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Joachim Gaucks Worte und Gesten kamen von Herzen

by Michael Mertes

Der Bundespräsident in Israel

Der Staatsbesuch von Bundespräsident Joachim Gauck in Israel war ein voller Erfolg – sowohl für die deutsch-israelischen Beziehungen als auch für ihn selbst. Auf schwierigem Terrain kamen alle seine Stärken zur Geltung: Intellektualität und Warmherzigkeit, der Mut zum offenen Wort und die Kunst des richtigen Tons.

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Quelle: Bayernkurier vom 9. Juni 2012

Der neue Bundespräsident, den die liberale Tageszeitung Haaretz mit dem Hinweis begrüßte, man nenne ihn auch den „deutschen Nelson Mandela“, stieß in der israelischen Öffentlichkeit auf wohlwollendes Interesse. Dass sein Besuch keine Schlagzeilen machte, ist ein gutes Zeichen – Beweis dafür, als wie stabil die freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern in Israel gelten.

Wahr ist allerdings auch, dass in der israelischen Gesellschaft die Sympathien gegenüber den Deutschen zunehmen, während sie – wie aktuelle Umfragen zeigen – in der Gegenrichtung abnehmen. Gauck, ein großer Freund Israels, wird daheim viel Überzeugungsarbeit leisten müssen.

Vor seiner Ankunft wurde er lediglich von Efraim Zuroff, dem Direktor der israelischen Zweigstelle des amerikanischen Simon Wiesenthal Center, wegen seiner Unterschrift unter die so genannte Prager Erklärung von 2008 angegriffen. In diesem Dokument, das auch von Václav Havel signiert wurde, werden Stalinismus und Nationalsozialismus miteinander verglichen. Zuroff sieht darin eine unzulässige Gleichsetzung. Gauck widerlegte den abwegigen Vorwurf, er verharmlose die Verbrechen des Nationalsozialismus, durch einfache und eindringliche Worte und Gesten. Was er sagte und tat, war erkennbar nicht von Redenschreibern und Zeremonienmeistern ausgetüftelt worden – es kam von Herzen.

In seiner Rede beim Staatsbankett am 29. Mai machte Gauck dem israelischen Publikum deutlich, weshalb es an der kommunistischen Diktatur nichts zu verharmlosen gibt. Er berichtete davon, wie er sich als Jugendlicher Kenntnisse über den Mord an den europäischen Juden ganz allein habe erarbeiten müssen, weil dieses Thema in der DDR systematisch tabuisiert worden sei. Im Namen eines verlogenen „Antifaschismus“, so rief er den Vergesslichen in Erinnerung, betrieb das SED-Regime „antizionistische“ Hetze gegen Israel und unterstützte dessen Todfeinde.

In den deutschen Medien gab es eine intensive Diskussion über die Frage, ob und inwieweit Gauck die von Bundeskanzlerin Merkel 2008 vor der Knesset gegebene Zusicherung abgeschwächt habe, die historische Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels sei „Teil der Staatsräson meines Landes“.

In den israelischen Medien hingegen spielte dieses Thema keine Rolle. Das erklärt sich aus der israelischen Staatsräson: Der jüdische Staat, der Staat des jüdischen Volkes baut in existenziellen Sicherheitsbelangen zu allererst auf sich selbst. Das ist eine Konsequenz aus der schrecklichen Ohnmachtserfahrung des Holocaust. In Überlebensfragen würde sich Israel, wie die Iran-Debatte der letzten Monate gezeigt hat, nicht einmal auf seine besten Verbündeten absolut verlassen.

Aber Israel weiß natürlich, dass es verlässliche Freunde in der Welt braucht. Joachim Gauck ist einer davon.

Michael Mertes

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