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Regierung und Königreiche in Uganda – ein konfliktträchtiges Ensemble

von Lena Barke, Peter Girke

Eine Herausforderung für Museveni?

Sub-Sahara Afrika ist von einer Vielzahl unterschiedlicher Ethnien, Königreiche und Clans gekennzeichnet. Die Vielfalt an Kulturen, Religionen und Sprachen birgt immer wieder Konfliktpotential – auch für relativ gefestigte Regierungen, wie sie beispielsweise in Uganda unter Präsidenten Yoweri Museveni anzutreffen sind. Mitte September führte ein Streit zwischen dem Präsidenten und dem König von Buganda (Kabaka) zu einer Eskalation, die in gewalttätigen Straßenschlachten mündete.

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Diese Ereignisse machen die Spannung deutlich, die zwischen Zentralregierung und verschiedenen Königreichen herrscht. Es kann davon ausgegangen werden, dass das Thema bis zu den Wahlen im Jahr 2011 und möglicherweise darüber hinaus auf der politischen Agenda bleiben wird. Die Ursachen des Konfliktes sind auch in der Geschichte des Landes zu suchen.

Der Auslöser: ein vom König geplanter Besuch des Bezirks Kayunga

Auslöser der Ausschreitungen mit über 20 Toten, hunderten Verletzten, zerstörten Autos, geplünderten Geschäften sowie geschlossenen Radiostationen war eine geplante Reise des Königs von Buganda, des sogenannten Kabaka, zu einer Jugendveranstaltung in Kayunga, 45 Km nordöstlich von Kampala gelegen. Die Regierung unter Museveni wollte diese aufgrund von Sicherheitsbedenken absagen lassen. Die Banyala, eine ethnische Minderheit im Bezirk Kayunga, wollen sich vom Königreich Buganda abtrennen und über ein autonomes Teilgebiet verfügen. Unter der Führung ihres selbst ernannten Ssabasaja („Führer der Banyala“) hatten sie dem Kabaka deshalb die Einreise in „ihr Gebiet“ verwehrt. Daraufhin kam es Mitte September zu dreitägigen Demonstrationen und Ausschreitungen zwischen den Anhängern des Königs und Sicherheitskräften – welche, nach offiziellen Angaben, die Reise des Königs zu dessen eigenem Schutz zu verhindern hatten. Im Verlauf der Ausschreitungen wurden insgesamt vier Radiostationen durch die Regierung geschlossen und die Ausstrahlung einiger TV Talk-Shows verboten. Offiziell wollte die Regierung dadurch politische Hetzkampagnen gegen Museveni und Aufrufe zu Gewalt unterbinden. Der Kabaka sagte mit zunehmender Zuspitzung der Lage schließlich seine Reise nach Kayunga ab, was zur Beruhigung der Lage zunächst in Kampala und später auch in Kayunga führte. Er machte aber deutlich, dass die Reise nach Kayunga keineswegs abgesagt, sondern lediglich verschoben worden sei. Präsident Museveni hat in Presseerklärungen seine Absicht verkündet, sich mit Kabaka zu einem persönlichen Gespräch zu treffen, um die Themen zu besprechen. Ein Dialog auf unterer Ebene zwischen Mengo, dem Verwaltungsapparat des Königreiches, und der Regierung haben bisher zu keiner Lösung geführt. Weitere Gewaltausbrüche können nicht ausgeschlossen werden, da die Ursprünge der aktuellen Unruhen tief in der ugandischen Gesellschaft verwurzelt sind und sie ganz unmittelbar die Machtverhältnisse zentraler ugandischer Akteure berühren.

Die Rolle der Königreiche in der Geschichte Ugandas

Die Ereignisse im September machen deutlich, wie angespannt das Verhältnis zwischen der Zentralregierung unter Museveni und dem König von Buganda, dem größten Königreich Ugandas, auch heute noch ist. Die Existenz von Königreichen lässt sich in Uganda bis in das 13. Jahrhundert (andere Quellen verweisen auf das 14./15. Jahrhundert) zurückverfolgen. Die Einteilung in Königreiche war bis ins 20. Jahrhundert kennzeichnend für Uganda. Buganda, also das Königreich der Baganda, hatte vom 18. bis in das 20. Jahrhundert hinein eine Vormachtstellung in der Region inne. Ankole, Bunyoro und Toro sind andere einflussreiche Königreiche in Uganda. Sowohl die alte Hauptstadt Ugandas, Entebbe, als auch die heutige, Kampala, liegen im Gebiet des Königreichs Buganda.

Uganda wurde über Jahrhunderte von Königen regiert und kulturell geprägt. 1894 wurde Uganda britisches Protektorat – und mit ihm das mächtige Königreich Buganda. Dessen Vormachtstellung unter den verschiedenen Königreichen Ugandas wurde damit jedoch nicht geschmälert. Am 9. Oktober 1962 wurde Uganda unabhängig und ein Jahr später, am 9. Oktober 1963, wurde Kabaka Sir Edward Mutesa II, der Vater des heutigen Königs von Buganda, Ronald Muwenda Mutebi II, zum ersten Präsidenten des unabhängigen, föderalen Ugandas ernannt. Drei Jahre später, im Jahre 1966, wurde der 35. Kabaka der gesamten Königsgeschichte Ugandas von Milton Obote vertrieben. Dieser schaffte die Königreiche ab, woraufhin Buganda seine Sonderstellung in Uganda verlor. Viele Royalisten flohen ins Exil.

Nach dem Regime von Idi Amin und einer zweiten Herrschaft Obotes gewann schließlich der noch heute amtierende Präsident Museveni Ende Januar 1986 seinen fünf Jahre dauernden Krieg gegen das Obote-Regime. Der Sohn des vertriebenen Kabakas, Ronald Muwenda Mutebi II, kehrte aus seinem Exil zurück und wurde zum 36. Kabaka Ugandas gekrönt. 1993 verkündete Museveni die Wiederherstellung der Königreiche.

Der Präsident und die Könige heute

Die Königreiche hatten seit jeher einen besonderen Stellenwert in der Geschichte Ugandas. Nachdem sie zunächst durch Obote im Jahre 1966 abgeschafft wurden, haben sie mit der Wiederherstellung durch Museveni im Jahre 1993 wieder an Einfluss gewonnen. Noch heute lässt sich Uganda in verschiedene Einflusssphären von Königen und traditionellen Führern einteilen. Die Baganda sind mit insgesamt ca. 17% der zahlenmäßig größte vertretene Stamm in Uganda (Gesamtbevölkerung 2009: ca. 32 Mio.) und somit politisch nicht unbedeutend.

Regelmäßig konnte sich Präsident Museveni bei den Präsidentschaftswahlen 1996, 2001 und 2006 auf die Gunst der Baganda verlassen. 2001 beispielsweise gaben insgesamt rund 62% der Baganda Museveni ihre Stimme. 2006 erhielt Museveni insgesamt rund 4,1 Millionen Stimmen – knapp 50 Prozent davon von bugandischen Wählern. Die gegenwärtigen Spannungen zwischen dem Königreich und dem Präsidenten könnten allerdings derart tiefgreifend sein, dass sich dieser Trend bis zu den nächsten Wahlen 2011 abschwächt oder sogar umkehrt.

Das Verhältnis zwischen Museveni und dem Kabaka hat sich in den letzten zwei Jahren zugespitzt, so sehr, dass sie für längere Zeit nicht mehr miteinander sprachen. Museveni sieht im Kabaka zunehmend einen politischen Gegner, der die Interessen Ugandas gefährde. Die Forderungen des Königs nach federo , der Schaffung eines föderalen Staatsaufbaus, in dem der Einfluss der Königreiche gestärkt wird, verbunden mit Rückgabeforderungen von Ländereien, stößt auf Ablehnung seitens der Zentralregierung. Zusätzlich wirkt sich belastend auf das Verhältnis aus, dass der Kabaka in Zeiten anhaltender Armut zunehmend an Popularität auf Seiten frustrierter Ugandern gewinnt.

Die Ausschreitungen Mitte September machen die Diskrepanz zwischen Zentralregierung und Königreich deutlich. Obwohl traditionelle und kulturelle Führer – gemeint sind vor allem die Könige – gemäß Art. 246 der Verfassung nur eine kulturelle Rolle einnehmen (Art. 246 (1)) und von aktiver Politikgestaltung ausgenommen sind (Art. 246 (3 e, f)), wird insbesondere der Kabaka von Regierung zunehmend als politische Gefahr wahrgenommen, der mit der Opposition kooperiert. Der vom Kabaka angekündigte Besuch Kayungas wurde von Regierungsseite beispielsweise als politische Provokation der Banyala bewertet, die ein Recht auf Minderheitenschutz hätten.

Der Kabaka und Mengo dagegen sehen ihre Freiheiten untergraben. Sich zu versammeln und zu demonstrieren sei ein von der Verfassung geschütztes Recht, genauso wie das Recht, als freier Bürger Ugandas in jede Region reisen zu dürften, um Veranstaltungen zu besuchen. Die geplante Jugendveranstaltung sei schließlich zugunsten der sozioökonomischen Entwicklung der Region organisiert worden, um agrarwirtschaftliche Programme zu fördern und nicht um politische Hetzkampagnen zu starten, kommentierte Mengo. Kritiker aus den Reihen des Kabakas unterstellen Museveni, das Königreich Buganda und die Rolle des Königs schwächen zu wollen. Musevenis befürwortende Haltung zur Gründung neuer Chiefdoms und die Herausbildung weiterer traditioneller Führer wird als politisches Kalkül und strategisch motiviert interpretiert – mit dem Ziel, entsprechend des Grundsatzes divide et impera die Einheit der traditionellen Institutionen zu stören und daraus politisches Kapital zu ziehen.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Gewaltausbrüche in Kampala, Kayunga und weiteren Bezirken haben das Konfliktpotential zwischen der Zentralregierung und den Königen deutlich gemacht. Einige Tage nach den Ausschreitungen hielt Präsident Museveni eine Rede vor dem Parlament, in der er in vier Punkten das zukünftige Verhältnis zwischen Zentralregierung und Königreichen aus Regierungssicht skizzierte.

Demnach sollten die kulturellen und traditionellen Institutionen noch stärker von der Politik getrennt werden, als es derzeit bereits in Art. 246 der Verfassung festgelegt ist. Zweitens soll verhindert werden, dass ausländische Akteure aus Regierungssicht unerwünschte Kooperationen mit ugandischen Königen eingehen. Des Weiteren wird vorgeschlagen, in naher Zukunft ein Treffen aller politischen, religiösen und traditionellen Führer Bugandas zu organisieren, um über zukünftige Entwicklungen zu diskutieren. Und schließlich bekräftigte er die Pläne der Regierung, im kommenden Jahr das schon länger geplante sogenannte regional tier umzusetzen, demzufolge in den Regionen ein direkt gewähltes Exekutivorgan (eine Art Ministerpräsident) eingeführt werden soll.

Eine spezifische Reaktion von Königsseite steht noch aus. Es ist aber davon auszugehen, dass die Pläne und Ankündigungen nicht auf umfassende Zustimmung stoßen werden. Einem Dialog wird sich der Kabaka aber wohl nicht entziehen (können). Gespräche zwischen den beiden Konfliktparteien müssen die schwierigen und tief verwurzelten Themen angehen. Dabei wird es auch darum gehen, wie sichergestellt werden kann, dass moderne und demokratische Strukturen auf lokaler Ebene besser verankert werden können. Die Herausforderung dabei wird sein, in diesem Themenkomplex einen Konsens mit den betreffenden Königreichen zu erzielen, die ihre Macht auf Erbfolge und traditionellen Strukturen und nicht auf demokratischer Legitimierung aufbauen. Deshalb ist auch die Diskussion um den regional tier so schwierig: Insbesondere das Königreich Buganda verweist darauf, dass eine allgemeine und direkte Wahl eines „Ministerpräsidenten“ den Traditionen und der Kultur des Königreiches widersprechen würde. Dahinter ist auch die Sorge zu vermuten, dass das Königshaus bei Wahlen an Macht und Einfluss verlieren könnte und dass ein möglicherweise gewählter Nicht-Buganda entgegen den Traditionen handeln würde.

Klar ist, dass die Königreiche einen wichtigen politischen Faktor in der heutigen ugandischen Gesellschaft darstellen, auch wenn dies von der Verfassung anders vorgesehen war. Und dass diese Einrichtungen das Potential haben, in kurzer Zeit viele Menschen politisch zu mobilisieren, die dann im Zweifelsfall bei Versammlungen schwer zu kontrollieren sind, hat sich mit aller Deutlichkeit im September gezeigt. Ebenfalls hat sich bestätigt, dass die Reaktionen der Sicherheitskräfte Anlass zur Sorge geben, was die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beim Einsatz von staatlichen Gewaltmitteln betrifft.

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3. Juli 2009
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