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Israel und die Türkei: Kein Kommentar

by Evelyn Gaiser, Michael Mertes
In Israel wurde die „Arab Spring“-Nahostreise des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan nach Ägypten, Tunesien und Libyen aufmerksam beobachtet. Am Mittwoch, den 14. September titelte „Haaretz“ auf der ersten Seite: „Erdogan in Kairo: Israels Aggression gefährdet die Zukunft seiner Bürger“, und bei der „Jerusalem Post“ lautete die Schlagzeile ganz ähnlich: „Erdogan in Kairo: Israel untergräbt seine eigene Legitimität“. Es fällt auf, dass die Kommentare in der israelischen Presse gleichwohl spärlich gesät waren.

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Die Regierung in Jerusalem bemühte sich ersichtlich um Zurückhaltung und goss kein Öl ins Feuer. Die zunehmend scharfe türkische Rhetorik wird in Jerusalem mit Sorge registriert. Ministerpräsident Netanyahu einigte sich mit seinen Kabinettsmitgliedern darauf, von Repliken auf die verbalen Angriffe Erdogans abzusehen. Selbst der für seine deutliche Sprache bekannte Außenminister Avigdor Lieberman hielt sich an diese Abrede, nachdem er vergangene Woche noch ganz andere Töne angeschlagen hatte.

Anlass – wenn auch sicher nicht Grund – für die türkisch-israelischen Spannungen ist die Weigerung Israels, sich bei der Türkei für den Tod von neun türkischen Staatsangehörigen zu entschuldigen, die 2010 ums Leben kamen, als israelische Soldaten das Schiff Mavi Marmara stürmten, das im Begriff war, die Gaza-Blockade zu durchbrechen. Die Türkei verlangte eine offizielle Entschuldigung der israelischen Regierung noch vor der Veröffentlichung des „Palmer Report“ der Vereinten Nationen. Jerusalem erklärte zwar sein Bedauern über den Tod der türkischen Bürger, dies genügte Ankara jedoch nicht.

Nachdem die Türkei den israelischen Botschafter ausgewiesen hatte, präsentierte Israels Außenminister Lieberman einen Katalog „diplomatischer und sicherheitspolitischer“ Gegenmaßnahmen. Auf seiner Nahostreise legte Erdogan nun eine recht martialische Rhetorik an den Tag. „Israel“, so zitierte ihn die Jerusalem Post, „ist ein verwöhntes Kind geworden. Es übt nicht nur Staatsterrorismus gegen die Palästinenser aus, sondern fängt jetzt auch noch damit an, sich unverantwortlich zu benehmen.“.

Nachdem Erdogan in der vergangenen Woche angekündigt hatte, dass künftig türkische Kriegsschiffe mögliche Gaza-Flotillen begleiten würden, warnte er Israel bei einer Ansprache in Tunesien, es könne im östlichen Mittelmeer nicht tun, was es wolle. Türkische Kriegsschiffe seiejn in der Lage, dort innerhalb kürzester Zeit einzutreffen (siehe hier). Die englischsprachige Online-Ausgabe von Yediot Ahronot überschreibt ihren Bericht mit Belligerence – zu Deutsch etwa: „Kriegslust“ oder „Säbelrasseln“. Zudem wurde nur einen Tag nach Erdogans Ankunft in Kairo von Istanbul verkündet, dass neue Technologien es türkischen F16-Fliegern jetzt ermöglichten, israelische Ziele anzugreifen; das bisher genutzte US-amerikanische System identifiziert israelische Ziele noch automatisch als „Freund“ und verweigert Angriffe darauf (siehe hier).

Vor diesem geräuschvollen Hindergrund ist die israelische Zurückhaltung bemerkenswert. Israel werde, so ein anonym bleibender Regierungsmitarbeiter , nicht auf diese Provokationen eingehen: „Wir werden Erdogan noch ein bisschen um sich schlagen lassen“, meinte er. „Israel hat nicht die Absicht, die Situation weiter eskalieren zu lassen – derjenige, der das tut, ist Erdogan. Seine Aussagen sind die Sprüche eines Rüpels.” (siehe hier). Mit dem Vorsatz der israelischen Regierung, nunmehr rhetorische Zurückhaltung in Richtung Türkei üben zu wollen, wurde auch die Kommentare in den israelischen Zeitungen zu diesem Thema deutlich weniger.

In jedem Fall wird aber aufmerksam registriert, dass Erdogan in der arabischen Bevölkerung kräftig punkten konnte. Ihm wird von israelischen Kommentatoren unterstellt, dass er das politische Vakuum, in dem große Teile der arabischen Welt sich derzeit befinden, mit seinem eigenen Machtanspruch als „neuer Nasser“ füllen möchte – so Roee Nahmias in seinem ynet.com-Kommentar (siehe hier).

Evelyn Gaiser, Michael Mertes

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