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Länderberichte

Der XI. Parteitag der Kommunistischen Partei Vietnams (KPV)

Vom 11. bis 19. Januar 2011 tagte die Kommunistische Partei Vietnams (KPV) zum elften Mal seit ihrer Gründung und entschied über die künftigen Leitlinien und Ziele der Partei sowie über die Personalbesetzung der wichtigsten Positionen im Staat. In der Sozialistischen Republik Vietnam (SRV) ist die KPV nach wie vor die einzige zugelassene Partei. Auf dem nur alle fünf Jahre stattfindenden Parteitag versammelten sich rund 1400 Delegierte. Neben der Verabschiedung der politischen Ziele für die nächsten fünf Jahre wurden Wahlen für das Zentralkomitee (ZK) und das Politbüro abgehalten.

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Die Erwartungen an den Parteitag in personellen Fragen sind weitgehend erfüllt worden. Der Premierminister Nguyen Tan Dung ließ sich im Amt bestätigen und hielt seine Konkurrenz auf Distanz. Der jetzige Vorsitzende der Nationalversammlung Nguyen Phu Trong wurde zum neuen Generalsekretär der KPV gewählt und löst in diesem Amt Nong Duc Manh ab. Der ehemalige stellvertretende Generalsekretär Truong Tan Sang wird wohl sehr wahrscheinlich zum Staatspräsidenten gewählt werden und überwiegend mit Repräsentationsfunktionen betraut sein. Nguyen Sinh Hung soll neuer Vorsitzender der Nationalversammlung werden. Die Neubesetzung des Politbüros überrascht mit der Wahl einer Frau – eine Entscheidung mit Seltenheitswert für Vietnam. Offen bleibt die Frage, wer neuer Außenminister wird.

(Eine Übersicht zu den personellen Veränderungen befindet sich im Anhang)

Inhaltlich gab es keine großen Überraschungen bezüglich des Parteiberichts und des -programms für die nächsten fünf Jahre. Beide vorliegenden Dokumente lesen sich wie eine Dogmatik, in der zunächst die „Glaubensinhalte“ der kommunistischen Partei wiederholt und dann mit dem entsprechenden Credo die Leitlinien für die Zukunft definiert werden. Trotzdem lässt der vom ZK vorgelegte politische Bericht für den Parteitag viele Fragen unbeantwortet: Die Darstellung der Erfolge wie der Misserfolge der Vergangenheit liest sich teilweise widersprüchlich. Nach wie vor wird die KPV als einziger Garant für Wohlstand und Entwicklung Vietnams auf dem Weg zum „Sozialismus“ gesehen. So lässt die hier beschriebene Theorie und Ideologie des Sozialismus im Bereich des staatlichen Eigentums viele Unklarheiten offen und der Begriff „Marktwirtschaft mit sozialistischer Orientierung“ wird nicht konkret definiert. Der Begriff der „Demokratie“ wird vor allem als Synonym für „Gleichheit“ verwendet. Die Macht des Volkes wird mit der Macht der Partei gleichgesetzt.

Die hohen Erwartungen an den Premierminister wurden mit seiner Wiederwahl nochmals bekräftigt. Er gilt zurzeit als Hoffnungsträger, der Vietnam vor der Inflation, dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Abschwung retten kann. Ob er diesen Erwartungen gerecht werden kann wird die Zukunft zeigen.

Es kann davon ausgegangen werden, dass der Machtkampf in Vietnam nach dem Parteitag fortgesetzt wird. Der Leiter des Parteisekretariats Truong Tan Sang, ein ambitionierter Politiker, der sich nicht gegen den amtierenden Ministerpräsidenten Dung durchsetzen konnte, muss sich mit der Rolle des Staatspräsidenten „abfinden“. Sang, bisherige Nr. 2 im Politbüro und formal derjenige, der den Parteichef Manh am ehesten beerben kann, zog gegenüber seiner Konkurrenz Dung und Trong ebenfalls den Kürzeren. Nach inoffizieller und ungeschriebener Tradition der KPV, sollten die drei mächtigsten Positionen - Parteichef, Premierminister und Staatspräsident – mit Kandidaten aus den drei Regionen Nord- Mittel- und Südvietnam besetzt werden, wobei der Parteichef bisher immer aus dem Norden kam. Deshalb übernimmt Trong ungeachtet seines relativ hohen Alters (67) die Position des Parteichefs: Er gilt formal als „alter Hase“ und stammt aus dem Norden – die Herren Khiem (67), Chi (66) und Viet (64) kandidierten nicht mehr. Tatsächlich wird gemutmaßt, dass Trong, als Parteichef ebenfalls nur so lange bleiben wird, bis sich das neue ZK etabliert und stabilisiert hat und einen neuen Kandidaten ernennt. So gesehen ist die mächtigste Position im Staat, die des Parteichefs, mit einer politischen Figur besetzt, die aufgrund ihrer nur noch kurzen verbleibenden Amtszeit kaum Akzente wird setzen können.

Die gerade Anzahl der Politbüro-Mitglieder (14) bleibt zunächst ein Rätsel. Eigentlich wird eine ungerade Zahl für Abstimmung im Politbüro benötigt. Vermutlich wird man die Anzahl der Mitglieder später um eins erhöhen. Die ausstehende Personalie des Außenministers wäre eine naheliegende Lösung. Bei der neuen Zusammensetzung des Politbüros fällt auch auf, dass der Bereich des Inneren überproportional repräsentiert wird. Der neu gewählte Generalsekretär Nguyen Phu Trong war zuvor im Bereich Parteiausbau aktiv und gilt als „strammer“ Marxist. Man wird von ihm in Zukunft eine stärkere Kontrolle des Medienbereichs, u.a. die Bereiche Publikationen, öffentliche Diskurse und Pressewesen erwarten können.

Neu ist die Tatsache, dass viele der neuen ZK-Mitglieder im engen Verwandtschaftsverhältnis zu anderen ehemaligen oder noch aktiven ZK-Mitgliedern stehen. So treffen beispielsweise Nguyen Van Chi, der neue und alte Premierminister Dung und ZK-Mitglied Manh auf ihre Söhne. Ebenfalls neu ins ZK gewählt wurden die Söhne des Generals Nguyen Chi Thanh sowie des ehemaligen Außenministers Nguyen Co Thach. Des Weiteren sind der Neffe von Nguyen Sinh Hung, die Nichte von Ex-Parteisekretär Ha Huy Tap und weitere Familienmitglieder im neuen ZK vorzufinden.

Diese relativ starke Präsenz von eigenen Familienmitgliedern im ZK ist ein Novum in der bisherigen Geschichte Vietnams. Dadurch sind im ZK zwei große Gruppen entstanden. Die erste orientiert sich an China, die zweite am Westen, insbesondere an den USA. Es können nur Vermutungen abgeben werden, wer zu welcher Gruppe zu zählen ist, zumal ein sich öffentlich Positionieren das sichere Ende der Parteikarriere bedeuten könnte. Insbesondere öffentlich Sympathien für China zu zeigen wäre aufgrund des chronisch angespannten Verhältnisses gesellschaftlich nur schwer vermittelbar.

Die „China-Gruppe“ versteht sich als „Nationalisten“, die sich mit der alten Geschichte der Ho Chi Minh Ära identifiziert und sich deshalb sehr mit der KP China verbunden fühlt. Zu dieser Gruppe könnte man u.a. die Herren Trong, Hung, Le Hong Anh, To Huy Rua, Dinh The Huynh und Sang zuordnen. Sie beherrschen auch das Politbüro.

Der „USA-Gruppe“ wird u.a. Premierminister Dung als ihr prominentester Vertreter zugeordnet. Durch eine Positionierung zugunsten von China kurz vor dem Parteitag hat er jedoch möglichen Kritikern den Wind aus den Segeln genommen. Dieses Manöver war sehr wahrscheinlich auch ein wichtiger Meilenstein für seine Bestätigung im Amt.

Damit ist Tan Dung der eigentliche Gewinner dieses Parteitages. Das bisherige Equilibrium von Premier-Minister, Parteichef und Vorsitzendem der Nationalversammlung hat sich nun zugunsten des Premierministers verlagert. Tan Dung, der früher Chef der Polizei in Ho Chi Minh City war und damit Teil des Staatssicherheitsapparats, hat nun viele Befürworter im Lande: Mehr als die Hälfte aller Provinzen wird von Gouverneuren geleitet, die ebenfalls der Staatssicherheit entstammen. Dies betrifft auch die im Parteitag bestätigte wichtige Rolle der Staatsbetriebe, die nun ebenfalls Tan Dung unterstützten. Die große Anzahl von Vertretern des Inneren (Staatssicherheit) im Politbüro gehört ebenfalls zum gleichen Netzwerk, welches zukünftig für Dungs Interessen eintreten.

Ob dadurch jedoch das Regieren „einfacher“ wird, ist schwer vorherzusagen. Nach wie vor wurde durch die Auswahl entsprechender Vertreter im Politbüro auf Kontinuität zum Erhalt und Schutz der staatlichen Ideologie geachtet. Auch wenn die progressiven Kräfte innerhalb des ZKs zugenommen haben. Die Nationalversammlung, die in der Vergangenheit den Ruf eines „Abnickgremiums“ besaß, nimmt ihre verfassungsmäßige Rolle (Kontrollfunktion) zunehmend war. So legte sie z.B. im vergangenen Jahr ein Veto zu einem von der Regierung forcierten Eisenbahninfrastrukturprojekt (Hochgeschwindigkeitszug zwischen Hanoi und Ho Chi Minh City) ein. Ob die Nationalversammlung auch künftig alle Personalvorschläge des Parteitages eins zu eins übernehmen wird, ist nicht mehr automatisch sichergestellt.

Personalien

Dem neuen ZK gehören immer noch 58% der Amtsinhaber des letzten Parteitages an, nur 42% sind neu hinzu gewählt. Zwölf Minister wurden wieder im Amt bestätigt und ins ZK gewählt:

  • Phung Quang Thanh – Verteidigungsminister
  • Le Hong Anh – Minister für öffentliche Sicherheit
  • Nguyen Xuan Phuc – Minister und Vorsitzender des Regierungsbüros
  • Vu Van Ninh – Finanzminister
  • Vu Huy Hoang – Minister für Industrie und Handel
  • Cao Duc Phat – Minister für Agrar und ländliche Entwicklung
  • Nguyen Thi Kim Ngan – Minister für Arbeit, Kriegsinvalide und Soziale Angelegenheiten
  • Hoang Tuan Anh – Minister für Kultur, Sport und Tourismus
  • Ha Hung Cuong – Justizminister
  • Pham Vu Luan – Minister für Erziehung und Ausbildung
  • Giang Seo Phu – Minister und Vorsitzender des Nationalkomitees für ethnische Gruppen
  • Nguyen Van Giau – Gouverneur der vietnamesischen Staatsbank
Die neue Zusammensetzung des Politbüros ist von ehemals 15 auf 14 Mitglieder geschrumpft. Der ursprüngliche Plan des ZKs, das Politbüro auf 17 Mitglieder zu erweitern, wurde überraschend nicht umgesetzt. Der Grund hierfür ist vermutlich im Ausscheiden von sechs Amtsinhabern aus Altersgründen zu sehen und der Angst des ZKs, dass die Neubesetzung der Stellen zu einer größeren Unberechenbarkeit des Politbüros hätte führen können. Folgende fünf Kandidaten standen noch zur Wahl:

  • Tran Dai Quang – stellvertretender Minister für öffentliche Sicherheit.
Er soll laut internen Informationen nach Möglichkeit Minister für öffentliche Sicherheit werden und damit die Nachfolge von Le Hong Anh antreten.

  • Tong Thi Phong – Leiterin der Massenmobilisationskommission des ZK, Mitglied des Parteisekretariats und Vizepräsidentin der Nationalversammlung
  • Ngo Van Du – Direktor des Büros des ZK, soll Nachfolger von Herrn Ho Duc Viet werden.
  • Dinh The Huynh – Herausgeber der Parteizeitung Nhan Dan
  • Nguyen Xuan Phuc – Regierungsbürominister
Die folgende Liste enthält die im Amt bestätigten Mitglieder des Politbüros:

  • Nguyen Phu Trong – neu gewählter Generalsekretär der KPV und noch derzeitiger Präsident der Nationalversammlung.
  • Truong Tan Sang – Zuständiger Leiter des Parteisekretariats und nominierter Kandidat für das Amt des Staatspräsidenten, welches noch mit Herrn Nguyen Minh Triet besetzt ist.
  • Nguyen Tan Dung – Premierminister
  • To Huy Rua – Mitglied des Parteisekretariats und Leiter der Propagandakommission des ZKs.
  • Phung Quang Thanh – Verteidigungsminister
  • Nguyen Sinh Hung – derzeitiger Vizepremierminister, wurde als neuer Vorsitzender der Nationalversammlung vorgeschlagen, dort würde er Herrn Nguyen Phu Trong im Amt ablösen.
  • Le Hong Anh – Minister für öffentliche Sicherheit, wird als Nachfolger von Herrn Sang als Leiter des Parteisekretariats gehandelt.
  • Pham Quang Nghi – Parteisekretär von Hanoi
  • Le Thanh Hai – Parteisekretär von Ho Chi Minh City

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