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Klimawandel und der Arabische Frühling

Center for American Progress Diskussion mit Tom Friedman und Anne-Marie Slaughter

Auf den ersten Blick scheint der Klimawandel nichts mit dem Arabischen Frühling zu tun zu haben. Sicherlich richtig ist: Der Klimawandel war nicht der einzige Auslöser für die Revolutionen im arabischen Raum. Aber er war ein zusätzlicher Stressfaktor im System, der gemeinsam mit anderen, wirtschaftlichen, konfessionellen und politischen Faktoren die Konflikte in der Region verstärkte. Die Veranstaltung versuchte gemeinsam mit Anne-Marie Slaughter und Antworten auf die komplexen Fragen nach der konkreten Umsetzung des Klimawandelbewusstseins in der Politik und Praxis zu finden.

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Zusammenfassung

Auf den ersten Blick scheint der Klimawandel nichts mit dem Arabischen Frühling zu tun

zu haben. Sicherlich richtig ist: Der Klimawandel war nicht der einzige Auslöser für die

Revolutionen im arabischen Raum. Aber er war ein zusätzlicher Stressfaktor im System,

der gemeinsam mit anderen, wirtschaftlichen, konfessionellen und politischen Faktoren

die Konflikte in der Region verstärkte. Der Multidimensionalität der Krise kann nur

durch die Betrachtung der verschiedenen Ursachen gerecht geworden werden, ohne aber

einen zu überschätzen. Wenn also auch der Klimawandel eine Rolle für die Sicherheit

spielt, dann müssen sowohl die Sicherheitspolitik im Allgemeinen sowie das bisherige

Engagement in der Region aus strategischem Interesse im Besonderen überdacht werden.

Die Veranstaltung „Der Arabische Frühling und der Klima Wandel“ versuchte

gemeinsam mit Anne-Marie Slaughter und Antworten auf die komplexen Fragen nach

der konkreten Umsetzung des Klimawandelbewusstseins in der Politik und Praxis zu

finden.

Relevanz des Themas für das nationale US-Interesse

Außenpolitik sei traditionell auf das Agieren und die Probleme von Staaten fokussiert, so

Slaughter. Gegen ein vornehmlich gesellschaftliches Problem wie den Klimawandel

vorzugehen, sei in dieser Tradition deshalb mit Schwierigkeiten verbunden. Um der

Problematik des Klimawandels gerecht werden zu können, plädiert Slaughter deshalb

dafür die gesellschaftliche und staatliche Herangehensweisen zu integrieren. So war es

auch das Ziel des Quadrennial Diplomacy and Development Review (QDDR), zivile

Akteure in der Lösung von Konflikten zu stärken und den Fokus auf die zivile bzw.

humanitäre Sicherheit zu legen. In der Implementierung ließen sich bereits Fortschritte

verzeichnen. Die Relevanz des Themas Klimasicherheit für das nationale Interesse

begründet Slaughter so: „we go under if we don’t care.“ Friedman argumentiert ähnlich:

„If you don’t visit a bad neighborhood, it visits you.“

Verständnis der Region

Um sich der Bedeutung des Klimawandels für die Region bewusst zu werden, schlägt

Friedman vor, die Länder unabhängig von ihren nationalen Grenzen, wie sie in der

britischen Kolonialzeit festgelegt wurden, zu betrachten. Vielmehr seien die Grenzen des

der Bevölkerungsgruppen, insbesondere der verschiedenen Stämme, sinnvoll. Dieses Bild

der Region kann dann um den Faktor Klima ergänzt werden. So ließen sich mögliche

Problemfelder lokalisieren. Eine solche Karte liefere ein klareres Verständnis für das

politische Alltagsgeschäft sowie die Analyse der Probleme. Slaughter geht noch einen

Schritt weiter: Für die Formulierung von Lösungen spielten politische, wirtschaftliche

und zivile Netzwerke und Organisationen eine wichtige Rolle, die dem Bild noch

hinzugefügt werden müssten. Denn an den Schnittpunkten der verschiedenen Akteure sei

es möglich, Lösungen zu finden.

Interdependenz der Staaten

Die zunehmende Interdependenz zwischen Staaten führt laut Friedman dazu, dass sich

Machtbeziehungen umkehren und Ereignisse in einem Land direkte Auswirkungen auf

Verbündete haben. Aufgrund dieser gegenseitigen Abhängigkeit und der

Machtverhältnisse seien Verbündete in der Lage sich gegenseitig schneller zu schaden als

feindlich gesinnte Staaten. Friedman illustriert dies am Beispiel von Griechenland und

Italien, die mit den USA einen einvernehmlichen Verteidigungsvertrag in der NATO

haben. Ein Austritt dieser Staaten aus der Europäischen Union würde aufgrund der

gegenseitigen Abhängigkeit immense direkte Auswirkungen auf Amerika haben.

Klimawandelbewusstsein in der Politik und Öffentlichkeit

Um aktuellen Herausforderungen begegnen zu können, bedarf es stabiler Staaten, so

Friedman. Die Staaten in der arabischen Welt seien derzeit in einem Übergangsstatus von

einem autoritären Regime zu einem neuen gefangen und damit alles andere als stabil. Zu

den innenpolitischen Problemen kämen die Probleme des Klimawandels wie

Überschwemmung, Dürre und steigende Nahrungsmittelpreise hinzu, was in einer

Überforderung dieser politisch instabilen Staaten resultiere.

Auch wenn sich ein kausaler Zusammenhang nicht sicher nachweisen lässt, müssten sich

Regierungen mit Blick auf die Klimasicherheit am Worst-Case-Szenario orientieren.

Slaughter berichtet das Pentagon spiele deshalb bereits seit fünf Jahren solche Szenarien

immer wieder durch. Künftig sollten Problemherde analysiert und in die Politikplanung

mit einbezogen werden. Andere Staaten wie Israel und Singapur, aber auch die EU seien

hinsichtlich dessen Vorreiter.

In der arabischen Welt ist Klimasicherheit Friedman zu Folge jedoch kein hoch

gehandeltes Thema. Konversationen über die Thematik seien eher gering, obwohl die

Erkenntnisse der Klimawissenschaftler mit den erwarteten Ereignissen in der Region

übereinstimmten. Friedman weist außerdem darauf hin, dass der Lebensstil - große

Häuser, Autos und Straßen - wie er ursprünglich hauptsächlich von Amerikanern gelebt

wurde, heute aber auch in Asien und Europa verbreitet ist, die Probleme des

Klimawandels in Zukunft noch verstärken werde.

Traditionelle Außenpolitik

Bereits aus der Erfahrungen der Geschichte, wisse man, dass steigende Brotpreise

Revolutionen ausrufen können, so Slaughter. Im Gegensatz zu traditioneller Außenpolitik

sei das Thema Klimasicherheit mit zwei Problemen konfrontiert: Erstens sind die Effekte

des Klimawandels nicht sofort sichtbar. Zweitens erhält es im Vergleich zu militärischen

Interventionen oder Problemen wie mit dem Iran oder Afghanistan weniger sowohl

politisch als auch medial Aufmerksamkeit. Für die Sicherheit sei jedoch beides relevant,

weshalb die Zusammenarbeit in den verschiedenen Bereichen künftig verbessert werden

sollte. Auch müsse ein Wandel der Außenpolitik von der Bekämpfung der Symptome hin

zur Behebung der Ursachen von Krisen erfolgen.

Nahrungsmittelimport und Klimawandel

Klimawandel beeinflusst die Nahrungsmittelproduktion sowie deren Nachfrage auf dem

Weltmarkt. Acht von neun der weltweit größten Weizenimporteure sind arabische

Länder. Betrachtet man die Länder, die vom Arabischen Frühling betroffen waren, so

ergibt sich eine eindeutige Korrelation, so Friedman. Dabei handle es sich um einen

Teufelskreislauf des Systems, der aufgrund der Interdependenz die Instabilität der Länder

verstärke. Marktorientierte Ansätze sowie nachhaltige Energie seien Möglichkeiten,

diesem Problem zu begegnen. Insgesamt sei es jedoch wichtig, die Mittel der

Außenpolitik zu überdenken und sich von einer Konzentration auf Staaten hin zu einem

Fokus auf das gesamte System zu bewegen, so Friedman. Auch Slaughter betont: Zwar

sei das Bild der Welt als Staatenwelt immer noch wichtig, andere Akteure wie Netzwerke

usw. würden aber zunehmend an Bedeutung gewinnen und müssten deshalb auch stärker

involviert werden.

Mittel der Klimapolitik

Slaughter sieht ein zentrales Problem der Klimapolitik in den zu Verfügung stehenden

Mitteln. Der Relevanz des Themas seien sich nämlich viele bewusst. Das Problem sei

vielmehr, dass die traditionellen Mittel der Außenpolitik wie Verhandlungen, Sanktionen

oder militärische Drohungen zur Bekämpfung des Klimawandels ungeeignet seien.

Außerdem würden sie dazu führen, dass Probleme auch nur so wahrgenommen werden,

wie sie auch mit den zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft werden könnten. Es sei

vielmehr sinnvoll, Netzwerke und die vielschichtigen Probleme zu analysieren bevor es

zu einem Konflikt komme. Solche Mittel stünden deshalb nicht zu Verfügung, weil man

immer noch in veralteten und staatlich dominierten Mustern denke, so Slaughter.

Gender-Perspektive

Auch wenn die Gender-Perspektive mehr mit in die Diskussion eingebracht werden solle,

ist Klimasicherheit für Slaughter vor allem ein soziales Thema, in dem Unternehmen aber

auch andere Aspekte wie Religion eine Rolle spielen. Künftig sollten Lösungen deshalb

vielmehr zwischen Akteuren wie Netzwerken und internationale Organisationen

gefunden und diese in den Entscheidungsprozess mit eingebunden werden.

Failing und failed States

Um sich mit Veränderungen auseinandersetzen zu können, braucht es stabile Staaten, so

Friedman. Deshalb seien vor allem Prozesse des Staatsaufbau für die Außenpolitik von

Bedeutung. In der Praxis konzentriere sich ein Großteil von Unterstützung, so

beispielsweise die Unterstützung Ägyptens durch die USA, jedoch immer noch auf

militärische Mittel. Zivile Mittel stünden hinten an. Die Dominanz militärischer

Unterstützung sei ein Erbe des Kalten Krieges. Damit vergesse man jedoch, dass man

heute einen Kollabierung Ägyptens vielmehr als eine Verbündung mit Russland

befürchten müsse. Für einen stabilen Staaten seien jedoch vor allem die zivilen Mittel

von Bedeutung. Hier müsse also ein Umdenken erfolgen.

Problem der Zeit

Um dem Problem des Zeitmangels entgegen zu wirken, plädiert Slaughter für eine

Reduktion der bestehenden Ausschüsse. Denn diese würden derzeit um ihre

Zuständigkeit streiten, was eine einheitliche und gemeinsame Lösung der Probleme

erschwere. Traditionelle Muster müssten also aufgebrochen und eine neue Organisation

aufgebaut werden.

Friedman definiert das Problem wie folgt: „We are sitting around waiting for the perfect

storm that will end the debate but hopefully not the world.“ Die Möglichkeiten, den

Problemen zu begegnen seien jedoch begrenzt, weil es sich vornehmlich um

innerstaatliche handle, die auch nur von innen behoben werden könnten. In der

arabischen Welt sieht Friedman zudem einen Mangel einer zentralen linken Partei, die

eine echt politische Alternative bieten könnte.

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Kontakt

Paul Linnarz

Paul Linnarz bild

Leiter des Länderprogramms Japan und des Regionalprogramms Soziale Ordnungspolitik in Asien (SOPAS)

paul.linnarz@kas.de +81 3 6426 5041

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