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Think Tank Analyse: Warum hat Trump gewonnen?

ANALYSEN AUS DEN AMERIKANISCHEN THINK TANKS ZUM ERGEBNIS DER US-PRÄSIDENTSCHAFTSWAHL

Gegen alle Prognosen setzte sich der republikanische Kandidat Donald Trump gegen die demokratische Kan-didatin Hillary Clinton bei der US-Präsidentschaftswahl am 8. November 2016 durch. Im Nachhinein kommen viele Gründe zusammen, die den Wahlerfolg von Donald Trump erklären. Vor allem folgende Aspekte wurden nach der Wahl von amerikanischen Think Tanks in den Vordergrund ge-stellt: Unerwartete Trump-Wähler, Wechselstimmung und Unzufriedenheit mit den Eliten in einem Teil der Bevöl-kerung sowie Clintons strategische Fehler und der digitale Wahlkampf

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Unerwartete Trump-Wähler

Neunzig Prozent der republikanischen Wähler haben bei der Präsidentschaftswahl Donald Trump ihre Stimme abgegeben – aus Überzeugung für ihren unkonventionellen Kandidaten, aus Parteitreue sowie aus ziel-gerichteten Gründen, z. B. um einen konservativen Supreme Court (den Obersten Gerichtshof der USA) zu garantieren. Die zusätzlichen Wähler, die die GOP (Grand Old Party/Republikaner) unterstützt und somit Trumps Sieg ermöglicht haben, sind laut offiziellen Statistiken vor allem Bürger aus der weißen unteren Mittelschicht, die traditionell keine Anhänger der republikanischen Partei sind und 2012 oft noch Barack Obama gewählt haben.

Dieses Phänomen der sogenannten „swing voters“ stellt die größte Überraschung dieser Wahl dar. Wahl-Experten haben es nicht vorausgesehen, argumentiert das Pew Research Center, u.a. weil die Präsidentschaftswahlen der letzten Jahre auf eine weite Kluft zwischen Anhängern der Demokraten und der Republikaner hingewiesen hatten. Das Meinungsforschungszentrum weist außerdem darauf hin, dass Umfrage-Institute tendenziell Schwierigkeiten haben, weniger gebildete Wähler zu befragen.

Dieser weißen unteren Mittelschicht – die in Amerika auch die Arbeiterklasse miteinbezieht –gehören vor allem Menschen ohne akademischen Abschluss an. Sie sind in den USA keine Minderheit, unterstreicht das den Republikanern nahe stehende American Enterprise Institute (AEI): 60 Prozent der Amerikaner haben kein Studium abgeschlossen. Auch bei den Frauen hat Trump gepunktet: Weiße Frauen – insbesondere diejenigen ohne Hochschulabschluss – haben den republikanischen Kandidaten mehrheitlich unterstützt.

Darüber hinaus enthüllten diese Wahlen eine geographische Kluft, betont u.a. die Brookings Institution: Die Menschen in ländlich geprägten Staaten und Regionen haben Trump deutlich häufiger gewählt als diejenigen in (mittel)großen Städten und Vorstadtgebieten. Dies gilt insbesondere in den sogenannten „swing states“ im Mittleren Westen der USA und führte dazu, dass Donald Trump sowohl in Ohio und Iowa als auch in Wisconsin, Pennsylvania und Michigan gewann, was ihm (gemeinsam mit den Wählerstimmen aus Florida) den Einzug ins Weiße Haus sicherte.

Eine der Schlussfolgerungen dieser Präsidentschaftswahl ist laut Ansicht des AEI daher, dass der demographische Wandel in den USA bei nationalen Wahlen noch nicht entscheidend ist. Da immer noch 70 Prozent der US-Wähler weiß sind, stellt die weiße Mittelschicht aus ländlichen Gegen-den für Abstimmungen nach wie vor eine kritische Masse dar. Andere Bevölkerungsgruppen wie ethnische Minderheiten, Mil-lennials (die „Generation Y“) oder Akademiker nehmen zwar mehr und mehr Einfluss auf Wahlentscheidungen, sind aber im Ver-gleich noch nicht zahlreich genug, um Präsidentschaftswahlen entscheidend zu beeinflussen.

Wechselstimmung und Unzufriedenheit mit den Eliten

Zu den Gründen der weißen unteren Mittelschicht, bei den Wahlen 2016 den Anti-Establishment-Kandidaten zu unterstützen, zählen laut Expertenmeinungen sowohl ökonomische als auch soziale und kulturelle Gründe.

Ökonomisch gesehen, hat sich diese Gruppe seit 2009 am Wenigsten von der letzten Wirtschaftskrise erholt, verdeutlichen Pew-Graphiken. Auch wenn diese Menschen nicht zu den ärmsten Bürgern in den USA gehören, sind ihre Arbeits- und Einkommensperspektiven sowie ihre Kaufkraft in den letzten Jahren nicht besser, sondern eher schlechter geworden. Viele haben im Zuge der Krise ihre Häuser verloren und kämpfen seitdem um ihre Existenz, weil sich die Perspektiven auf Arbeit, Lohnwachstum und eine Erholung des Immobilienmarkts in ihren Wohngegenden nicht so gut entwickeln wie an den Küsten und in großen Städten. Auch ist insbesondere in dieser Bevölkerungsgruppe die Arbeitslosigkeits- bzw. die Unterbeschäftigungsrate gestiegen. Analysen vom AEI und Brookings zeigen, dass sie sich daher oft als Verlierer der Globalisierung, des zunehmenden Freihandels und der Fortschritte im technologischen Bereich betrachten. Sie fühlen sich zudem von den demokratischen und republikanischen Eliten ignoriert und werfen die-sen vor, in den letzten Jahren zu wenig unternommen zu haben, um ihnen dabei zu helfen, sich den neuen ökonomischen Realitäten anzupassen. Dies gilt insbesondere für die weiße untere Mittelschicht, bzw. Arbeiterklasse in den vormals wohlhabenden Industriestaaten im Mittleren Westen der USA.

Soziale und kulturelle Gründe kommen hin-zu, stellen die Analysen vom AEI und Brookings auch fest. Die Sehnsucht nach einem sozialen Status sowie das Streben nach Würde und Respekt kennzeichnen oft die Mitglieder dieser Bevölkerungsschicht, die mit ihrer ökonomischen Situation unzufrieden ist. Die Angst vor einem Identitätsverlust in einer Gesellschaft, die immer multikultureller und bunter wird, oft parallel zur Furcht vor dem Niedergang der USA in ei-ner globalen und multipolaren Welt, spielt ebenfalls eine Rolle. Dies geht einher mit dem Wunsch nach Sicherheit und Kontrolle über das eigene Schicksal. Zudem werden political correctness und öffentlicher Einsatz für Minderheiten in sozial schwachen weißen Milieus oft als ungerecht betrachtet, denn ihrer Meinung nach setzt sich niemand für sie ein. Insbesondere um die soziale Mobilität ihrer Kinder machen sich diese Bürger Sorgen.

Donald Trumps ist es in seinem Wahlkampf gelungen, betont die konservative Heritage Foundation, die Ängste und Bedürfnisse dieser Menschen anzusprechen. Trotz mangelnder Erfahrung als Politiker wurde der Immobilienunternehmer oft als Hoffnungsträger in diesen Kreisen betrachtet. Brookings stellt seinerseits fest: Populistische Parolen und einfache Lösungen sowie abfällige Kommentare und nicht zuletzt nationalistische, rassistische und xenophobe Äußerungen haben ihn in ihren Augen nicht disqualifiziert.

Clintons strategische Fehler

Viel mehr als der Milliardär verkörperte Hillary Clinton während des Wahlkampfes die politische und ökonomische Elite aus der Ostküste, die – so zumindest der Vorwurf – den Draht zu den durchschnittlichen Bürgern verloren hat. Einer ihrer Hauptfehler war, laut Brookings, sich während des Wahlkampfes auf Minderheiten, Millennials und urbane Akademiker zu konzentrieren, ohne auf die weiße Mittelschicht aus der Peripherie zuzugehen. Dabei wurde sie von der Datenbank ihrer Partei, die diese Wähler als treue Anhänger der demokratischen Partei einordnete, in die Irre geführt. Ins-besondere in den „swing states“ beging sie den fatalen Fehler, sich darauf zu verlas-sen, dass die weiße Arbeiterklasse, die traditionell die Demokraten wählt, auch sie unterstützen würde. Sie führte dort keinen aggressiven Wahlkampf, um ihre Stimmen zu sichern, und verlor somit in diesen Schlüsselstaaten einen entscheidenden Teil des traditionellen demokratischen Lagers. Dies geschah, unterstreicht das Hudson Institute, obwohl beide Kandidaten während des Wahlkampfes einen sehr niedrigen Beliebtheitsgrad hatten. Für das AEI: Clintons Bezeichnung der Hälfte der Trump-Unterstützer als „deplorables“ (Klägliche) im September 2016 zementierte ihr Image einer elitären und herabschauenden Establishment-Politikerin, was ihr in diesen Kreisen sicherlich nicht geholfen hat.

Die Email-Affäre, die dazu führte, dass ihre Nutzung eines privaten Servers für ihre berufliche Kommunikation während ihrer Zeit als Außenministerin seit 2014 untersucht wurde, bekräftigte die Gegner der Demokratin in ihrer Meinung, betont Heritage, dass Clinton nicht vertrauenswürdig sei und sich über die Gesetze stelle. Diese Affäre wurde während des Wahlkampfes oft als ihre größte Schwachstelle betrachtet. Das Council on Foreign Relations bewertet die kurz vor den Wahlen stattfindenden Aussagen des FBI-Direktors James Comey zu diesem Thema als einen wichtigen Grund für ihre Niederlage. Auch wenn alle neuen Anschuldigungen schnell revidiert wurden, hat dieser Zwischenfall ihre Unterstützer verunsichert und ihren Gegnern neue Munition geliefert.

Als weiterer taktischer Fehler der Demokratin unterstreicht die Heritage Foundation die Tatsache, dass Clinton sich zu sehr darauf konzentriert hat, populistische Aussagen ihres Gegners zu kritisieren, um Republikaner von ihm abzuwenden. Stattdessen hätte sie ihr Programm häufiger vorstellen sollen, um das demokratische Lager besser von sich zu überzeugen. Auch eine einfache, positive Botschaft – wie Trumps „Make America Great Again“ – hätte ihr nach Ansicht Brookings geholfen, Stimmen in beiden politischen Lagern zu gewinnen. Ihre Strategie war außerdem, Kontinuität nach der Obama-Ära anzubieten. Dabei hat sie nicht verstanden, dass ein Teil der demokratischen Anhänger den Status-Quo ab-lehnt. Laut Analysen des Hudson Institute hat Trump die Wahlen gewonnen, u.a. weil er mit neuen Vorschlägen in vier Kernfragen mehr Wähler auf seiner Seite hatte als Hillary Clinton: Immigration, Handel, die Zusammensetzung des Supreme Court und „Obamacare“.

Mit Kontinuitätsversprechen konnte Clinton letztendlich niemanden in ihrem Lager so richtig inspirieren. Statistiken des Pew Research Institute zeigen, dass die Afroamerikaner und Latinos die Demokratin zwar massiv unterstützten, aber viel weniger als Obama im Jahr 2012 (93 Prozent der Afroamerikaner und 71 Prozent der Latinos haben 2012 für Obama gewählt, nur noch 88 Prozent der Afroamerikaner und 66 Prozent der Latinos sprachen sich 2016 für Hillary Clinton aus). Das gleiche gilt für jüngere Wähler (60 Prozent der Millennials gaben 2012 dem demokratischen Kandidaten ihre Stimme, 2016 waren es nur noch 55 Prozent). Es ist Clinton daher nicht gelungen, diese Bevölkerungsgruppen zu mobilisieren: Minderheiten und junge Menschen sind nicht in Scharen an die Wahlurnen gegangen, um sie zu unterstützen, oder sie haben sich für andere Kandidaten entschieden – nicht zuletzt Trump. Dies hatte verhängnisvolle Konsequenzen für Clinton in allen „swing states“, die sie knapp verlor.

Der digitale Wahlkampf

Zwei weitere Faktoren, um das Wahlergebnis zu erklären, werden zurzeit darüber hinaus untersucht, bzw. debattiert: der Einfluss der Sozialen Medien und die Einmischung Russlands in den Wahlkampf.

In Bezug auf die Sozialen Medien wird insbesondere auf die Rolle Facebooks hingewiesen. Erst nach der Wahl wurde deutlich, wie geschickt Trumps Team die Plattform genutzt hat, um anhand von Methoden der Online-Vermarktung (und mit der Unterstützung einer Datenfirma, die schon während der Brexit-Kampagne aktiv war) personalisierte und oft emotionale Ansprachen für zahlreiche Wählerkategorien zu entwickeln und zielgerichtet zu verschicken. Diese neue Ebene der digitalen Wahlkampffüh-rung scheint besonders effektiv gewesen zu sein und soll den Einfluss von „Fake News“ im Internet noch verstärkt haben. Brookings unterstreicht daher, dass in einer post-faktischen Welt („post-truth“) objektive Fakten weniger Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung haben als Appelle an Emotionen und persönliche Überzeugungen.

Russlands Einflussnahme auf den US-Wahlkampf, mit dem Ziel, den republikanischen Kandidaten zu unterstützen, wird von der Obama-Regierung auf der Basis von Untersuchungen der US-Nachrichtendienste bestätigt. Der gewählte Präsident, Donald Trump, hat sich allerdings bis jetzt äußerst skeptisch über diese Anschuldigungen geäußert. Die Beeinflussung soll insbesondere in Form von Cyber-Attacken sowie der nicht autorisierten Veröffentlichung von Informationen („Leaks“) stattgefunden haben. Twitter-Kampagnen mit wahlpropagandistischen Inhalten aus Fake-Konten oder die Veröffentlichung von tausenden gehackten Emails aus dem Umfeld der US-Demokraten bei WikiLeaks sind laut offiziellen Angaben nur ein paar Beispiele hierfür. Allerdings sollen Hackerangriffe nicht auf den Wahlprozess selbst (z.B. auf Wahlmaschinen) stattgefunden haben und kein Experte in den US-Think Tanks ist der Meinung, Trump hätte wegen der russischen Hacks die Wahlen gewonnen. Max Boot vom Council on Foreign Relations vertritt eben-falls diese Position. In diesem Zusammenhang argumentiert er dennoch, dass bei einer Wahl, die mit einem Abstand von 100.000 Stimmen in drei Kernstaaten entschieden wurde, es unmöglich zu sagen sei, was letztendlich den Unterschied gemacht habe und was nicht. US-Experten diskutieren in diesem Kontext zu erwartende russische Versuche der Einflussnahme auf die kommenden Wahlen in Deutschland und Frankreich. Insofern bieten die Themen Hacking aus Russland und Cyberabwehr derzeit Anknüpfungspunkte für den transatlantischen Austausch.

Leseempfehlungen

Pew Research Center„Behind Trump’s victory: Divisions by race, gender, education“von Alec Tyson und Shiva Maniam, Research Fellows9. November 2016http://www.pewresearch.org/fact-tank/2016/11/09/behind-trumps-victory-divisions-by-race-gender-education/

The Brookings Institution „The small town-big city split that elected Donald Trump“von Richard Shearer, Senior Research Ana-lyst 11. November 2016https://www.brookings.edu/blog/the-avenue/2016/11/11/the-small-town-big-city-split-that-elected-donald-trump/

American Enterprise Institute (AEI)„How Donald Trump filled the dignity deficit“von Arthur C. Brooks, Präsident des AEI10. November 2016https://www.aei.org/publication/how-donald-trump-filled-the-dignity-deficit/

Hudson Institute“Trump Won on the Issues”von Jeffrey H. Anderson, Senior Fellow18. November 2016http://www.hudson.org/research/13036-trump-won-on-the-issues

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Paul Linnarz

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Leiter des Länderprogramms Japan und des Regionalprogramms Soziale Ordnungspolitik in Asien (SOPAS)

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