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Newsletter, Ausgabe Dezember 2012

by Michael Mertes

Ein klares Bekenntnis zur Zwei-Staaten-Lösung

Im Jahr 2013 finden die Wahlen zur Knesset und zum Deutschen Bundestag statt. Der 20. Jahrestag der Oslo-Vereinbarungen wird Anlass zur Frage gehen, ob und wie sich das 1992 verabredete Ziel „Zwei Staaten für zwei Völker“ noch verwirklichen lässt.

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Liebe Leserin, lieber Leser!

Vor Beginn des Weihnachtsfestes und an der Schwelle zum Neuen Jahr übermittle ich Ihnen – auch im Namen der KAS Israel – herzliche Feiertagsgrüße. Wir wünschen Ihnen eine friedvolle Zeit und viel Kraft für die Aufgaben, die 2013 auf Sie warten.

Wir in Jerusalem blicken zurück auf einen „heißen Herbst“, der uns sehr viel abverlangt hat. Ich habe allen Grund, dem Team der KAS Israel für ein ganz außergewöhnliches Maß an Einsatz- und Hilfsbereitschaft, Kollegialität und Loyalität zu danken. Vieles musste liegenbleiben, weil Vordringliches keinen Aufschub duldete. Deshalb erscheint dieser Newsletter zum letztmöglichen Zeitpunkt vor Weihnachten – und in einer kürzeren Fassung als sonst.

Die „Dynamik des Nicht-Glaubens“

Allein die kurze Zeit von Chanukkah (9. bis 16. Dezember) bis Weihnachten war angefüllt mit Veranstaltungen, von denen jede für sich ein Monatsprogramm gekrönt hätte. Hier seien nur drei erwähnt:

Am 10. Dezember 2012 veranstalteten wir gemeinsam mit dem Interreligiösen Koordinierungsrat in Israel (ICCI) ein Seminar über das Verhältnis von Religion und Moderne. Alle monotheistischen Religionen stehen vor der Herausforderung, die Balance zwischen Herkunft und Zukunft, zwischen Glauben und Vernunft immer wieder neu zu finden. Das schwächt nicht ihre Identität, sondern stärkt sie – so das Ergebnis der vom Publikum sehr gut aufgenommenen Veranstaltung.

Zum Ende des Jahres 2012 war es auch an der Zeit, 30 Jahre KAS Israel zu feiern und damit den Dank an die Aufbau-, Konsolidierungs- und Ausbauarbeit früherer Leiter unseres Jerusalemer Büros zu erinnern: Norbert Chauvistré, Hartwig Lürick, Dr. Michael Lange, Dr. Gerhard Wahlers, Dr. h.c. Johannes Gerster und Dr. Lars Hänsel. Gemeinsamen mit unseren Partnern sowie Referentinnen und Referenten nutzten wir den Anlass, nach vorn zu blicken und uns über die Prioriäten der kommenden Zeit zu verständigen. Dazu gehörte vor allem ein klares Bekenntnis zur Zwei-Staaten-Lösung. Dies war schon die Kernbotschaft einer anderen Jubiläumsveranstaltung – 25 Jahre Israel Palestine Center for Research and Information (IPCRI) – im Oktober gewesen; sie stand unter dem programmatischen Motto „Gemeinsame palästinensisch-israelische Initiativen für den Frieden“ (siehe auch hier).

Im September nächsten Jahres sind bereits zwei Jahrzehnte seit Abschluss der Oslo-Vereinbarungen vergangen. Die damals verabredete Zwei-Staaten-Lösung scheint heute in weite Ferne gerückt zu sein. In Israel ist sowohl auf der linken wie auf der rechten Seite des politischen Spektrums zu hören, Oslo sei „tot“: Die einen wollen einen bi-nationalen Staat vom Mittelmeer bis zum Jordan, die anderen denken laut über eine Annexion von Teilen des Westjordanlandes nach. Ganz im Sinne der von der Bundesregierung vertretenen politischen Linie unterstützt die KAS Israel alle Bestrebungen, die Zwei-Staaten-Lösung trotz aller Hindernisse und Widerstände zu verwirklichen.

Besonders stolz war die KAS Israel darauf, gemeinsam mit dem Jerusalem Center for Public Affairs den langjährigen US-Unterhändler im Nahost-Friedensprozess Dennis Ross als Hauptredner bei unserer Konferenz am 20. Dezember zum Thema „Zwischen den Wahlen in den USA und in Israel: Veränderungen im israelischen Meinungsklima zu regionalen Kernthemen“ gewonnen zu haben. Ross beendete seinen Vortrag mit einer Botschaft der Ermutigung.

Als Hauptursache des Stillstands im Friedensprozess identifizierte er – völlig zu Recht – eine „Dynamik des Nicht-Glaubens“ (dynamic of disbelief). Diese Dynamik zerstöre jede Zuversicht, sie erzeuge nur noch Resignation, Zynismus und Lähmung. Ross blieb jedoch nicht bei seiner nüchternen – und ernüchternden – Diagnose stehen; vielmehr präsentierte er eine Reihe praktischer Vorschläge an die Adresse beider Konfliktparteien, die der „Dynamik des Nicht-Glaubens“ entgegenwirken könnten.

Die Krise der Regierungsfähigkeit im Nahen Osten

In einen Rückblick auf den nahöstlichen Herbst 2012 gehört selbstverständlich auch die Erinnerung an die bedrückenden Tage der Operation „Säule der Verteidigung“ (14. bis 21. November). Eine überwältigende Mehrheit von 84% der Israelis (unter den israelischen Juden waren es sogar 90%) unterstützten diese Maßnahme der Selbstverteidigung gegen den ständigen Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen, der vor Beginn der Operation unerträgliche Ausmaße angenommen hatte.

Als Makler des Waffenstillstandes konnte der ägyptische Präsident Mursi politisch profitieren, während der auf eine Zuschauerrolle reduzierte Palästinenserpräsident Abbas zunächst als politischer Verlierer dastand; allerdings konnte Abbas mit dem Erfolg bei der Abstimmung über den palästinensischen Aufwertungsantrag in den Vereinten Nationen Boden gutmachen.

Den Auftakt der Herbstsaison hatten zwei hochkarätig besetzte Workshops7 über „Die Krise der Regierungsfähigkeit im Nahen Osten“ gemacht (siehe auch hier). Partner war das Institute for Counterterrorism (ICT) am Interdisciplinary Center Herzliya (IDC). Schon in den Jahren vor dem „Arabischen Frühling“ wusste man zwar um die zunehmende Bedrohung durch nichtstaatliche Akteure und durch innere Fragmentierung vieler Länder des Nahen Ostens. Man habe jedoch, so der deutsche Botschafter Andreas Michaelis, diese Gefahr in der Annahme, autokratische Regimes würden weiterhin für Stabilität sorgen können, unterschätzt.

Dem geringen Risiko traditioneller zwischenstaatlicher militärischer Konflikte, der konstanten Bedrohung durch Terrorismus und der variierenden Bedrohung durch staatlich subventionierte Konflikte nichtstaatlicher Akteure sei damals höhere Priorität eingeräumt worden als der Desintegration staatlicher Strukturen. Eine besondere Herausforderung bringe die Schwierigkeit der militärischen Abschreckung nichtstaatlicher Akteure mit sich. Insofern gehe eine zunehmende Schwächung staatlicher Akteure einher mit einer weniger effektiven Abschreckung.

Dialog auf allen Ebenen

Natürlich bestimmte nicht allein die Sicherheitspolitik die Inhalte unserer Arbeit. Mit der Gedenk- und Forschungsstätte Yad VaShem veranstaltete die KAS Israel am 22. Oktober ein internationales Symposium über die fortwirkende Bedeutung des Werks „The Destruction of the European Jews“ von Raul Hilberg.

Allein drei anspruchsvolle Projekte organisierte das Minerva Center for Human Rights an der Hebräischen Universität Jerusalem gemeinsam mit uns: die Konferenz „Übergänge in der / in die Demokratie: Neue Chancen und Herausforderungen“ (28. Oktober), den Workshop „Wiedergutmachung? Kulturelle Ansätze im Umgang mit extremen Menschenrechtsverletzungen“ (18./19. November) und die Konferenz „Zusammenhänge zwischen Humanitärem Völkerrecht und Rechtsdurchsetzung“ (3./4. Dezember).

Am 12. November 2012 waren wir im Rahmen der vom Israelischen Städte- und Gemeindebund (ULAI) organisierten israelisch-deutschen Konferenz „In Freundschaft verbundene Städte“ Mit-Gastgeber eines Runden Tischs zum Thema „Grüne Städte – Wo liegt der Anreiz?“. Im Zentrum stand die Bedeutung bürgerschaftlichen Engagements für nachhaltige Entwicklung auf kommunaler Ebene. Und am 27. November organisierten das Konrad-Adenauer-Programm für jüdisch-arabische Zusammenarbeit (KAP) an der Universität Tel Aviv und die KAS Israel eine Veranstaltung über die Rolle arabischer Parteien im gegenwärtigen Knesset-Wahlkampf.

Abschied von Ramallah – Willkommen Hans Heyn!

Damit bin ich beim vorletzten Stichwort: Am 22. Januar 2013 wird ein neues israelisches Parlament gewählt. Über die Entwicklungen, Akteure und Hintergründe informiert unser „Knesset-Wahlbarometer“, das laufend aktualisiert wird.

Mein letztes Stichwort: Anfang Januar 2013 übergebe ich die Leitung des KAS-Auslandsbüros in Ramallah an meinen Kollegen Dr. Hans Maria Heyn. Seit Ende Juni 2012 hatte ich die Konrad-Adenauer-Stiftung kommissarisch in den Palästinensischen Gebieten zu vertreten. Es ist gut, dass jetzt die Ablösung kommt. Mit meinem Vorgänger in Ramallah, Felix Dane (jetzt KAS Rio de Janeiro) verband mich eine enge kollegiale, mehr noch: freundschaftliche Zusammenarbeit. Ich freue mich darauf, mit Hans Heyn dieses gute Miteinander fortsetzen zu können.

Für den Erfolg der Konrad-Adenauer-Stiftung in der Region ist es von besonderer Bedeutung, dass die Büros in Jerusalem und Ramallah – und auch in Amman – eng und vertrauensvoll kooperieren.

Mit herzlichen Grüßen und allen guten Wünschen

Ihr

Michael Mertes

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