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Wilhelm Bitter, Portrait. Wilhelm Bitter, Portrait. © Stadtarchiv Recklinghausen, Foto-Archiv 130/3677

Wilhelm Bitter

Verleger, Oberbürgermeister, Vorsitzender der KPV December 13, 1886 Köln June 9, 1964 Recklinghausen
by Stefan Gronimus
Zeit seines politischen Wirkens betonte Wilhelm Bitter den Wert politischer Bildungsarbeit in der kommunalen Politik. Die Schulung des auf der Bürgerebene agierenden Personals war für ihn ein nicht zu vernachlässigender Pfeiler einer stabilen Demokratie.

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Herkunft und Ausbildung

Wilhelm Bitter wurde am 13. Dezember 1886 in Köln-Höhenberg als ältester Sohn einer vierzehnköpfigen katholischen Familie geboren. Angesichts angespannter finanzieller Umstände musste er bereits in jungen Jahren nach der Schule durch Hilfsarbeiten die Familienkasse entlasten. Nach dem Besuch der Volksschulen in Köln-Deutz und Köln-Kalk absolvierte er eine kaufmännische Lehre, an deren Anschluss er zunächst bei den Siemens-Schuckert-Werken, dann als Briefträger in Köln-Kalk arbeitete. Sein Einkommen sollte nach dem frühen Tod des Vaters existenziell für die Familie sein.

Die in Kindheit und Jugend gemachten Erfahrungen motivierten Bitter früh zu einem gesellschaftspolitischen Engagement. 1904 wurde er Stellvertretender Vorsitzender des Windthorst-Bundes, der Jugendorganisation des Zentrums, in Köln. 1911 belegte er einen staatspolitischen und volkswirtschaftlichen Fortbildungskurs beim Volksverein für das katholische Deutschland in Mönchengladbach. Nach Kursende fand er eine Anstellung als Sekretär bei ebenjenem Volksverein. Im Oktober desselben Jahres wurde er Parteisekretär der Zentrumspartei im Wahlkreis Recklinghausen-Borken.

Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 wurde Bitter zum Kriegsdienst eingezogen. Im selben Jahr heiratete er seine Frau Luise (geb. Kuchler), mit der er sechs Kinder bekam. Im Verlauf des Kriegs wurde er verwundet. Nach dessen Ende nahm er wieder seine vorherige Tätigkeit als Parteisekretär in Recklinghausen auf.

 

In der Weimarer Republik

1919 wurde Bitter für das Zentrum zum Stadtverordneten in Recklinghausen gewählt. Der Bau des örtlichen Ketteler-Hauses ging auch auf seine Initiative zurück. Von 1921 bis 1925 war er Mitglied des Provinziallandtages von Westfalen.

1922 veränderte er sich beruflich und wurde Vorstandsvorsitzender der in Recklinghausen ansässigen Vestischen Druckerei und Verlags AG (Vesdruvag). Zum Portfolio des Verlags gehörte u.a. die zentrumsnahe Recklinghäuser Volks-Zeitung (RVZ). Bitter strengte eine Sanierung des wirtschaftlich darbenden Verlagshauses an und baute mehrere Lokalausgaben der RVZ für den umliegenden Landkreis auf. Er veranlasste zudem die Gründung der wöchentlich erscheinenden Kirchenzeitung, welche innerhalb weniger Jahre eine beinahe sechsstellige Auflage erreichte. Im folgenden Jahr starb seine erste Frau, einige Monate später heirate er seine zweite Frau Katharina (geb. Hechler), mit der er zwei weitere Kinder bekam.

Im Rahmen der Verlagsarbeit verfolgte Bitter eine gegenüber dem im politischen Aufwind befindlichen Nationalsozialismus kritisch eingestellte Linie. Deutlich warnten die RVZ oder NS-kritische Veröffentlichungen vor Wahlerfolgen der NSDAP. Er tat dies im Bewusstsein, dass ihm das „naturgemäß den Haß und die Verfolgung der neuen Männer ein[trug]“.

 

Zeit des Nationalsozialismus

Die Machtübergabe an die Nationalsozialisten stellte eine Zäsur dar. Am 30. Januar 1934 wurde er als erster Zeitungsverleger deutschlandweit durch die neuen Machthaber in „Schutzhaft“ genommen. Bitter hatte sich zuvor geweigert, wahrheitswidrige Pflichtmeldungen in der RVZ abzudrucken. Die NS-nahe National-Zeitung titulierte ihn als „Staatsfeind“ und „Volksverräter“, sein Sohn Georg wurde des Gymnasiums verwiesen. Eine im Jahr 1933 erfolgte Einstellung eines jüdischen Mitarbeiters machte die RVZ zum „Judeneldorado“. Laut Aussage des Sohns seien ihm die nächtlichen Misshandlungen der Mithaftinsassen besonders nahe gegangen. Ende 1934 erfolgte eine weitere Verhaftung. Zu dieser Zeit bot er dem aufgrund der Gleichschaltung der Gewerkschaften arbeitslos gewordenen Bernhard Winkelheide eine Anstellung im Verlag. 1935 folgte der zwangsweise Verkauf der Recklinghäuser Volks-Zeitung an die National-Zeitung. Bitter wurde wegen regimefeindlicher Einstellung aus der Reichspressekammer und der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen.

1938 wurde ihm in Leipzig die Gründung des Verlages Paulus Verlag K. Bitter KG erlaubt, als Frontfrau für die Verlagsleitung fungierte seine Ehefrau, denn den nationalsozialistischen Machthabern galt Bitter nach wie vor als politisch unzuverlässig. Bis 1941 verlegte der Verlag die Literatur des katholischen Jugendhauses in Düsseldorf.

1944 geriet er zwei Mal in Haft: Zunächst für die Verbreitung eines Sonderdrucks des Hirtenbriefs des Münsteraner Bischofs Clemens August Graf von Galen. Im späteren Verlauf des Jahres wurde er nach einer Denunziation im Zusammenhang mit dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli erneut von der Gestapo festgenommen und aus Recklinghausen ausgewiesen. Es gelang ihm aber 1945 unerkannt in die Stadt zurückkehren und verbrachte die letzten Kriegsmonate versteckt im Keller seines Verlagshauses.

 

Gründungsphase der Bundesrepublik

Nach der Befreiung Recklinghausens durch die US-Truppen am 1. April 1945 stand Wilhelm Bitter als einziger Bewohner der Stadt auf der alliierten Liste der Hitlergegner. Ihm kam daher beim Wiederaufbau der Stadt eine besondere Bedeutung zu. Er wurde ehrenamtlich zum Dezernenten des Wirtschafts-, Ernährungs- und Straßenverkehrsamtes des Stadt- und Landkreises Recklinghausen ernannt. Die ihm durch die Alliierten gleichermaßen angetragenen Posten des Oberbürgermeisters oder des Landrats hatte er abgelehnt. Von 1946 bis 1947 gehörte er dem ernannten nordrhein-westfälischen Landtag an.

Ebenso hatte sich Bitter umgehend nach Kriegsende bei der Parteigründung der CDU in Recklinghausen engagiert. Er vertrat die Überzeugung, dass man politisch nicht einfach an den Schlusspunkt der Weimarer Republik im Jahr 1933 anschließen könne. Das Ansinnen, eine Neugründung der Zentrumspartei voranzutreiben, lehnte er daher ab. Er gehörte zum engeren Gründungskreis der überkonfessionellen, später in der CDU aufgegangenen Christlichen Demokratischen Partei (CDP). Am 17. Januar 1946 wählte ihn der Kreisverband Recklinghausen-Stadt bei der Gründung zum ersten Vorsitzenden. Bitter trat, als Lehre aus dem nationalsozialistischen Kampf gegen den christlichen Glauben, im besonderen Maße für den überkonfessionellen Ansatz ein. Beide christlichen Konfessionen dürften „nun, nachdem sie sich in zwölf Kampfahren gefunden und zusammengeschweißt haben, [nicht] getrennt marschieren“, sagte Bitter am 10. Februar 1946 in einer Rede vor dem neu gegründeten Ortsverband Recklinghausen-Essel. Am 27. Februar 1946 wurde er zum unbesoldeten Stadtrat gewählt. Im Sommer wurde er nach der am 1. April erfolgten Revision der Deutschen Gemeindeordnung der erste ehrenamtliche Oberbürgermeister der Stadt und übte das Amt bis 1948 aus. Den ebenfalls seit 1946 übernommenen Fraktionsvorsitz im Stadtrat von Recklinghausen legte er 1952 anlässlich seines Ausscheidens aus dem Stadtrat ab. Von 1956 bis 1961 wurde er erneut Ratsmitglied.

In privater Korrespondenz diskutierte Bitter mit Konrad Adenauer in der Nachkriegszeit die Gründung einer eigenen Zeitschrift. Der Paulus Verlag wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wieder aufgebaut und verlegte u.a. die katholische Wochenzeitschrift Echo der Zeit. Später erschienen dort Bücher der Dortmunder Gruppe 61,  einem "Arbeitskreis für künstlerische Auseinandersetzung mit der industriellen Arbeitswelt".

 

Vorsitzender der Kommunalpolitischen Vereinigung

Von seinen im Rahmen des Wiederaufbaus der Stadt Recklinghausen gemachten Erfahrungen ausgehend, begann Bitter früh Netzwerkpolitik im Sinne der kommunalen Selbstverwaltung zu betreiben. Dem hessischen Vorbild der Kommunalsekretariate folgend kam es in Westfalen 1946 zu ersten örtlichen Zusammenschlüssen. Am 7. Juli 1947 wurde er auf der Gründungsversammlung zum ersten Vorsitzenden der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU in Nordrhein-Westfalen gewählt.

Am 5. August 1948 wurde er auf der ersten interzonalen kommunalpolitischen Tagung der CDU/CSU auf dem Rittersturz bei Koblenz zum ersten Bundesvorsitzenden der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU (KPV) gewählt. Kraft seines Amtes gehörte er dem Bundesvorstand und dem Bundesausschuss der CDU an.

Nach der Lizenzerteilung durch die britischen Besatzungsbehörden am 27. Oktober 1948 war Bitter Mitgründer des in Recklinghausen angesiedelten Kommunal-Verlags  und fungierte als Mitherausgeber des in besagtem Verlag seit Jahresbeginn 1949 erscheinenden Verbandsorgans Kommunalpolitische Blätter.

Auf der kommunalen Ebene entfaltete Bitter weit über den Landkreis Recklinghausen hinausgehend eine rege Mitarbeit: Er war Mitglied des Provinzialausschusses der Provinzialverbandes Westfalen und der Landschaftsversammlung Westfalen, im Kulturausschuss des Deutschen Städtetages sowie im Städtetag Nordrhein-Westfalen aktiv. 1947 begründete er die Ruhrfestspiele mit, die sich in den folgenden Jahrzehnten zu einer kulturellen Institution entwickelten. Als Präsident des Sparkassen- und Giroverbands Westfalen-Lippe leistete er zwischen 1951 und 1952 wichtige Beiträge beim Auf- und Ausbau des kommunalen Sparkassenwesens in der Region.

Nachdem er im Februar 1964 den Landesvorsitz der KPV Nordrhein-Westfalen abgegeben hatte, wurde er im Anschluss zu ihrem Ehrenvorsitzenden ernannt.

Der Sprung zu größerer bundespolitischer Bedeutung innerhalb der Partei gelang der KPV hingegen erst einige Zeit nach dem Ende von Bitters Amtszeit unter der Führung von Horst Waffenschmidt.

Am 9. Juni 1964 verstarb Bitter im nahe Königswinter gelegenen Ittenbach. 

Curriculum vitae

  • kaufmännische Lehre und Postdienst
  • 1904 stellvertretender Vorsitzender der Windthorstbunde in Köln
  • 1911 hauptamtlicher Kreisgeschäftsführer der Zentrumspartei Recklinghausen
  • 1922 Verlagsleiter der „Recklinghäuser Volkszeitung“
  • 1921–1925 Mitglied des Provinziallandtags von Westfalen
  • zwischen 1933 und 1945 mehrmals wegen des Verdachts „nationaler Unzuverlässigkeit“ verhaftet
  • 1945 Mitgründer der CDU, Stadtrat und Dezernent für Ernährung, Wirtschaft und Verkehr
  • Juli 1946–Oktober 1948 Oberbürgermeister von Recklinghausen
  • 1946–1947 MdL Nordrhein-Westfalen
  • 1948–1952 Mitglied der CDU-Fraktion im Stadtrat
  • 1956–1961 Mitglied der CDU-Fraktion im Stadtrat
  • 1946–1948 Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes Recklinghausen
  • 1947 Mitgründer und Vorsitzender der Kommunalpolitischen Vereinigung (KPV) Nordrhein-Westfalen
  • 1948–1964 Bundesvorsitzender der KPV der CDU/CSU

 

Literature

  • Den Gründern der kommunalpolitischen Vereinigung der CDU und CSU Deutschlands und des Kommunal-Verlags in Verehrung und Dankbarkeit anläßlich der Vollendung ihres 75. Lebensjahres gewidmet. Recklinghausen 1961.
  •  Gauger, Jörg-Dieter: Wilhelm Bitter (1886–1964). Vorsitzender der Kommunalpolitischen Vereinigung, in: Buchstab, Günter Buchstab/Kaff, Brigitte/Kleinmann, Hans-Otto (Hg.): Christliche Demokraten gegen Hitler. Aus Verfolgung und Widerstand zur Union. Herausgegeben im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung. Freiburg i.Br. 2004, S. 94–99.
  • Möllers, Georg (Hg.): Politik für die Bürger. 50 Jahre CDU-Fraktion Recklinghausen. Recklinghausen 1996
  • Wilbers, Joachim: Die Kommunalpolitische Vereinigung der CDU und der CSU Deutschlands. Ein Beitrag zur Untersuchung des Vereinigungssystems der Unionsparteien. Frankfurt/Main 1986.

 

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