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Lissabon in den Händen Warschaus?

Nach dem "Ja" der Iren

Die Zustimmung der Iren im zweiten Anlauf zum EU-Reformvertrag von Lissabon wird von der polnischen Regierung aus Bürgerplattform (PO) und Volkspartei (PSL) begrüßt.

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Der erfolgreiche Ausgang des Referendums war am Wochenende in den Medien und am heutigen Montag in den großen Zeitungen ein führendes Thema, das selbst den Skandal um unzulässige Einflüsse von Glücksspiellobbyisten auf den Fraktionschef der Regierungspartei PO, Zbigniew Chlebowski, und deren Sportminister Mirosław Drzewiecki von den Titelblättern verdrängte. „Dublin rettet Lissabon“, titelt die größte Tageszeitung, die linksliberale Gazeta Wyborcza. In der nationalkonservativen Rzeczpospolita lautet dagegen die Schlagzeile: „Lissabon in den Händen Warschaus“.

Das trifft insofern zu, als der polnische Staatspräsident Lech Kaczyński, der den Vertrag skeptisch beurteilt, seine abschließende Unterschrift unter die Ratifikationsurkunde mit Hinweis auf das ausstehende Referendum in Irland bis jetzt verweigert hat.

Der Reformvertrag ist am 13. Dezember 2007 in Lissabon nach zähen Verhandlungen, in denen Polen mehr Vetorechte im Ministerrat durchsetzen konnte, auch vom polnischen Staatspräsidenten Kaczyński unterzeichnet worden. Das polnische Parlament, der Sejm, stimmte dem Vertrag nach einem Kompromiss zwischen der von der liberal-konservativen Bürgerplattform (PO) geführten Regierung von Donald Tusk und Präsident Lech Kaczyński, der aus der nationalkonservativen Oppositionspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) herkommt, bereits am 1. April 2008 mit 384 Ja-Stimmen bei 56 Gegenstimmen und 12 Enthaltungen zu. Am 2. April 2008 verabschiedete der Senat, die zweite Kammer des Parlaments, den Vertrag mit 74 Ja-Stimmen bei 17 Gegenstimmen und sechs Enthaltungen. Dem Kompromiss zufolge soll die Regierung in der Zukunft keinen Änderungen am Lissabonner Vertrag zustimmen dürfen, welche die Formel von Ioannina, die bei einer knappen Mehrheit im Ministerrat eine erneute Intervention der Minderheit erlaubt, oder die Opt-Out-Klausel für die Grundrechtecharta betreffen, ohne von Parlament und Präsident dazu ermächtigt worden zu sein.

Präsident Lech Kaczyński unterzeichnete daraufhin am 10. April 2008 zunächst zwar das Begleitgesetz zu dem Vertrag, jedoch noch nicht die Ratifizierung selbst. Nach der gescheiterten Volksabstimmung in Irland am 12. Juni 2008 erklärte er den Vertrag von Lissabon für gegenstandslos und kündigte an, die Ratifizierungsurkunde nicht unterzeichnen zu wollen. Später lenkte er allerdings ein und deutete an, zu einer Ratifizierung des Vertrages bereit zu sein, sofern auch alle übrigen EU-Staaten diesen ratifizierten. Nachdem dies mit Ausnahme von Irland, Deutschland und Tschechien geschehen war, sagte er schließlich zu, seine Unterschrift unter die Ratifikationsurkunde zu setzen, sofern das Referendum in Irland den Vertrag bestätige. Damit wollte der polnische Präsident, wie er sagte, ein Zeichen der Solidarität mit Irland setzen, das während des Prozesses der Ratifikation politischen Druck ausgesetzt gewesen sei.

Somit steht Präsident Kaczyński nun im Wort. Eine weitere Verzögerung der Unterschrift würde sein Wort unglaubwürdig machen und einen Eklat bedeuten. Dementsprechend kündigen leitende Mitarbeiter des Präsidenten heute auch die baldige Unterschrift an, von der auch der polnische Präsident des Europäischen Parlaments, Jerzy Buzek, ausgeht. Der Staatspräsident selbst hat sich dazu noch nicht geäußert. Allerdings gibt es bereits wieder Mutmaßungen, dass der Präsident seine Unterschrift erneut an Bedingungen knüpfen könnte hinsichtlich des noch ausstehenden Gesetzes zur Kompetenzaufteilung zwischen Präsident und Regierung in der Außen- und Europapolitik und in Bezug auf eine Stärkung der Rechte des Parlaments in Angelegenheiten der EU nach dem Vorbild Deutschlands.

Von einer möglichen positiven Einflussnahme Kaczyński auf den tschechischen Staatspräsidenten Vaclav Klaus hinsichtlich der Unterzeichnung der Ratifikation, von der früher schon mal am Rande die Rede war, ist derzeit nichts zu hören. Gebe es eine Chance dafür, könnte der polnische Staatspräsident sein europakritisches Image ablegen und sich als europäischer Staatsmann hervortun.

Unterdessen wird in den polnischen Medien bereits gemutmaßt, wer die mit dem Lissabonner Vertrag geschaffenen neuen Positionen des Präsidenten des Europäischen Rates und des EU-Außenministers einnehmen werde. Für das Präsidentenamt werden neben dem ehemaligen britischen Premier Tony Blair vor allem der niederländische Regierungschef und Christdemokrat Jan Peter Balkenende und der ebenfalls christdemokratische Ministerpräsident von Luxemburg Jean-Claude Juncker genannt. Bezüglich des Amtes des Kommissars für Außenpolitik und stellvertretenden Kommissionspräsidenten kursieren die Namen des schwedischen Außenministers Carl Bildt, des britischen Außenminister David Miliband sowie des neuen Fraktionsvorsitzenden der SPD im Bundestag, Frank-Walter Steinmeier.

Das zeigt, dass man nunmehr in Polen mit einem Inkrafttreten des Reformvertrages von Lissabon rechnet, der in Politik und Bevölkerung eine große Zustimmung genießt.

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