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Country Reports

Jordanien und Israel nach Netanjahus Wiederwahl

by Dr. Otmar Oehring

ISRAEL STEHT KURZ VOR DER KOALITIONSBILDUNG: JORDANIENS ERWARTUNGEN UND DIE AUSWIRKUNGEN AUF DIE PALÄSTINENSERFRAGE

Jordanien gilt in dieser von Konflikten und Terror geprägten Zeit als der „sichere Hafen“ des Nahen Osten. Die größten Herausforderungen denen Jordanien gegenüber steht, sind die andauernde wirtschaftliche Schwäche des Landes, die durch den Zustrom einer großen Zahl von Flüchtlingen noch verschärft wird sowie die Krisen in den Nachbarländern, die mit der Präsenz von Terrormilizen einhergehen. Will Jordanien seine Stabilität wahren, muss es, umgeben von instabilen oder verfeindeten Staaten, wie dem Irak, Syrien und Israel, immer auch den politischen Einfluss von außerhalb berücksichtigen.

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In diesem Kontext spielen auch die Auswirkungen der jüngsten Parlamentswahl und die Regierungsbildung in Israel eine Rolle. Allen Meinungsumfragen zum Trotz, die bis kurz vor der Wahl einen Sieg des linken Wahlbündnisses Zionistisches Lager prognostiziert hatten, konnte Benjamin Netanjahus Likud-Partei den Wahlsieg davontragen. Anfang Mai soll nun die von ihm zu bildende Koalition stehen.

Um doch noch die Wahlen zu gewinnen, bewegte sich Netanjahu in den letzten Tagen des Wahlkampfs in die äußerst rechte Ecke des Ringes und behauptete, eine Zwei-Staaten-Lösung werde unter seiner Regierung nicht realisiert werden. Diese Aussage, die für viele Analysten nur eine Maßnahme zur Mobilisierung der rechten Wähler war, hat er mittlerweile wieder zurückgenommen. Weder die ursprüngliche Ankündigung, noch die nur wenige Tage später erfolgte Rücknahme der Aussage machten jedoch einen großen Unterschied in der Wahrnehmung der Jordanier. Jordanische Analysten waren vom Wahlkampf und Wahlausgang in Israel genauso wenig überrascht wie beeindruckt. Mit an Resignation grenzender Gleichgültigkeit wurde Netanjahus Sieg aufgenommen. Die Wiederwahl Netanjahus würde keinen neuen Abschnitt in den Beziehungen zu Israel eröffnen, da man sich mit Netanjahu schon in der Vergangenheit arrangiert hätte. Zudem sei der Rechtsruck der israelischen Gesellschaft schon während der letzten Jahre als Trend zu erkennen gewesen. Außerdem würde sich Jordaniens Politik gegenüber Israel auch nicht abhängig vom jeweiligen israelischen Regierungschef ändern – die Regierung respektiere die Entscheidung des israelischen Volks.

Enttäuschung über die Wahlniederlage des Zionistischen Lagers war nicht zu verspüren, zumal auch in dieses Wahlbündnis keine große Hoffnung gesetzt worden war. Isaac Herzog und Tzipi Livni, die führenden Köpfe des Zionistischen Lagers, wären aus jordanischer Sicht zwar eindeutig die umgänglicheren Gesprächspartner gewesen, im Hinblick auf den palästinensischen Konflikt wurden von ihnen aber auch keine großen Änderungen erwartet. Den Siedlungsbau hätten sie wohl gestoppt, aber auch das würde noch zu keiner elementaren Änderung des Status quo führen. Im Mittelpunkt der jordanischen Außenpolitik gegenüber Israel steht auch weiterhin die Zwei-Staaten-Lösung. Und so will sich das Königreich auch nach der Wahl in Israel mit Nachdruck dafür einsetzen.

2014 – Ein Jahr mit Eskalationspotenzial

Seit der Friedensvertrag zwischen Jordanien und Israel im Jahr 1994 zustande kam, erscheinen die bilateralen Beziehungen der beiden Staaten eher wie eine konfliktfreie Koexistenz als eine warme Freundschaft benachbarter Länder.

Gegenwärtig wird in Israel die Errichtung einer Mauer an der Grenze zu Jordanien erwogen. Diese soll aus Sicherheitsgründen errichtet werden, da Israel fürchtet, dass islamistische Extremisten und Kämpfer aus Syrien und dem Irak durch Jordanien nach Israel gelangen könnten. In Jordanien wird das auch als Zeichen des Misstrauens gegenüber dem jordanischen Grenzschutz verstanden und folglich negativ wahrgenommen.

Insgesamt hat es im letzten Jahr schon genügend Eskalationspotenzial bezüglich der bilateralen Beziehungen gegeben. Im März wurde an der King Hussein Brücke – dem einzigen Grenzübergang zwischen Jordanien und dem Westjordanland, den Palästinenser nutzen dürfen – der jordanische Richter palästinensischer Abstammung Raed Ala’eddin Nafe Zeiter erschossen. Der Übergang wird von israelischen, jordanischen und palästinensischen Kräften gemeinsam bewacht. Zwar haben auch palästinensische Beamte ausgesagt, dass der Richter versucht habe einen israelischen Sicherheitsbeamten zu entwaffnen bevor die Schüsse fielen. Augenzeugen widersprachen jedoch und betonten, dass zwischen den beiden Männern ein sicherer Abstand gewahrt wurde. Der Palästina-Ausschuss des jordanischen Parlaments verurteilte den Vorfall und forderte die Regierung auf, den Friedensvertrag mit Israel aufzukündigen, den israelischen Botschafter in Amman auszuweisen und den jordanischen Botschafter aus Israel abzuberufen. Der Ausschuss verwies auch auf entsprechende frühere Beschlüsse im Zusammenhang mit Festlegungen des israelischen Parlaments, die die Schutzherrschaft Jordaniens für die Heiligen Stätten in Jerusalem in Frage stellen.

Ende 2014 sah es dann kurzfristig so aus, als ob es tatsächlich zu einem Bruch des Friedenvertrages kommen könnte, als sich die Konflikte zwischen Palästinensern und Israelis auf dem Tempelberg mehrten. Offiziell sind die Jordanier für die Verwaltung der Heiligen Stätten der Muslime in Ost Jerusalem zuständig und waren dementsprechend empört, als das Areal, das die Al-Aqsa Moschee und den Felsendom einschließt, mehrere Male aus Sicherheitsgründen von der israelischen Regierung gesperrt wurde. Auf jordanischer Seite bestand außerdem die Sorge, dass Israel die Verwaltung des Tempelbergs selbst übernehmen und seinerseits den Friedensvertrag brechen würde. Das Königreich zog in diesem Zusammenhang Anfang November 2014 seinen Botschafter aus Tel Aviv zurück. Außerdem wurde zu diesem Zeitpunkt tatsächlich ein Antrag im Parlament eingebracht, der die Kündigung des Friedensvertrags mit Israel zum Ziel hatte. Allerdings soll der Antrag unter den jordanischen Abgeordneten nur wenig Unterstützung gefunden haben. Um den Konflikt des letzten Jahres endgültig beizulegen, empfing König Abdullah II Ministerpräsident Netanjahu und den amerikanischen Außenminister, John Kerry. Die Politiker erörterten sowohl die Bedeutung des Tempelbergs für die muslimische Gemeinschaft, als auch mögliche Risiken, die ein israelischer Bruch des Friedensvertrags herbeiführen könnte. Schlussendlich einigten sich die Staatsoberhäupter auf eine deeskalierende Politik.

Trotz aller Umstände und Hindernisse, die die Beziehung beeinträchtigen, gibt es jordanische und israelische Initiativen, die darauf abzielen, das oft angespannte Verhältnis zu verbessern. Ein Austausch besteht also durchaus, ist aber deutlich weniger medienpräsent als die provozierenden Auseinandersetzungen. Intensiver Austausch findet zwischen Think Tanks und Nicht-Regierungs-Organisationen auf beiden Seiten statt. Die Ergebnisse finden aber oft nicht den Weg in eine unmittelbare politische Umsetzung. In turbulenten Jahren, wie 2014, kann es dann leicht zu Misstrauen und Konflikten zwischen den politischen Autoritäten kommen.

Jordanien in der israelischen Politik – Ein Rückblick

Die jordanische Skepsis gegenüber Israels Politikern, besonders gegenüber jenen der rechten Parteien und insbesondere dem Likud, ist aber zu großen Teilen auch historisch begründet. Als der Likud 1977 unter Menachem Begin an die Regierung kam und Rabins Arbeiterpartei nach 29 Jahren zum ersten Mal abgelöst wurde, begann für Jordanien ein neuer außenpolitischer Abschnitt. Für Begin gehörte das jordanische Königreich zum Land Israel und er sah das Westjordanland als einen elementaren Bestandteil des biblischen „Judäa und Samaria“. Diese Überzeugung veranlasste ihn dazu, die UN-Teilungspläne von 1947 und 1949 nicht anzuerkennen. Folgerichtig verkündete er nur einen Tag nach der Gründung des Staates Israels, dass man sich daran erinnern müsse, dass das Heimatland noch nicht befreit worden sei.

Dieser Standpunkt geht auf die Positionierung der Herut-Partei, der Vorgängerin des Likud, Mitte des 20. Jahrhunderts zurück. Die Herut-Partei war damals in der Opposition und machte sich für die Zugehörigkeit beider Jordanufer zu Israel stark. Dementsprechend negativ reagierte die Herut auch, als das jordanische Königreich 1950 die Einheit des Ostjordanlands mit dem Westjordanland und Ostjerusalem verkündete. In Anbetracht internationaler Entwicklungen erkannte die Herut und mit ihr Begin jedoch, wie unwahrscheinlich es war, Jordanien jemals zum eigenen Territorium zählen zu können. Nach den israelischen Eroberungen des Sechs-Tage Krieges im Jahr 1967 sah Begin seine Hauptaufgabe darin, den israelischen Einfluss im Westjordanland zu intensivieren, wobei er sich besonders für den Siedlungsbau einsetzte. Die rechten israelischen Politiker der frühen 1970er, unter ihnen Ariel Sharon, Benjamin Netanjahu und Yitzhak Shamir, entwickelten jedoch noch eine andere für die Existenz Jordaniens bedrohliche Theorie. Besonders im Zuge des sogenannten Schwarzen September bestanden sie auf der Idee, dass Jordanien zum eigentlichen Palästina gehöre und, dass mit dem Zerfall des jordanischen Königreichs und folgender Etablierung eines palästinensischen Staates auf diesem Gebiet die Existenz Israels gesichert wäre. Das Land der Palästinenser befände sich dann offiziell außerhalb der israelischen Grenzen. Auch eine Annektierung des Westjordanlands wäre somit leichter zu rechtfertigen gewesen. Diese Ideologie des Likud, der eindeutig den Zuwachs an Land gegenüber dem Frieden bevorzugte, ging so weit, dass Netanjahu - zu der Zeit Botschafter in den Vereinigten Staaten - eine „Jordanien ist Palästina“-Lobby etablierte. Dieser Aspekt der Kernpolitik des Likud verlor erst an Wirkkraft, als Jordanien 1988 entschied, sich offiziell aus dem Westjordanland zurückzuziehen. Damit entfiel die Grundlage der Argumentation des Likud, die unter anderem auf der Solidarität Jordaniens mit Palästina und dem palästinensischen Volk basierte.

Nachdem der Likud seine politische Macht 1992 wieder verlor und mit Yitzhak Rabin die Arbeiterpartei erneut an die Macht kam, wurden Friedensgespräche ermöglicht und der Vertrag von Oslo kam 1993 zustande. Vom Likud wurde dieser durchgehend abgelehnt. Als Reaktion führte Netanjahu die Partei zu einer totalen Anerkennung Jordaniens. Die Jordanier, erleichtert über das Abweichen vom „Jordanien ist Palästina“ Gedanken, erwarteten Veränderungen und Fortschritte in den bilateralen Beziehungen. Netanjahus Absichten lagen jedoch dem Gedanken an einen Verbündeten zugrunde. Er war der Überzeugung, in Jordanien einen Partner zu haben, da beide Länder das gleiche Interesse verfolgten, auf den eigenen Staatsgebieten keinen palästinensischen Staat zu etablieren. Es dauerte jedoch nicht lange, bis König Hussein die Absichten Netanjahus erkannte und feststellte, dass das außenpolitische „Beispiel Rabin“ mit dem Politiker gestorben war.

Rabin, der Israel zu den Oslo-Verträgen geführt hat, wird häufig mit der Schwächung der israelischen Arbeiterpartei in Verbindung gebracht, die schließlich 1996 erneut zur Ablösung durch den Likud führte. Für viele Araber repräsentierte der Politiker jedoch eine progressive Stellung Israels im Friedensprozess. Seine Zugehörigkeit zur Arbeiterpartei spielt bei diesem Bild dennoch keine ausschlaggebende Rolle. Diese hat zwar eine nicht so drastisch schlechte Stellung in der arabischen Gesellschaft wie der Likud, jedoch scheinen Palästinenser und Jordanier politischen Fortschritt stärker mit einzelnen Persönlichkeiten zu identifizieren, als mit Parteien. Weder hatte nämlich die linke Parteipolitik nur positive Auswirkungen auf die Situation der Palästinenser, noch hatte die rechte Parteipolitik nur negative Konsequenzen. Immerhin war der Vorgänger der Arbeiterpartei, Mapai, an der Regierung, als das Westjordanland erobert und besetzt wurde. Der Likud hingegen stellte zu Zeiten von Camp David sowie dem israelischen Rückzug aus Gaza die Regierung.

Vor diesem Hintergrund heißt es nach der Wahl im März wieder und immer noch: Jordaniens Gesprächspartner ist der Likud und somit auch Ministerpräsident Netanjahu. Wie wird sich diese Verlängerung des Status quo auf Jordanien und seine Beziehungen zu Israel auswirken? Vermutlich werden die Auswirkungen indirekt von der politischen Zukunft der Palästinenser in Israel und im Westjordanland abhängen, während sich die bilaterale Beziehung zwischen Jordanien und Israel nicht ändern wird. Betrachtet man die Entwicklung des Palästinenserkonflikts seit den Osloer Friedensprozessen, so wird deutlich, dass zwar viel passiert ist – die zweite Intifada, Camp David II und zwei Gaza Kriege, um nur die wichtigsten Ereignisse zu nennen – man aber einer Konfliktlösung nie näher gekommen ist als in Oslo 1995. Dass es nun mit dem Likud und einem Ministerpräsidenten, der neun der letzten 20 Jahre im Amt war, zur Lösung des Konflikts kommen wird, scheint zunächst unwahrscheinlich. Anderseits haben sich aber auch einige Voraussetzungen geändert.

Israel unter internationalem Druck

Es ist auffällig, wie der internationale Druck auf Israels Regierung besonders nach dem Sommerkrieg 2014 in Gaza gestiegen ist. Präsident Obama macht aus seiner Uneinigkeit mit dem israelischen Ministerpräsident keinen Hehl, und spätestens nach Netanjahus Rede vor dem amerikanischen Kongress Anfang März kann die Beziehung der beiden Staatsoberhäupter kaum noch als freundschaftlich bezeichnet werden. Die Beziehung zwischen Netanjahu und der französischen Regierung hat unter dem Einladungsdebakel zum Pariser Trauermarsch nach den Anschlägen auf das Satiremagazin Charlie Hebdo gelitten. Netanjahu erschien nicht nur ohne Einladung in Paris – Präsident Francois Hollande wollte durch Netanjahus Abwesenheit einer politischen Ablenkung von den Opfern vorbeugen. Es kam zudem auch noch zu einer unerwünschten Rede des israelischen Ministerpräsidenten, die den Aufruf zur Alija beinhaltete. Kanzlerin Angela Merkel, die Israel in vielen Aspekten unterstützt, macht gleichzeitig kein Geheimnis aus ihrer Abneigung der Siedlungspolitik und geht damit deutlich auf Konfrontation zu Netanjahus Politik. Gleichzeitig bemüht sich die Palästinensische Autonomiebehörde unilateral Druck auf Israel auszuüben. Unter anderem durch den Beitritt zum Internationalen Strafgerichtshof am 1. April diesen Jahres.

Die Auswirkungen des Drucks von allen Seiten sind noch unklar in ihrer Stärke und besonders bezüglich ihres Einflusses auf die politische Orientierung Israels. Zuerst stellt sich die Frage nach der endgültigen Koalitionsbildung. Diese wird auch die israelische Außenpolitik bestimmen.

Im Folgenden werden, abhängig von der Zusammensetzung der künftigen Regierung, zwei mögliche Szenarien und ihr Einfluss auf das jordanische Königreich dargestellt.

Die Ein-Staaten-Lösung und die Frage der jüdischen Identität Israels

Falls Netanjahu sich dazu entscheiden sollte, eine rein rechte Koalition zu bilden und es durch den international ausgelösten Druck tatsächlich zu neuen Bemühungen um eine Resolution der Palästinenserfrage kommen sollte, könnte die Debatte auf die oft diskutierte Ein-Staaten-Lösung hinauslaufen: die Einbeziehung des Westjordanlands und Gazas in einen Staat Israel, innerhalb der Grenzen von 1967. Israel fürchtet in einem solchen Staat jedoch eine demographische Verlagerung zu Gunsten der palästinensischen Bevölkerung verbunden mit dem möglichen Verlust seiner jüdischen Identität.

Die damit bezogenen Diskussionen befeuern bereits jetzt bei Palästinensern in Israel, Gaza und Westjordanland die Furcht vor möglichen statusrechtlichen Konsequenzen. Nachdem es letzten Sommer nicht zur dritten Intifada kam, wäre die wieder bestätigte rechte Politik Netanjahus vielleicht ein Anlass zu Spekulationen. Trotz der gemeinsamen Ablehnung israelischer Politik ist auch ein weiterer Konflikt innerhalb der palästinensischen Gesellschaft nicht abwegig. Beim Machtkampf um den stärksten politischen Einfluss würden sich Hamas und Fatah wieder einmal gegenüber stehen.

Das könnte Jordanien vor die Herausforderung eines neuen palästinensischen Flüchtlingsstroms stellen. Diesem wäre das Königreich in Anbetracht der syrischen Flüchtlingskrise und deren wirtschaftlichen Auswirkungen kaum gewachsen. Es könnte jedoch sein, dass sowohl Palästinenser als auch Jordanier sich von den negativen Erfahrungen ihrer Vergangenheit beeinflussen lassen. Das würde bedeuten, dass die jordanische Grenze für die Nachbarn geschlossen wird, um damit weitere negative Einflüsse von Flüchtlingen zu vermeiden und um den in Jordanien schon präsenten Identitätskonflikt zwischen Palästinensern, die die demographische Mehrheit im Land stellen, und jordanisch-stämmigen Bürgern nicht zu verstärken. Geht man davon aus, dass die Palästinenser eine politische und humanitäre Konsequenz aus den Jahren 1948 und 1967 ziehen, ist anzunehmen, dass sie aus Angst nicht wieder zurückkehren zu können, ihre Häuser innerhalb der Grenzen von 1967 gar nicht erst verlassen würden.

Eine Ein-Staaten-Lösung würde also beträchtliche Konflikte mit sich bringen, sowohl zwischen Juden und Palästinensern als auch innerhalb der arabischen Gemeinschaft. Für Jordanien bedeutet diese Zukunft vor allem wirtschaftlichen und psychologischen Druck, da es für das Königreich nicht damit getan wäre, einer potentiell neuen Generation palästinensischer Flüchtlinge Zuflucht zu gewähren. Das Land steht konstant zwischen der Verantwortung gegenüber seinen eigenen Bürgern – egal ob von jordanischem oder palästinensischem Ursprung – und der moralischen Verpflichtung gegenüber den palästinensischen Flüchtlingen sowie der Beachtung ihrer gemeinsamen arabischen Identität.

Die Zwei-Staaten-Lösung und Hoffnung auf Frieden

Wenn davon ausgegangen wird, dass Netanjahus Koalitionspartner einen maßgeblichen Einfluss auf die Politik der Regierung haben, kann noch ein anderer Verlauf des israelisch-palästinensischen Konflikts in Betracht gezogen werden. Es ist nicht undenkbar, dass der Likud unter verstärktem Druck der internationalen Gemeinschaft und seiner Koalitionspartner durchaus bereit sein könnte, sich auf neue Friedensgespräche mit den Palästinensern einzulassen. Um diese Bereitschaft zu verstärken, benötigt es jedoch vor allem ein politisch strikteres Eingreifen der USA und Europas, die bis jetzt hauptsächlich die Funktion des Geldgebers im Prozess einnehmen. Ebenso wie eine Regierung aus rechten Parteien wäre eine große Koalition oder eine Partnerschaft aus rechten und linken Parteien vorstellbar. Die Bildung einer solchen Koalition ist durchaus möglich und würde zwar die Gefahr einer politischen Lähmung auf Grund von Differenzen bringen, Netanjahus Reputation in der internationalen Gemeinschaft würde hiervon jedoch sicherlich profitieren.

Auch auf Seiten der Palästinenser – hier sogar verstärkt – wird die Bereitschaft zu neuen Verhandlungen mit den Israelis erkannt. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sei der einzige Politiker, der die Zwei-Staaten-Lösung momentan vorantreiben könne, da er völlig an diese Lösung glaube. Abbas werde selbst noch mehr Druck auf die israelische Regierung ausüben, um sie dadurch an den Verhandlungstisch zu bekommen. Sowohl die Palästinenser als auch die Israelis seien bereit Landesteile zu tauschen, soweit diese gleich in Quantität und Qualität seien, um somit einen Ausweg aus der langanhaltenden Misere zu finden.

Für Jordanien wäre dies wohl der optimale Ausgang jahrelanger Verhandlungen und Krisen. Die politischen Kräfte des Königreichs könnten auf andere Themen verschoben werden und es würde mehr Ruhe in die Region einziehen. Zudem würde sich für Jordanien ein neuer Markt öffnen. Viele der ehemaligen Flüchtlinge haben erfolgreiche Unternehmen aufgebaut, die essenziell zur jordanischen Wirtschaft beitragen. Erfolgreiche Unternehmer werden sich kaum aus der jordanischen Wirtschaft zurückziehen, um in ihr eigenes Land zu immigrieren, sondern würden dem Land durch Expansion in einen Staat Palästina möglicherweise noch mehr profitieren. Trotzdem ist zu bedenken, dass einige Bewohner Jordaniens bestimmt die Entscheidung treffen würden, zurückzukehren. Unter ihnen Durchschnittskonsumenten, die somit die wirtschaftliche Nachfrage im Land mindern oder aber auch Kleinunternehmer, die in der Masse zu einem Rückgang des Wirtschaftswachstums beitragen würden.

Trotz der positiven Aussicht bezüglich der Möglichkeit einer Zwei-Staaten-Lösung bestehen Zweifel an einem baldigen Zustandekommen. Es ist fraglich, ob eine Regierung aus Likud und dem Zionistischen Lager, aufgrund ihrer ideologischen Differenzen, handlungsfähig wäre. Vielmehr besteht sogar die Möglichkeit, dass jegliche Koalition, die Netanjahu in den nächsten Wochen bilden wird, versagen und somit zu baldigen Neuwahlen führen wird.

Für Jordanien wären Neuwahlen im gleichen Ausmaß relevant wie die Wahlen des letzten Monats. Es geht für das Königreich weniger um die Partei die gewinnt, sondern mehr darum, einen führenden Politiker als Partner zu gewinnen, der mit der passenden Koalition eine Antwort auf die Palästinenserfrage findet. Diese steht nämlich so lange zwischen Israel und Jordanien bis sie endgültig gelöst wird. So lange wird der Konflikt die bilaterale Beziehung Jordanien-Israel, wie schon seit Mitte des 20. Jahrhunderts, maßgeblich beeinflussen und den Aufbau einer von Palästina unabhängigen Beziehung erschweren.

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