringen, was Thüringen auf Platz eins im Verhältnis zur Gesamtbevölkerungszahl im Bundesvergleich setzt. Gleichzeitig verweist Walk auch auf das Gefahrenpotential der sogenannten Reichsbürger, denn unter diesen sind einerseits zahlreiche Straftäter und besitzen überdies mindestens 500 Waffen. Anhand dieses Gefahrenpotentials, so Walk, bestehe dringend Aufklärungsbedarf durch den Verfassungsschutz, was jedoch im aktuellen Verfassungsschutzbericht 2016 noch zu kurz komme.

Vortrag Thomas Schulz

In seinem Vortrag schloss sich auf Schulz dem regionalen Problemaufriss der Reichsbürger oder Staatsverweigerer, so der von ihm bevorzugte Begriff, an. So gibt es in Eisenach besonders viele Rechtsextreme und entsprechend der Überschneidungen von Rechtsextremisten und Reichsbürgern auch überdurchschnittlich viele Reichsbürger. Ferner ist Thüringen im ein beliebter Treffpunkt der internationalen Reichsbürgerszene. So tagte der ‚International Common Law Court of Justice Vienna‘, ein internationaler Gerichtshof von Staatsverweigerern, bereits zwei Mal in Thüringen.

Ihren Ursprung finden die Reichsbürger in den 1980er Jahren bei dem ersten ‚Reichskanzler‘ Wolfgang Ebel. Da nach seinem Tod unter anderem Differenz bezüglich seiner Nachfolge entstanden bestehen heute 50 kommissarische Reichsverwaltungen. Dies ist aber auch durch die ideologischen Differenzen zu begründen. Ideologisch, so Schulz, zeichnet sich die Reichsbürgerszene durch Heterogenität aus. Deutlich hervorzuheben ist aber die Gemeinsamkeit des Bezuges auf Verschwörungstheorien, die sich dann in Antisemitismus und völkischen Bezügen niederschlagen. Des Weiteren betonte Schulz auch, dass die Motivation der Reichsbürger sehr unterschiedlich sein kann. So kann die finanzielle Bereicherung (etwa durch Versicherungsbetrug) aber auch eine rein ideologische Motivation vorliegen. Als weiteren relevanten Punkt der Reichsbürgerszene betonte Schulz auf die Tatsache, dass der Szene auch Frauen angehören, wie an der aktuellen Reichskanzlerin deutlich wird.

Als inhaltlichen Schwerpunkt setzte Schulz die Gefahrenpotentiale. Schulz berichtete, dass die Reichsbürger auf Bundesebene seit November 2016 beobachtet werden, in Thüringen jedoch bereits seit 5 Jahren. Bundesweit gibt es etwa 15.000 Reichsbürger, wobei 1500 strafrechtlich für 13.000 Straftaten verfolgt werden. Dabei handelt es sich um 750 Gewaltdelikte und 1500 Delikte aus dem Bereich politisch motivierte Kriminalität. Neben dem Gefahrenpotential aus strafrechtlicher Perspektive, verwies Schulz auch auf die waffenrechtliche Perspektive. So besitzen 1000 Reichsbürger eine legale waffenrechtliche Erlaubnis. Ferner verwies Schulz darauf, dass auch Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes Reichsbürger sein können. So gelten in Sachsen und Bayern 30 Polizisten als Reichsbürger. Insgesamt, so zieht Schulz bezüglich des Gefahrenpotentials sein Fazit, steigt die Zahl der Reichsbürger in Deutschland, sie werden radikaler, gewaltbereiter, besser bewaffnet und professionalisieren sich zunehmend durch die Gründung von Parteien und Vereinen, Onlinepräsenz und rechtliche Vertretungen.

Dass neben dem Gefahrenpotential auch echte Bedrohungssituationen vorliegen führte Schulz schließlich an Fallbeispielen an. So führte im letzten Jahr die Vollstreckung einer Räumungsklage gegen einen Reichsbürger in Georgensgmünd (Bayern) zum Tod eines Polizisten. Drei weitere wurden verletzt. Aber auch die Propagandavideos, die mit Gewalt drohen, zeigen beispielhaft die Eskalationsspirale der Gewaltbereitschaft von Reichsbürgern. Der Landtagsabgeordnete Walk und Schulz verwiesen darauf, dass bei Neuerteilung von legalen Waffenbesitzkarten mittlerweile Regelanfragen beim Verfassungsschutz erfolgen. Walk sah jedoch insbesondere bei bereits erteilten Erlaubnissen eine weiterhin unkalkulierbare Gefährdung.

Im Fazit seines Vortrages hielt Schulz nun fest, dass die sogenannten Reichsbürger Querulanten sind, denen die Reichsideologie nur als Katalysator dient. Ihr Ziel ist es Verwaltungen lahmzulegen. Dennoch bestehe einerseits aufgrund der Gewaltbereitschaft, andererseits aufgrund der Verbindungen zum Rechtsextremismus ein ernstzunehmendes Gefahrenpotential.

Auch für den Bürger, der mit Staatsverweigerern in Kontakt kommt, hat Schulz eindeutige Tipps. Er empfahl Diskussionen mit Reichsbürgern zu vermeiden und im Zweifelsfall eines strafrechtlich relevanten Vorgangs Anzeige zu erstatten und Reichsbürgermaterialen dem Verfassungsschutz zukommen zu lassen.

In der anschließenden Diskussion wurde noch einmal die Frage der Bewaffnung aufgeworfen. Hier sei zwar der Staat bereits aktiv, aber Vereine und Berufe wie Schützenvereine und Jäger, die Zugang zu Waffen haben, müssen ihre Aufsicht verantwortungsvoll wahrnehmen.

Hundertprozentige Sicherheit sei jedoch nie möglich, wenn der Staat nicht die demokratische Basis verlassen wolle, um einen umfassenden Überwachungsstaat zu etablieren. Wichtig ist es daher den Bürger zu sensibilisieren, mehr zu hinterfragen und Beamte des öffentlichen Dienstes im Umgang mit Staatsverweigerern zu schulen. Und auch umfassend gegen Anfeindungen aus dem zivilrechtlichen Bereich durch Reichsbürger zu schützen.

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Daniel Braun

Daniel Braun

Leiter des Auslandsbüros Nordmazedonien und Kosovo

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