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Atomwaffen, Raketen und Machtpolitik

by Michael Mertes

Vor der europäischen Haustüre brauen sich existentielle Gefahren zusammen

Nicht nur für Israel wäre es ein Alptraum, wenn der Iran über Atomwaffen verfügte – und dazu noch über Trägersysteme mittlerer und großer Reichweite.

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Quelle: Bayernkurier vom 12. Oktober 2012

Die nuklearen Ambitionen des Mullah-Regimes zielen darauf ab, das eigene Land zur beherrschenden Großmacht in der Region zu machen. In letzter Konsequenz würde der Iran dadurch zu einem weltpolitischen Akteur aufsteigen. Für seine sunnitischen Nachbarn, vor allem für Saudi-Arabien und das Nato-Mitglied Türkei, wäre dies inakzeptabel. Ein atomarer Rüstungswettlauf in der Region wäre die Folge, mit unabsehbaren Konsequenzen auch für Europas künftige Sicherheit.

Syrien ist ein besonders grausamer Schauplatz der machtpolitischen Rivalität rund um den Nahen Osten. Natürlich geht es hier zunächst um einen landesinternen Konflikt. Doch die Frage, wer in Damaskus künftig das Sagen hat, ist von herausragender strategischer Bedeutung für die Länder der näheren und weiteren Umgebung. Deshalb engagieren sich Iraner auf der einen und Saudis und Türken auf der anderen Seite mehr oder weniger offen für eine der innersyrischen Konfliktparteien.

Für Teheran steht viel auf dem Spiel. Wenn das Assad-Regime stürzt, geht ihm einer seiner wichtigsten Verbündeten verloren – und damit ein wesentliches Stück der „schiitischen Achse“, die vom irakischen Süden bis zu den von der Hisbollah dominierten Teilen des Libanon reicht.

Die Europäer sind zurzeit vor allem mit sich selbst beschäftigt und schenken dem, was sich vor ihrer Haustür an existentiellen Gefahren zusammenbraut, wenig Beachtung. Viele haben den unzutreffenden Eindruck, es gehe beim Streit um das iranische Atomwaffenprogramm in erster Linie um ein bilaterales Problem zwischen Israel und dem Iran. Ganz falsch ist das nicht. Denn es trifft zu, dass führende Repräsentanten des Mullah-Regimes immer wieder den Holocaust leugnen und gleichzeitig deutlich machen, dass sie den jüdischen Staat lieber heute als morgen von der Landkarte tilgen würden.

Dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu gebührt das Verdienst, die Völkergemeinschaft für den Ernst der Lage sensibilisiert zu haben. Viele der scharfen internationalen Sanktionen gegen den Iran, die jetzt Wirkung zu zeigen beginnen, hatten sicher auch den Zweck, Israel von einem militärischen Alleingang gegen das iranische Atomwaffenprogramm abzuhalten. Insofern haben sich die zahlreichen rhetorischen Offensiven Netanjahus gelohnt, nicht nur für Israel. Ob er jemals ernsthaft einen riskanten israelischen Militärschlag gegen den Iran erwogen hat, ist demgegenüber eine zweitrangige Frage.

Im nächsten Jahr werden wir es genauer wissen – nach der US-Präsidentschaftswahl und der auf Frühjahr 2013 vorgezogenen Wahl einer neuen Knesset.

Michael Mertes

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