Event Reports
In Rio de Janeiro kündigen sich zwei Megaevents an: Zum ersten Mal in der Geschichte wird ein Land innerhalb von zwei Jahren Austragungsort der Fußballweltmeisterschaft der FIFA und der Olymischen Sommerspiele sein. Nach der ersten Freude macht nun der Begriff
Nachhaltigkeit die Runde. Die Konrad Adenauer Stiftung nahm dies zum Anlass
am 25. und 26. November im Hotel Leme Othon Palace in Rio de Janeiro das Seminar „Rio 2014/2016 – Planung mit Nachhaltigkeit“ zu organisieren. Geladen waren internationale Experten, lokale Autoritäten, Akademiker und Vertreter der Zivilgesellschaft, um über die Gestaltungsmöglichkeiten von Mega-Events zu sprechen. Nach einer kontrovers diskutierten Erfahrung mit den Panamerikanischen Spielen 2007 zeigen sich viele Cariocas, die Einwohner Rios, besorgt über die anstehenden Investitionen. Dazu gehören z.B. Stadien oder Bauten für Sportarten, die in Brasilien nicht oder kaum praktiziert werden. Zudem wird befürchtet, dass durch diese Ausgaben Gelder an anderen Stellen fehlen könnten, etwa für das marode Bildungssystem. Vor allem aber wird auch befürchtet, dass die Investitionen nicht in
Einklang mit herrschenden internationalen Sozial- und Umweltstandards umgesetzt werden könnten. Andere wiederum argumentieren, dass die Megaevents und das Interesse der ganzen
Welt, das für einen Augenblick auf Brasilien gerichtet sein wird, gerade Anreize zu einer
verbesserten Performance schaffe. Investitionen in Infrastruktur etwa, die bereits
seit Jahren überfällig sind und die Kapazitäten Brasiliens enorm beschneiden, werden nun
endlich umgesetzt um die Events bewältigen zu können. Erste Ergebnisse werden ebenso
bereits in der Stadtplanung sichtbar, die lange unbeachtete und problematische Stadtteile
wiederbeleben und attraktier gestalten will. Auch im Rahmen der öffentlichen Sicherheit
gibt es neue Initiativen, die ohne die Events möglicherweise nicht zustande gekommen
wären. Jedoch, die Frage bleibt: Wie nachhaltig werden die Events wirklich?
Das Seminar wurde am 25. November von Saturnino Braga, Präsident des Instituts
Solidariedade Brasil (ISB) und Dr. Peter Fischer-Bollin, Landesbeauftragter der KAS in
Brasilien, eröffnet. Fernando Sá Freire, Marketingleiter des Sonderamts für die
Weltmeisterschaft 2014 und die Olympiade 2016 der Stadt Rio, sowie Giuseppe Cocco von
der Staatlichen Universität Rio de Janeiros (UFRJ), stellten im Anschluss ihre durchaus
kontroversen Vorstellungen der Möglichkeiten und Schwierigkeiten bei der Planung der
Events vor und konnten somit erste Argumente für eine lebhafte Diskussion einbringen.
Als deutschen Experten hatte die Konrad Adenauer Stiftung Dr. Matthias Buchert
eingeladen. Er präsentierte, neben anderen internationalen Experten aus früheren
Austragungsorten, die Arbeit des deutschen Öko-Instituts. Das Institut hatte bei der
Fußballweltmeisterschaft der FIFA in Deutschland im Jahr 2006 das Projekt „Green
Goal“ implementiert. Deutschland hatte damit eine Vorreiterrolle in Sachen Umweltschutz bei
Mega-Events übernommen und entwickelt dieses Know-how bis heute bei ähnlichen
Projekten für verschiedene große Sportvereine oder auch die Fußballweltmeisterschaft der
Frauen in Deutschland weiter. Als weitere Sprecherin wurde Laurine Platzky, Mitglied der
Regierung der Provinz Westkap und Koordinatorin der Fußballweltmeisterschaft der
Provinz in diesem Jahr, von der KAS eingeladen. Sie stellte die Erfahrungen
Südafrikas vor und verwies dabei vor allem darauf, keine übersteigerten Erwartungen und
Investitionen von kurzer Dauer in die Events zu stecken. Stattdessen sollte vorhandene
Mittel in langfristige und nachhaltige Verbesserungen investiert werden. Daniela
Conti vom Verband Unione Sport per Tutti (UISP) aus Italien berichtete von den
Olympischen Spielen in Turin im Jahr 2006. Der Verband hatte vor allem durch
Breitensport versucht das Publikum des Events für Themen wie Nachhaltigkeit oder soziale
Inklusion zu sensibilisieren, und warb daher für die Umsetzung ähnlicher Events in Rio.
Die Vorstellung von Schwierigkeiten und Lösungsvorschlägen sollte einen ersten
Eindruck vermitteln und die Vertreter der Regierung Rios sowie der lokal ansässigen
Organisationen der Zivilgesellschaft für die verschiedenen Herausforderungen
sensibilisieren. Für die nationalen Experten bestand eine erste Herausforderung darin, die
internationalen Erfahrungen innerhalb ihres kulturellen Kontextes zu beurteilen und eigene
Antworten zu finden.
Im Anschluss fanden Workshops im Format Fishbowl statt. Dazu wird in der Mitte des
Saales ein Tisch für die Redner sowie einen Moderator und zwei weitere Teilnehmer aus
dem Publikum aufgestellt. Das Publikum selbst befindet sich in Stuhlkreisen rund um den
Tisch und ist nach einer kurzen Vorstellung der Redner zur Diskussion am Tisch eingeladen.
Dieses Format eignet sich besonders für die Interaktion zwischen mehreren Teilnehmern.
Am Nachmittag des 25. November, sowie am Vormittag des 26. November fanden simultan
jeweils zwei Workshops statt, wobei sich das Publikum für einen der beiden entscheiden
musste. Dr. Buchert leitete einen Workshop zum Thema Umweltfragen bei Mega-Events ein und diskutierte mit Lucyana Provenzano von der NRO Ser Integral, Vertretern des
Landesministeriums für Umwelt sowie Vertretern von verschiedenen Stadtvierteln, die
bisher wenige Beachtung innerhalb der Stadtplanung finden. Genau hier zeigten sich
große Herausforderungen, aber auch enorme Möglichkeiten mit geringen Mitteln sehr gute
Ergebnisse zur grünen Gestaltung zu erlangen. Gleichzeitig wurde im parallelen Workshop mit Laurine Platzky über Co2-reduzierte Stadtplanung und öffentlichen Transport
gesprochen. Die Vertreterin der Landesregierung wurde mit verschiedensten Anfragen, z.B. zur Senkung des Verkehrsaufkommens oder der Verbesserung des öffentlichen Transportsystems, konfrontiert. Sie selbst konnte die Pläne zur Einführung eines Schnellbusses mit modernsten Umweltstandards vorstellen. Weiterhin kam der Zugang zu Transportmittel für körperlich Behinderte zur Sprache, die vor allem von zwei angehörigen des Rates der Stadt für Behinderte vertreten wurde. Am zweiten Tag kamen Themen wie nachhaltiges Wachstum, vertreten unter anderen durch Marcelo Neri von der Getúlio Vargas Stiftung oder auch Energie und Wasserversorgung, zur Sprache. Luiz Edmundo Horta, VizeLandesminister für Wissenschaft und Technik Rio de Janeiros unterstrich das Interesse des Ministeriums am Austausch mit den internationalen Experten und wies auf die
vielfältigen Möglichkeiten zur CO2-Senkung vor allem im Nahverkehr hin, der in Rio den
höchsten Ausstoß verursacht. Das Seminar wurde von den Organisatoren und den internationalen Experten in einem Endtisch geschlossen. Dabei hatte das Publikum
nochmals die Möglichkeit sich zu Wort zu melden und es gab Anregungen für die
zukünftige Vorgehensweise, darunter die Aufrechterhaltung eines Netzwerkes und
eventuelle Folgeveranstaltungen. Die Organisatoren konnten dabei auf den Blog der
Veranstaltung verweisen, der auch zukünftig zugänglich sein wird und Beiträge erlaubt.
Das Seminar bot eine Plattform für einen ersten Austausch zwischen den verschiedenen
Akteuren. Währen der beiden Tage wurde zunehmend klarer welche Erwartungen
realistisch angegangen werden können und welche Aufgaben besondere
Herausforderungen darstellen. Als erstes Vermächtnis kann jedoch bereits beobachtet
werden, wie das Konzept Nachhaltigkeit durch die Diskussion um die Gestaltung der MegaEvents, nicht zuletzt durch die vorbildliche Umsetzung früherer Austragungsorte, in die
lokale Diskussion transportiert wird. Das Bewusstsein für umweltrelevante Themen ist
bisher noch wenig ausgeprägt und gewinnt gerade durch diese Diskussion zunehmend an
Sichtbarkeit. Partner waren Instituto Solidariedade Brasil, das vor allem innerhalb der organisatorischen Abläufe sowie der Durchführung beteiligt war und das Landesministerium für Wissenschaft und Technologie Rio de Janeiros.