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Zusammenfassung
Auf den ersten Blick scheint der Klimawandel nichts mit dem Arabischen Frühling zu tun
zu haben. Sicherlich richtig ist: Der Klimawandel war nicht der einzige Auslöser für die
Revolutionen im arabischen Raum. Aber er war ein zusätzlicher Stressfaktor im System,
der gemeinsam mit anderen, wirtschaftlichen, konfessionellen und politischen Faktoren
die Konflikte in der Region verstärkte. Der Multidimensionalität der Krise kann nur
durch die Betrachtung der verschiedenen Ursachen gerecht geworden werden, ohne aber
einen zu überschätzen. Wenn also auch der Klimawandel eine Rolle für die Sicherheit
spielt, dann müssen sowohl die Sicherheitspolitik im Allgemeinen sowie das bisherige
Engagement in der Region aus strategischem Interesse im Besonderen überdacht werden.
Die Veranstaltung „Der Arabische Frühling und der Klima Wandel“ versuchte
gemeinsam mit Anne-Marie Slaughter und Antworten auf die komplexen Fragen nach
der konkreten Umsetzung des Klimawandelbewusstseins in der Politik und Praxis zu
finden.
Relevanz des Themas für das nationale US-Interesse
Außenpolitik sei traditionell auf das Agieren und die Probleme von Staaten fokussiert, so
Slaughter. Gegen ein vornehmlich gesellschaftliches Problem wie den Klimawandel
vorzugehen, sei in dieser Tradition deshalb mit Schwierigkeiten verbunden. Um der
Problematik des Klimawandels gerecht werden zu können, plädiert Slaughter deshalb
dafür die gesellschaftliche und staatliche Herangehensweisen zu integrieren. So war es
auch das Ziel des Quadrennial Diplomacy and Development Review (QDDR), zivile
Akteure in der Lösung von Konflikten zu stärken und den Fokus auf die zivile bzw.
humanitäre Sicherheit zu legen. In der Implementierung ließen sich bereits Fortschritte
verzeichnen. Die Relevanz des Themas Klimasicherheit für das nationale Interesse
begründet Slaughter so: „we go under if we don’t care.“ Friedman argumentiert ähnlich:
„If you don’t visit a bad neighborhood, it visits you.“
Verständnis der Region
Um sich der Bedeutung des Klimawandels für die Region bewusst zu werden, schlägt
Friedman vor, die Länder unabhängig von ihren nationalen Grenzen, wie sie in der
britischen Kolonialzeit festgelegt wurden, zu betrachten. Vielmehr seien die Grenzen des
der Bevölkerungsgruppen, insbesondere der verschiedenen Stämme, sinnvoll. Dieses Bild
der Region kann dann um den Faktor Klima ergänzt werden. So ließen sich mögliche
Problemfelder lokalisieren. Eine solche Karte liefere ein klareres Verständnis für das
politische Alltagsgeschäft sowie die Analyse der Probleme. Slaughter geht noch einen
Schritt weiter: Für die Formulierung von Lösungen spielten politische, wirtschaftliche
und zivile Netzwerke und Organisationen eine wichtige Rolle, die dem Bild noch
hinzugefügt werden müssten. Denn an den Schnittpunkten der verschiedenen Akteure sei
es möglich, Lösungen zu finden.
Interdependenz der Staaten
Die zunehmende Interdependenz zwischen Staaten führt laut Friedman dazu, dass sich
Machtbeziehungen umkehren und Ereignisse in einem Land direkte Auswirkungen auf
Verbündete haben. Aufgrund dieser gegenseitigen Abhängigkeit und der
Machtverhältnisse seien Verbündete in der Lage sich gegenseitig schneller zu schaden als
feindlich gesinnte Staaten. Friedman illustriert dies am Beispiel von Griechenland und
Italien, die mit den USA einen einvernehmlichen Verteidigungsvertrag in der NATO
haben. Ein Austritt dieser Staaten aus der Europäischen Union würde aufgrund der
gegenseitigen Abhängigkeit immense direkte Auswirkungen auf Amerika haben.
Klimawandelbewusstsein in der Politik und Öffentlichkeit
Um aktuellen Herausforderungen begegnen zu können, bedarf es stabiler Staaten, so
Friedman. Die Staaten in der arabischen Welt seien derzeit in einem Übergangsstatus von
einem autoritären Regime zu einem neuen gefangen und damit alles andere als stabil. Zu
den innenpolitischen Problemen kämen die Probleme des Klimawandels wie
Überschwemmung, Dürre und steigende Nahrungsmittelpreise hinzu, was in einer
Überforderung dieser politisch instabilen Staaten resultiere.
Auch wenn sich ein kausaler Zusammenhang nicht sicher nachweisen lässt, müssten sich
Regierungen mit Blick auf die Klimasicherheit am Worst-Case-Szenario orientieren.
Slaughter berichtet das Pentagon spiele deshalb bereits seit fünf Jahren solche Szenarien
immer wieder durch. Künftig sollten Problemherde analysiert und in die Politikplanung
mit einbezogen werden. Andere Staaten wie Israel und Singapur, aber auch die EU seien
hinsichtlich dessen Vorreiter.
In der arabischen Welt ist Klimasicherheit Friedman zu Folge jedoch kein hoch
gehandeltes Thema. Konversationen über die Thematik seien eher gering, obwohl die
Erkenntnisse der Klimawissenschaftler mit den erwarteten Ereignissen in der Region
übereinstimmten. Friedman weist außerdem darauf hin, dass der Lebensstil - große
Häuser, Autos und Straßen - wie er ursprünglich hauptsächlich von Amerikanern gelebt
wurde, heute aber auch in Asien und Europa verbreitet ist, die Probleme des
Klimawandels in Zukunft noch verstärken werde.
Traditionelle Außenpolitik
Bereits aus der Erfahrungen der Geschichte, wisse man, dass steigende Brotpreise
Revolutionen ausrufen können, so Slaughter. Im Gegensatz zu traditioneller Außenpolitik
sei das Thema Klimasicherheit mit zwei Problemen konfrontiert: Erstens sind die Effekte
des Klimawandels nicht sofort sichtbar. Zweitens erhält es im Vergleich zu militärischen
Interventionen oder Problemen wie mit dem Iran oder Afghanistan weniger sowohl
politisch als auch medial Aufmerksamkeit. Für die Sicherheit sei jedoch beides relevant,
weshalb die Zusammenarbeit in den verschiedenen Bereichen künftig verbessert werden
sollte. Auch müsse ein Wandel der Außenpolitik von der Bekämpfung der Symptome hin
zur Behebung der Ursachen von Krisen erfolgen.
Nahrungsmittelimport und Klimawandel
Klimawandel beeinflusst die Nahrungsmittelproduktion sowie deren Nachfrage auf dem
Weltmarkt. Acht von neun der weltweit größten Weizenimporteure sind arabische
Länder. Betrachtet man die Länder, die vom Arabischen Frühling betroffen waren, so
ergibt sich eine eindeutige Korrelation, so Friedman. Dabei handle es sich um einen
Teufelskreislauf des Systems, der aufgrund der Interdependenz die Instabilität der Länder
verstärke. Marktorientierte Ansätze sowie nachhaltige Energie seien Möglichkeiten,
diesem Problem zu begegnen. Insgesamt sei es jedoch wichtig, die Mittel der
Außenpolitik zu überdenken und sich von einer Konzentration auf Staaten hin zu einem
Fokus auf das gesamte System zu bewegen, so Friedman. Auch Slaughter betont: Zwar
sei das Bild der Welt als Staatenwelt immer noch wichtig, andere Akteure wie Netzwerke
usw. würden aber zunehmend an Bedeutung gewinnen und müssten deshalb auch stärker
involviert werden.
Mittel der Klimapolitik
Slaughter sieht ein zentrales Problem der Klimapolitik in den zu Verfügung stehenden
Mitteln. Der Relevanz des Themas seien sich nämlich viele bewusst. Das Problem sei
vielmehr, dass die traditionellen Mittel der Außenpolitik wie Verhandlungen, Sanktionen
oder militärische Drohungen zur Bekämpfung des Klimawandels ungeeignet seien.
Außerdem würden sie dazu führen, dass Probleme auch nur so wahrgenommen werden,
wie sie auch mit den zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft werden könnten. Es sei
vielmehr sinnvoll, Netzwerke und die vielschichtigen Probleme zu analysieren bevor es
zu einem Konflikt komme. Solche Mittel stünden deshalb nicht zu Verfügung, weil man
immer noch in veralteten und staatlich dominierten Mustern denke, so Slaughter.
Gender-Perspektive
Auch wenn die Gender-Perspektive mehr mit in die Diskussion eingebracht werden solle,
ist Klimasicherheit für Slaughter vor allem ein soziales Thema, in dem Unternehmen aber
auch andere Aspekte wie Religion eine Rolle spielen. Künftig sollten Lösungen deshalb
vielmehr zwischen Akteuren wie Netzwerken und internationale Organisationen
gefunden und diese in den Entscheidungsprozess mit eingebunden werden.
Failing und failed States
Um sich mit Veränderungen auseinandersetzen zu können, braucht es stabile Staaten, so
Friedman. Deshalb seien vor allem Prozesse des Staatsaufbau für die Außenpolitik von
Bedeutung. In der Praxis konzentriere sich ein Großteil von Unterstützung, so
beispielsweise die Unterstützung Ägyptens durch die USA, jedoch immer noch auf
militärische Mittel. Zivile Mittel stünden hinten an. Die Dominanz militärischer
Unterstützung sei ein Erbe des Kalten Krieges. Damit vergesse man jedoch, dass man
heute einen Kollabierung Ägyptens vielmehr als eine Verbündung mit Russland
befürchten müsse. Für einen stabilen Staaten seien jedoch vor allem die zivilen Mittel
von Bedeutung. Hier müsse also ein Umdenken erfolgen.
Problem der Zeit
Um dem Problem des Zeitmangels entgegen zu wirken, plädiert Slaughter für eine
Reduktion der bestehenden Ausschüsse. Denn diese würden derzeit um ihre
Zuständigkeit streiten, was eine einheitliche und gemeinsame Lösung der Probleme
erschwere. Traditionelle Muster müssten also aufgebrochen und eine neue Organisation
aufgebaut werden.
Friedman definiert das Problem wie folgt: „We are sitting around waiting for the perfect
storm that will end the debate but hopefully not the world.“ Die Möglichkeiten, den
Problemen zu begegnen seien jedoch begrenzt, weil es sich vornehmlich um
innerstaatliche handle, die auch nur von innen behoben werden könnten. In der
arabischen Welt sieht Friedman zudem einen Mangel einer zentralen linken Partei, die
eine echt politische Alternative bieten könnte.