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Präsident Tandja will Amtsverlängerung um jeden Preis

Auf den heiligen Koran hatte Nigers Präsident Mamadou Tandja geschworen, dass er die Verfassung respektieren würde – nun hat er das Parlament aufgelöst um eine verfassungswidrige dritte Amtszeit durchsetzen zu können. Seit Ende 2008 gab es Anzeichen dafür, dass sich der Präsident über die in der Verfassung vorgeschriebene Beschränkung der Amtszeit auf zwei Legislaturperioden hinwegsetzen könnte, obwohl er in der Vergangenheit stets das Gegenteil behauptet hatte.

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Im Dezember 2008 hatte der Präsident erklärt, nur er sei in der Lage, das Land erfolgreich in die Zukunft zu führen, etwa zur gleichen Zeit hatte sich auch die Volksbewegung mit dem Namen „Tazartché“ (es kann nur weitergehen) gegründet, die den Präsidenten in seinem Vorhaben unterstützt. Es ist zu vermuten, dass diese Bewegung von der Regierung finanziell unterstützt wird. Fünf Monate nach Beginn dieser „spontanen Volksbewegung“ hat sich der Präsident Anfang Mai klar für eine Verlängerung seiner Amtszeit ausgesprochen, da es schwierig für ihn sei, auf diesen „Appell des Volkes“ nicht zu reagieren.

Seine Absichten kündigte der Präsident am 5. Mai in Agadez am Rande der Festaktivitäten zur Einweihung einer der größten Uranminen in Afrika an, deren Auslastung Niger zum zweitgrößten Uranproduzenten weltweit machen kann. Das wirtschaftliche Großprojekt verbuchte Tandja somit geschickt als Legitimation für die Fortführung seines Amtes, ebenso wie ein Abkommen mit verschiedenen Rebellengruppen der Tuareg, deren Proteste gegen die Regierung jahrelang die innere Stabilität Nigers auf die Probe gestellt hatten.

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Tandja das Land nach den Staatsstreichen von 1996 und 1999 nach seiner Wahl im November 1999 stabilisiert hat. Er hat Infrastrukturmaßnahmen eingeleitet, die Wirtschaftslage verbessert und die Dezentralisierung vorangebracht.

Präsident hat keine Parlamentsmehrheit

Tandjas Erfolge können jedoch nicht über die Unrechtmäßigkeit seines Vorhabens hinwegtäuschen. Wie andere Verfassungstexte auch, können Artikel der nigrischen Verfassung entweder per Parlamentsbeschluss oder Referendum geändert werden, davon ausgenommen ist allerdings die Beschränkung der Amtszeit. Die einzige „legale“ Möglichkeit für Tandja nach 2009 im Amt zu bleiben, wäre eine Verlängerung der Amtszeit, was praktisch eine Aussetzung der Präsidentschaftswahlen bedeuten würde. Dieser Regelung müssten jedoch mindestens ¾ der 112 Abgeordneten im Parlament zustimmen, eine Mehrheit die Tandja nicht hat, zumal selbst seine eigene Partei, die 48 Abgeordnete stellt, zerstritten ist. Daher bevorzugt er die Variante des Referendums, wobei sogar zeitweilig die Rede von zwei Referenden war, das erste um eine Zustimmung zur Verfassungsänderung einzuholen, das zweite um jede zeitliche Beschränkung der Amtszeit aufzuheben.

Verfassungsgericht erklärt Vorhaben für rechtswidrig

Zunächst schien es, als ob die politischen Akteure in Niger dem Bestreben des Präsidenten nichts entgegenzusetzen hätten, denn nur die Presse äußerte offen Kritik am Vorhaben Tandjas. In den letzten Wochen aber kam Bewegung in die politische Landschaft: 23 Abgeordnete ersuchten das Verfassungsgericht über die Absichten des Präsidenten zu urteilen. Mit aller Deutlichkeit erklärte das Gericht, das Vorhaben sei verfassungswidrig und seine Durchführung würde einen Bruch von Tandjas Amtseid bedeuten.

Präsident löst das Parlament auf und kommt eigener Absetzung zuvor

Dass sich die Parlamentarier den klaren Worten des Verfassungsgerichts widersetzen würden, erschien unwahrscheinlich. Dies erkannte auch Tandja und löste das Parlament am 26. Mai kurzerhand per Dekret auf – ehe es zur Abstimmung über die geplante Volksabstimmung kam.

Damit kam der Präsident vermutlich seiner eigenen Absetzung zuvor, denn die Parlamentarier haben die Möglichkeit, ein parlamentarisches Sondergericht einzuberufen, welches über die Aburteilung von Regierungsmitgliedern entscheidet. Bereits vor einigen Wochen hatte dieses Gericht entschieden, den ehemaligen Premierminister Hama Amadou, der seit 2008 wegen Korruptionsvorwürfen inhaftiert war, bis zum Prozessbeginn auf Bewährung freizulassen. Amadou, der ebenfalls der Regierungspartei MNSD-Nassara angehört, ist Tandjas größter politischer Rivale. Lange Zeit galt er als Kronprinz und natürlicher Nachfolger von Tandja. Es ist unklar, wie viel Einfluss Amadou auf die politische Szene hat, jedoch steht ein Teil der MNSD-Nassara nach wie vor hinter ihm.

Proteste aus dem In- und Ausland

Aber nicht nur Amadou könnte zur Gefahr für Tandja werden. Überall im Land formiert sich harte Kritik am Vorhaben des Präsidenten. Ein Anti-Referendum Komitee, bestehend aus verschiedenen Gewerkschaften, Verbänden und NGOs, wurde gegründet, die Opposition klagt, der Präsident wolle das Land in eine Diktatur verwandeln und Menschenrechtler sehen Parallelen zwischen Tandja und afrikanischen Diktatoren der 70er Jahre.

Auch der Rat der Weisen der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (CEDEAO) verurteilte das Vorhaben und sprach von Sanktionen im Fall einer Verfassungsverletzung. Ebenso rief die Union der frankophonen Parlamente (UPF) den Präsidenten dazu auf, die Verfassung zu respektieren. Der Präsident des parlamentarischen Sondergerichts, Moumouni Adamou Djermakoye, warnt, dass das Vorhaben Frieden und Stabilität im Lande gefährdeten. Dass Djermakoye mit dieser Annahme Recht haben könnte, zeigen die jüngsten Ereignisse im Niger. Am 27. Mai wurde der Markt von Niamey in Brand gesetzt, mehr als 1500 Marktstände brannten nieder. Zwar ist die Brandursache noch ungewiss, alles deutet aber darauf hin, dass der Brand von aufgebrachten Gegnern Tandjas gelegt wurde.

Krise scheint unausweichlich

Sollte Tandja unter diesen Umständen ein Referendum durchführen, so wird dies aller Wahrscheinlichkeit nach weder transparent noch demokratisch ablaufen. Auf administrativer und kommunalpolitischer Ebene gibt es eine politische Klasse, die seit mehr als einem Jahrzehnt an der Macht ist und für die der Machterhalt des Präsidenten auch die Sicherung der eigenen Position bedeutet. Daher hat Tandja Verbündete, die sicher nicht vor Wahlbetrug zurückschrecken würden, wenn es notwendig sein sollte.

Möglich wäre aber auch, dass die Armee interveniert. In der Vergangenheit wurde sie von Tandja finanziell unterstützt, allerdings haben sich noch keine hochrangigen Militärs zu den Vorgängen der letzten Tage geäußert. Die Armee bleibt also ein Unsicherheitsfaktor, fest steht aber, dass sie Erfahrung mit Staatsstreichen hat und es Teile des Militärs gibt, die auf der Seite des ehemaligen Premierministers Amadou stehen. Ein Staatsstreich ist demnach nicht ausgeschlossen.

Die Gefahr, dass das Land in das Chaos der 90er Jahre zurückfällt, ist sehr real. Damals hatten sich die politischen Parteien gegenseitig blockiert und das Land in einen bleiernen Stillstand gebracht. Die politische Unzufriedenheit, in Verbindung mit der prekären ökonomischen und sozialen Situation im Land – Niger landet beim Human Development-Index (HDI) der Vereinten Nationen auf Platz 174 von 177 – könnte zu einem explosiven Gemisch werden. Einzig die Einsicht des Präsidenten könnte nun noch Schlimmeres verhindern. Dass sich der Präsident doch noch verfassungskonform verhalten wird, scheint jedoch momentan die unwahrscheinlichste Option – auch wenn er es einst geschworen hatte.

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