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Monitor

China-Strategie der Bundesregierung: Mehr Bestandsaufnahme als Strategie

του David Merkle, Leon Mosbacher

Ein paar einordnende Gedanken

Die China-Strategie der Ampelregierung ist mehr Kompass als Strategie. Sie beschreibt umfassend unser Beziehungsverhältnis mit China und identifiziert gleichermaßen die Optionen für Kooperationen wie die großen Herausforderungen. Im Kern des Strategiepapiers steht der Appell an die deutsche Wirtschaft, Lieferketten zeitig zu diversifizieren und Risiken zu minimieren. Offen bleibt aber, ob, wie und in welchem Maße die Bundesregierung finanzielle Mittel für die Umsetzung der Vorhaben zur Verfügung stellen wird. Die Strategie umfasst keine Anpassungen der gegebenen Strukturen. Damit bleibt es schwierig, als Bundesregierung Kohärenz in die Chinapolitik zu bringen.

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Hintergrund

Am 13. Juli 2023 war es soweit. Die erste China-Strategie einer deutschen Bundesregierung wurde zunächst im Kabinett beschlossen und anschließend im Rahmen einer öffentlichen Ver-anstaltung beim Mercator Institut für Chinastudien, kurz MERICS, von Außenministerin Annalena Baerbock vorgestellt.
Der Prozess der Veröffentlichung hatte sich in den vergangenen Monaten immer wieder verzögert. Im November 2022 war bereits eine Fassung geleakt worden und hatte vor allem Spekulationen darüber angeheizt, ob bei den offensichtlich unterschiedlichen Positionierungen zwischen den Minister-Ressorts und dem Kanzleramt ein solches Strategiepapier überhaupt Schlagkraft entwickeln könne.
Mit der nun vorliegenden Strategie[1], die sowohl auf Deutsch, als auch auf Englisch vorliegt, will die Bundesregierung vor allem ein Signal an Peking sowie die Partner in Europa und der Welt senden: Wir haben verstanden, erstens, dass sich die Welt gerade fundamental verändert; zweitens, dass dies direkt mit Chinas innen- und außenpolitischem Agieren zu tun hat, und drittens, dass man die Schlussfolgerung gezogen hat, in den Beziehungen mit Peking auf potentielle Konflikte und wachsende Divergenzen vorbereitet sein zu müssen.
Auf rund 60 Seiten haben die China-Expertinnen und -Experten aus dem Auswärtigen Amt nun ein mühevoll abgestimmtes Produkt vorgelegt. Ähnlich wie das Positionspapier der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, das im Mai 2023 vorgelegt wurde, basiert die Strategie auf der Grundannahme, dass sich Deutschlands Ansatz gegenüber China verändern muss, „weil sich China verändert habe“[2]. Schon früh im Text stellt das Papier fest (und Außenministerin Baerbock rückte dies auch in den Mittelpunkt ihrer Äußerungen), dass China „Partner, Wettbewerber und Ri-vale“[3] bleibt und auf dieser Basis weiterhin Potentiale für die Zusammenarbeit mit Peking gesehen werden, Antworten aber nicht zuletzt im sich zuspitzenden Wettbewerb und in der Rivalität mit China gefunden werden müssten.

Die Brisanz eines solchen Dokumentes lässt sich anhand der besonders intensiven deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen darstellen: Im europäischen Kontext ist Deutschland die am stärksten mit China verflochtene Volkswirtschaft. In den letzten Jahren kam rund ein Drittel aller europäischen Direktinvestitionen nach China aus der Bundesrepublik, wobei es vor allem vier große deutsche Unternehmen sind, nämlich Volkswagen, Daimler, BMW und BASF, die massive Investitionen in ihr Chinageschäft tätigten.
Darüber hinaus betrug das Handelsvolumen der beiden Länder 2022 knapp 300 Milliarden Euro, womit die Volksrepublik den Status des größten bilateralen Handelspartners für Deutschland innehat. Die Gesamtsumme ist allerdings von einem starken Exportüberschuss seitens Chinas gekennzeichnet: 2022 gingen deutsche Exporte im Wert von rund 106 Milliarden Euro in die Volksrepublik und gleichzeitig war China viertgrößter Exportmarkt für deutsche Produkte, nach den USA, Frankreich und den Niederlanden. Reziprozität und die Sorge vor steigenden Abhängigkeiten Deutschlands sind also ein wesentlicher Grund dafür, warum ein kohärenter Ansatz gegenüber China dringender denn je ist.

 

Schwerpunkte des Papiers

Resilienz und Offenheit Deutschlands und Europas wahren
Die China-Strategie soll vor allem als Beitrag zu einer enger koordinierten und kohärenten europäischen Chinapolitik verstanden werden. Entsprechend wird festgehalten, dass deutsche Interessen „im Einklang mit Zielsetzungen der EU“[4] verfolgt werden. In den dann folgenden Kapiteln wird vor allem reüssiert, dass Resilienz und Offenheit die entscheidenden Parameter sind, die es zu stärken und zu schützen gilt. Das Papier versucht augenscheinlich eine Balance im Ton und in der Beschreibung Chinas zu finden. So gibt sich die Strategie die Aufgabe, wichtige Dialogformate mit der chinesischen Seite fortzuführen, was auch den Ausbau des Austausches zwischen diplomatischen Vertretern beider Seiten in anderen Einsatzländern beinhaltet. Gleichzeitig werden die großen Herausforderungen, die mit Chinas globalem Gestaltungsanspruch einhergehen deutlich benannt und die Verletzung völkerrechtlicher Grundsätze angeprangert.
An der wirtschaftlichen Verflechtung soll festgehalten werden, allerdings mit der Intention, (nicht zuletzt als Lehre aus dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine) die vor allem aus kritischen Abhängigkeiten resultierenden volkswirtschaftlichen Risiken minimieren zu wollen. Mit Blick auf die Überprüfung von Investitionen aus Drittstaaten (Nicht-EU-Länder), rückt das Papier die Notwendigkeit in den Mittelpunkt, eine Balance zwischen Offenheit für Direktinvestitionen in der EU und der Wahrung nationaler Sicherheitsinteressen herzustellen. Hier wird beispielsweise explizit auf die Verschränkung chinesischer ziviler und militärischer Nutzung von Technologien hingewiesen, mit der für Deutschlands Versorgungssicherheit und die Sicherheit deutscher Bündnispartner direkte Risiken einhergehen würden. Für einen wirksameren Schutz soll unter anderem das Investitionsprüfungsrecht novelliert und ein Dachgesetz für kritische Infrastrukturen definiert werden.
Nichtsdestotrotz zeigt der Streit innerhalb der Koalition über den Einstieg des chinesischen Staatkonzerns COSCO am Hamburger Hafen, dass die konkrete Handhabung zur Wahrung der „Funktionsfähigkeit der Kritischen Infrastrukturen Deutschlands“[5] keineswegs einer kohärenten Linie folgt. Wollte die Bundesregierung die China-Strategie eigentlich bewusst an die Nationale Sicherheitsstrategie andocken, bleibt es bei der Frage nach dem Umgang mit Chinas Rüs-tungspolitik, der steigenden Gefahr einer militärischen Auseinandersetzung im Indo-Pazifik, aber auch den im Papier als systematisch wahrgenommenen chinesischen Einflussoperationen im Ausland eher bei einer Beschreibung der Divergenzen und beim Appell, dass sich China internationalen Kontrollabkommen anschließen solle.

 

Stärkung Deutschlands und der EU
Mit mehr eigenen Investitionen in Forschung, Entwicklung und Innovationen soll Deutschlands technologische Souveränität langfristig gestärkt werden. Konkret werden dabei keine Summen genannt. In dem Zusammenhang wird auch darauf verwiesen, dass Projekte mit China in diesem Bereich (unter Verweis auf potenziellen Wissensabfluss) nur unter bestimmten Auflagen gefördert werden sollen. Im Wettbewerb um die Technologieführerschaft wird außerdem auf die Bereitstellung von mehr Kapazitäten in internationalen Normungs- und Standardisierungsgremien verwiesen. Damit soll Chinas wachsendem globalem Einfluss auf technologische Standards Einhalt geboten werden, auch indem man technologische Konzepte „frühzeitig harmonisieren“[6] will, um einer weiteren Nationalisierung in der Normung entgegenzutreten.


De-Risking und Sicherheit als weitere Parameter deutscher Chinapolitik
Die Notwendigkeit einseitige Abhängigkeiten von Unternehmen gezielt abzubauen, soll von Seiten der Bundesregierung künftig stärker mit betroffenen Wirtschaftssektoren erörtert werden. So erwartet die Ampelkoalition, dass sich Risikoanalysen von Unternehmen verstärkt auf die geopolitischen Entwicklungen in und um China ausrichten. Jedoch bleiben die von einigen Wirtschaftsvertreterinnen und -vertretern im Voraus kritisierten bürokratischen Neuregelungen, wie obligatorische Stresstests, vorerst aus. Die Streichung dieser Maßnahmen, die in einer geleakten Frühfassung der Strategie vor einigen Monaten noch auftauchten, illustriert sinnbildlich die Unstimmigkeit zwischen den Regierungsparteien in Bezug auf den richtigen Umgang mit China und dürfte einem kohärenten Auftreten gegenüber Peking mittelfristig schaden. Die Ansage an Unternehmen mit starken Chinabezug scheint zu lauten, dass die ökonomischen Risiken in Zukunft verstärkt selbst getragen werden müssten. Dies reiht sich in die bereits zuvor vom Wirtschaftsministerium verschärfte Handhabung von Investitionsgarantien ein.
Zentrale Punkte, die sich im Positionspapier der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit dem Titel Souveränität aus eigener Stärke, wiederfinden, finden in der China-Strategie der Bundesregierung Eingang, nicht aber mit Blick auf fundierte strukturelle Anpassungen, wie sie im Papier der CDU/CSU gefordert werden. So wird im Strategiepapier der Bundesregierung auf das Vorhaben ein ständiges Monitoring über kritische Abhängigkeiten durchzuführen verwiesen, das auch auf EU-Ebene verstetigt werden soll. Mit Rohstoff-Partnerschaften soll außerdem ein Beitrag dafür geleistet werden, mittelfristig andere Länder und Regionen als Alternativen zu China in den Rohstoff-Wertschöpfungsketten zu etablieren. Bei diesem Punkt lässt sich jedoch eine ambivalente Haltung der Ampelregierung feststellen, drosseln ihre Vertreter und Vertreterinnen bei wichtigen Verhandlungen, wie beispielsweise den EU-MERCOSUR-Handelsabkommen, eher das Tempo, anstatt auf eine rasche Unterzeichnung hinzuarbeiten. Mit den rohstoffreichen Ländern in Lateinamerika würde man die akute Abhängigkeit gegenüber der Volksrepublik vor allem in Bezug auf seltene Erden rasch reduzieren.
Bei der Diversifizierung der Bezugsmärkte sollen auch Instrumente der Außenwirtschaftsförde-rung und der Entwicklungszusammenarbeit „eine Rolle spielen“,[7] zeitgleich wird aber erklärt, dass keine zusätzlichen finanziellen Mittel bereitgestellt werden. Um einen Anreiz für eine schnelle Diversifizierung der Lieferketten deutscher Unternehmen zu setzen, bedarf es aber klarer finanzielle Zusagen der Bundesregierung, um die bei der Erschließung von neuen Investitions- und Absatzmärkten entstehenden Kosten mindestens teilweise abzufedern.

 

Internationale Zusammenarbeit
Deutlich wird in dem Papier, dass vor allem die intensivere Zusammenarbeit mit Werte- und Interessenpartnern in der Welt als wichtiger Baustein dafür gesehen wird auf globaler Ebene nicht weiter ins Hintertreffen zu geraten. Hier sieht man sich selbst auch in der Pflicht politische und wirtschaftliche Angebote auszuweiten und nicht zuletzt auf EU-Ebene lange anvisierte, teilweise bereits fertig verhandelte Handelsabkommen rasch zu unterzeichnen. Es bräuchte aber ein klares politisches Signal an die Partner und Partnerinnen, dass die Bundesrepublik diese Abkommen ebenfalls politisch priorisiert.
Im Bereich Infrastruktur folgt ein Plädoyer für die Umsetzung von internationalen Projekten im Rahmen der Global Gateway Initiative. Eine Stärkung der internationalen Strukturen, so der Tenor, wird also viel mehr durch Initiativen gesehen, die als Antwort auf Chinas wachsende globale Rolle zu verstehen sind. Was chinesische Initiativen wie die Global Security Initiative und die Global Development Initiative angeht, macht das Papier deutlich, dass diese die UN-Charta achten und im Einklang mit der Agenda 2030 stehen müssten.
Erwähnung in der Strategie findet auch die Arbeit der Politischen Stiftungen. Zum einem, verknüpft mit dem Hinweis, dass sich die Bundesregierung für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen vor Ort in China einsetzt. Zum andern wird darauf hingewiesen, dass deren Arbeit mit Taiwan „im Einklang mit der deutschen Ein-China-Politik stehe“.[8] Explizit unterstützt die Bundes-regierung die parlamentarischen Kontakte mit China, an denen alle Parlamentarier und Parlamentarierinnen die Berechtigung haben müssten teilzunehmen.

 

Was folgt daraus?

Mit der China-Strategie hat die Bundesregierung nun ein in der Analyse wichtiges Papier vorgelegt, das in einigen Themenfeldern zwar recht detaillierte Maßnahmen vorweisen kann, in wichtigen Bereichen jedoch noch nicht konkret genug ausgestaltet ist. Risikominimierung (De-Risking) bleibt der omnipräsente Begriff, wenn es um einen strategischen Ansatz geht, der sich aus der Analyse ableiten lassen soll und auch geeignet dafür scheint, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass man in Deutschland und Europa Abhängigkeiten und potenzielle Erpressbarkeiten gegenüber China verringern muss.
Der Fahrplan dazu, wie genau man dort hinkommen will, bleibt an vielen Stellen allerdings zu vage. Dabei hat die vorherige Analyse gezeigt: Die Erschließung von neuen Rohstoffmärkten muss pragmatisch und zügig realisiert werden. Auch mit Blick auf die Erfahrungen von Ländern wie den USA sollte die Definition von „Kritischer Infrastruktur“[9] präziser formuliert werden um Streitigkeiten wie um den Hamburger Hafen zu vermeiden. Der Diskurs in Partnerländern zum Thema De-Risking bietet auch umfangreichen Erfahrungsschatz dafür, wie der Privatwirtschaft finanzielle Mittel in Aussicht gestellt werden können, um eine zeitige Diversifizierung der Lieferketten deutscher Unternehmen erfolgreich in die Wege leiten zu können. Der Bedarf nach einer koordinierteren Zusammenarbeit mit Washington klingt im Strategiepapier zwar an, es fehlt aber ein deutlicheres Signal, welche Möglichkeiten institutionell wie thematisch hier ausgeschöpft werden können.

Aus diesen Gründen lässt sich das veröffentlichte Papier eher als „Kompass“ bezeichnen, der zwar primär die richtige Richtung vorgibt, aber vor allem in der strategischen Ausgestaltung zu ungenau bleibt. Das Dokument kann also als Baustein für eine nun intensiver werdende Debatte zu Schwerpunkten und richtungsweisenden Maßnahmen herangezogen werden und auch für den Diskurs mit Partnern weltweit eine Diskussionsgrundlage bieten. Was die Kohärenz unserer eigenen Akteure angeht, lässt das Papier aber zu viel Interpretationsspielraum. Dies wiederum führt dazu, dass auf eine genauere Vorgehensweise und einen Zeitplan der Bundesregierung gewartet wird. Kostbare Zeit, die in den kommenden Sommerwochen wohl weiter verstreichen wird.
Die China-Strategie schließt mit dem Hinweis, dass sich in Deutschland und Europa auch die Fähigkeiten zur Analyse Chinas stärker verschränken und ergänzen müssen, auch zwischen nationaler und subnationaler Ebene. Hierin liegt auch die entscheidende Kompetenz, wenn es darum geht, Handlungsfähigkeit zu erzielen, nämlich Kohärenz zwischen Analyse und den sich daraus ableitenden Schlussfolgerungen viel stärker im Handeln von Politik und Wirtschaftsakteuren auszubilden. Dazu gehört auch eine strategischere Kommunikation gegenüber unserer eigenen Öffentlichkeit.
Fakt ist, es braucht strukturelle Veränderungen, die eine höhere Schlagkraft in der Umsetzung der Strategie ermöglichen würden. Die Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrates oder einer entsprechend koordinierenden Stelle mit ausgewiesener Chinakompetenz, hätte hier ein wichtiger Fingerzeig sein können. Zum einen, um die im Strategiepapier analysierten Herausforderungen kohärent angehen zu können und eine Systematik in der Abstimmung zwischen einzelnen Ressorts, aber auch mit unseren Partnern und Partnerinnen, darunter vor allem auch in Washington und in der EU zu ermöglichen. Die Beziehungen mit China bieten weiterhin eine ganze Breite an Handlungsoptionen. Das Papier zeigt auch auf: Es ist nicht alles schwarz und weiß. Was es aber braucht ist Mut für Zwischentöne, politischen Willen auch voranzugehen und Konturen sichtbar zu machen, die uns und unseren Verbündeten Mut und Geschick an die Hand geben, um in Zukunft weiterhin ein gewichtiges Wort in dieser sich wandelnden Welt mitreden zu können.

 

Den vollständigen Monitor inkl. aller Quellenangaben finden Sie rechts in der Marginalspalte zum Download.

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David Merkle

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Referent für Asien und Pazifik (Peking, Shanghai, RECAP)

David.Merkle@kas.de +49 30 - 26996 3804 +49 30 - 26996 3564

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