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Den Haager Gerichtsentscheidung zu Grenzkonflikt um Abyei

Der Internationale Schiedsgerichtshof in Den Haag hat über den Grenzverlauf des ölreichen sudanesischen Distrikts Abyei entschieden. Der exakte Verlauf der Grenze war zwischen der Regierung des Sudan und der Regierung des Südsudan heftig umstritten. Eine friedliche Beilegung dieses Konfliktes wäre ein Meilenstein im Umsetzungsprozess des Friedensabkommens von 2005. Ob der Richterspruch dazu beigetragen hat, werden die nächsten Wochen, möglicherweise Monate, zeigen.

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Abyei: Wo Norden und Süden aufeinanderprallen

Abyei: Wo Norden und Süden aufeinanderprallen

Abyei – mit seiner ebenfalls Abyei genannten Hauptstadt – ist ein Distrikt im Süden der Provinz Gharb Kardufan und liegt im Herzen des Sudans. Er wird vornehmlich von zwei Stämmen bewohnt: mehrheitlich von den sich dem Südsudan zugehörig fühlenden Dinka sowie den teilweise nomadisch lebenden Misseriya, die sich mit dem Norden verbunden sehen. Abyei, in der Presse auch als das „Kaschmir des Sudan“ bezeichnet, bezieht seine Bedeutung vor allem aus der Tatsache, dass große Erdölvorkommen in dieser Region festgestellt wurden. Der Konflikt um Abyei hat mittlerweile eine internationale Dimension erreicht.

Im Januar 2005 wurde das Friedensabkommen – das so genannte Comprehensive Peace Agreement oder auch CPA – zwischen der Regierung des Sudans (dem „Norden“) und der südsudanesischen Sudan People’s Liberation Movement/Army (SPLM/A) geschlossen. Es klammerte jedoch einen der Streitpunkte, nämlich ob beziehungsweise in welchem Maße Abyei zum Norden oder Süden gehört, weitgehend aus. Der Fall wurde nämlich an eine spezielle Kommission, die Abyei Boundaries Commission, ausgelagert. Diese wurde mit dem Mandat ausgestattet, über die Grenzziehung zu entscheiden.

Bereits im Jahr 2007 warnte die International Crisis Group (ICG), dass eine Konflikteskalation unvermeidlich wäre, wenn sich die Parteien nicht bald auf einen konstruktiven Dialog einließen. Andererseits, so die Analyse von ICG, böte eine friedliche und einvernehmliche Beilegung des Abyeikonflikts die Chance, die Implementierung des CPA in positiver Weise zu beeinflussen.

Beide Seiten erheben Anspruch auf den Distrikt. In einem gesonderten Zusatzprotokoll zum CPA wurde Abyei folgender Sonderstatus zugestanden: wenn im Jahr 2011 das Referendum stattfinden wird, in dem über die Unabhängigkeit des Südsudan vom Sudan entschieden wird, dann wird in Abyei ebenfalls in einem Referendum darüber entschieden, ob es zum dann möglicherweise unabhängigen Südsudan oder zum Gebiet des Sudans gehören soll. Diese Entscheidung ist für beide Konfliktseiten von hohem Stellenwert, denn mit ihr wird auch festgelegt, wer die Kontrolle über die Ölfelder in dem Distrikt haben wird. Welch erhebliche politische, wirtschaftliche und symbolische Bedeutung Abyei für die Konfliktparteien genießt, wurde Mitte 2008 offensichtlich, als es zwischen der sudanesischen und der südsudanesischen Armee zu schweren und gewalttätigen Auseinandersetzungen in und um Abyei kam. Rund 100 Menschen verloren ihr Leben, vermutlich mehr als 100.000 Menschen wurden von den Kämpfen aus ihrer Heimatregion vertrieben.

Als die Abyei Boundaries Commission schließlich den Grenzverlauf festlegte, wurde diesem seitens des Nordens widersprochen. Für einen solchen Fall war zuvor zwischen den beiden Parteien vereinbart worden, die Entscheidung dem Internationalen Schiedsgerichtshof zu übergeben. Sowohl die Regierung des Sudan als auch die Vertreter des Südsudan haben versichert, dass sie jegliche Entscheidung des Gerichts anerkennen und befolgen würden.

Die Entscheidung des Den Haager Schiedsgerichtshofes

Das Urteil des Schiedsgerichts wurde am 23. Juli 2009 gefällt. Es besagt, dass die Abyei Boundaries Commission hinsichtlich der westlichen und östlichen Grenzfestlegung ihre Kompetenzen überschritten habe und bestimmt, dass das Territorium Abyeis entsprechend kleiner sei. Des Weiteren wurde bestätigt, dass nomadische Viehzüchter sich auch weiterhin über die Grenzen hinweg bewegen dürfen.

Die Verkleinerung Abyeis wird als Schwächung des Südsudans und entsprechend als Sieg für den Nordsudan gewertet. Wichtige Teile der Ölfelder liegen nun außerhalb Abyeis auf Nordterritorium. Das bedeutet, dass auch in dem Fall, dass sich Abyei im Referendum für den Südsudan entscheidet und der Südsudan zugleich für die Unabhängigkeit stimmt, wichtige Rohstoffquellen außerhalb südsudanesischen Gebietes befinden werden.

Die Situation in Abyei in den kommenden Tagen, Wochen und womöglich Monaten wird entscheidende Bedeutung für die Zukunft des Friedensabkommens haben. Halten sich die Parteien an ihr Versprechen, den Schiedsspruch zu akzeptieren, und wirken sie in diesem Sinne auf die Bevölkerung ein, so kann dies als wichtiges Signal für die nächsten Schritte in der Umsetzung des CPA gewertet werden. Dazu gehören die für Anfang 2010 angesetzten Wahlen sowie das Referendum, das laut roadmap 2011 stattfinden wird. Der Präsident des Südsudan – gleichzeitig Vizepräsident des Sudan – hat sich nach der Verkündigung des Schiedsspruches bereits in dem Sinn öffentlich geäußert, dass die Entscheidung des Gerichts seitens des Südsudan respektiert werde. Derartige Versicherungen sind letztendlich auch für die wirtschaftliche Entwicklung der Region von erheblicher Bedeutung. Nur wenn der rechtliche Rahmen geklärt ist und die Sicherheitssituation es zulässt, kann der Fluch des schwarzen Goldes gebannt werden und werden sich die dringend benötigten Investoren finden.

Sollte jedoch eine der Konfliktparteien – oder möglicherweise beide – offen oder verdeckt gegen das Urteil opponieren, so ist Gewalt nicht nur in Abyei vorprogrammiert. Sollte die Situation eskalieren, so stehen die Vereinbarungen des CPA insgesamt auf dem Spiel, zumal es durchaus Kräfte gibt, die einem Kollaps des Friedensprozesses befürworten würden.

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Kontakt

Mathias Kamp

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Referent für Östliches Afrika / Multilaterale Themen Subsahara-Afrika

mathias.kamp@kas.de +49 30 26996 -3426

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