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„Ich mochte ihn von Anfang an, weil er sich nicht verbiegen ließ“

by Dr. h. c. Johannes Gerster

Nachruf von Dr. h. c. Johannes Gerster auf Asher Ben-Natan

Am 17. Juni 2014 verstarb im Alter von 93 Jahren Asher Ben-Natan, der erste Botschafter des Staates Israel in der Bundesrepublik Deutschland (1965–1969). Dr. h. c. Johannes Gerster, Mitglied des Deutschen Bundestags von 1972 bis 1994, Leiter der KAS Israel von 1997 bis 2006 und Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft von 2006 bis 2010, verfasste für die Wochenzeitschrift „stern“ vom 26. Juni 2014 einen persönlichen Nachruf, den wir mit Zustimmung des Autors auf unsere Homepage stellen.

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„Den Mann, der aussah wie Curd Jürgens, traf ich 1967 zum ersten Mal. Da war er seit zwei Jahren Botschafter in Bonn und ich im Vorstand der Deutsch-Israelischen Gesellschaft in Mainz. Als Generaldirektor beim Verteidigungsminister hatte er diesen heiklen Posten angenommen, den zuvor keiner haben wollte. Heikel deshalb, weil die Israelis von ihm die Erinnerung an die Shoa und die Deutschen Worte der Versöhnung erwarteten.

Der gebürtige Wiener war kein gelernter Diplomat. Er redete Klartext – gegen das Vergessen, gegen eine Kollektivschuld der Deutschen.

Ich mochte ihn von Anfang an, weil er sich nicht verbiegen ließ. Bevor er nach Bonn kam, hatte er eine Reihe von riskanten Aufgaben gelöst, hatte Shoa-Überlebende aus Osteuropa nach Israel gebracht, für seine Regierung Waffen in Frankreich eingekauft und mit Franz-Josef Strauß und Shimon Peres weitere Geschäfte vereinbart. Sein Motiv: die Sicherung des bedrohten Staates Israel.

Von Bonn wechselte er als Botschafter nach Paris. 1975 kehrte er nach Israel zurück und war Berater von Shimon Peres in diversen Regierungsämtern.

1980 wurde er Präsident der Israelisch-Deutschen Gesellschaft.

Als ich 1997 nach Israel umzog, machte er mich als Nichtjuden und Nichtisraeli zu seinem Stellvertreter: ‚Du hast 22 Jahre im Bundestag für Israel gekämpft, und jetzt tust du hier etwas für Deutschland.’ Ben Natan war loyal, aber mit Israels Politik oft nicht im Reinen.

Dass russische Juden nach Deutschland und nicht nach Israel einwanderten, beschied er so: ‚Jeder hat das Recht, dort zu leben, wo er will.’ Asher war ein liberaler Sozialist – und mit seiner Frau Erika, deren Mutter und Schwester im Holocaust ermordet worden waren, bis zu deren Tod 71 Jahre lang verheiratet. Gemeinsam trauerten sie um den Sohn Amnon, der im Jom-Kippur-Krieg 1973 als Hauptmann gefallen war.

Ich hatte meinen Freund noch vor Kurzem in Tel Aviv besucht. Ich ahnte, dass es ein Abschied für immer war, als er mir anvertraute: ‚Ich will jetzt Erika und Amnon folgen.’ Und ich wusste, dass er nicht den geringsten Widerspruch duldete.“

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