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Partei der Einheit

Die Entwicklung der CDU in den 1990er Jahren

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Wahlerfolge und -niederlagenBei der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl am 2. Dezember 1990 errangen CDU/CSU 43,8 Prozent der Stimmen und hielten damit fast ihr Ergebnis von 1987 (minus 0,5 Prozent). Bereits am 14. Oktober 1990 hatten Wahlen in allen neuen Bundesländern stattgefunden. Außer in Brandenburg konnte die CDU anschließend überall die Regierung anführen und den Ministerpräsidenten stellen. Vor allem die beiden Freistaaten Sachsen und Thüringen mit ihren beliebten Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf und Bernhard Vogel blieben bis in die 2000er Jahre hinein Hochburgen der CDU. In Sachsen-Anhalt verlor die CDU 1994 die Macht, Mecklenburg-Vorpommern fiel im Herbst 1998 an die SPD. Bei der ersten Gesamt-Berliner Abgeordnetenwahl gelang es dem CDU-Spitzenkandidaten Eberhard Diepgen, der bereits von 1984 bis 1989 an der Spitze West-Berlins gestanden hatte, in das Amt des Regierenden Bürgermeisters zurückzukehren und die Geschicke Gesamt-Berlins für ein Jahrzehnt zu leiten.

Zum Annus horribilis der CDU wurde das Jahr 1991 mit zwei Wahlniederlagen, die beide zum Machtverlust führten. Der Euphorie über die Wiedervereinigung war auch in den alten Bundesländern Ernüchterung gewichen. Es wurde immer deutlicher, dass das Erbe der Planwirtschaft in der früheren DDR gravierender war als angenommen, und dass der so genannte „Aufbau Ost“ zu einer Mammutaufgabe werden würde. In dieser Situation sah sich die Regierung Kohl gezwungen, von ihrem Wahlkampfzusage abzugehen, wonach für die Bewältigung der Folgen der Deutschen Einheit keine Steuern und Abgaben erhöht oder erhoben werden sollten. Die Oppositionsparteien sprachen in der Folge wirkungsvoll von einer „Steuerlüge“. Unter diesen Voraussetzungen ging die erst vier Jahre zuvor errungene Macht in Hessen wieder verloren, ebenso endete im bisherigen Stammland Rheinland-Pfalz nach über 40 Jahren die Regierungszeit der CDU. Im CDU-Bundesvorstand kam Kohl am 22. April 1991 zu dem Schluss: „Rot-Grün als Schreckgespenst zieht nicht mehr, im Gegenteil, es ist für viele Wähler eine selbstverständliche Alternative geworden.“ Innerparteiliche Kritiker wie Geißler und Biedenkopf übten offene Kritik am Parteivorsitzenden und am Erscheinungsbild der CDU.

Im Juni 1994 folgte der Machtverlust in Sachsen-Anhalt, wo sich erstmals eine rot-grüne Minderheitsregierung durch die PDS tolerieren ließ („Magdeburger Modell“). Allerdings gelang es Kohl, vor der Bundestagswahl am 16. Oktober 1994 die öffentliche Stimmung in Teilen zu drehen. Unterstützung erfuhr er dabei vom neuen CDU-Generalsekretär Peter Hintze, der 1992 Volker Rühe abgelöst hatte, als dieser als Verteidigungsminister ins Bundeskabinett gewechselt war. In einer umstrittenen, aber wirkungsvollen Kampagne gegen eine sich abzeichnende Annäherung zwischen SPD, Bündnis 90/Grünen und der SED-Nachfolgepartei PDS – wie in Sachsen-Anhalt geschehen – präsentierte Hintze ein Wahlplakat mit dem Spruch: „Auf in die Zukunft…aber nicht auf roten Socken!“, das zur Polarisierung und zur Mobilisierung der eigenen Anhängerschaft führte. Das Wahlergebnis war am Ende hauchdünn, CDU/CSU erreichten 41,4 Prozent (minus 2,4 Prozent), gemeinsam mit der FDP kam sie auf 341 Sitze, die Oppositionsparteien SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die PDS zusammen auf 331. Insofern war die am Wahlabend von Journalisten scherzhaft an Geißler gestellte Frage, ob er sein gefährliches Hobby, das Segelfliegen, jetzt nicht besser einstellen müsse, um die Mehrheit nicht zu gefährden, nicht ganz unberechtigt.

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