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Country Reports

Rückenwind für die Zedernrevolution

by Michael Däumer, Sebastian Grundberger, David Lüngen

Bei den Parlamentswahlen im Libanon behalten die pro-westlichen Kräfte überraschend deutlich die Oberhand

Die Zedernrevolution geht weiter. Dies ist eventuell die wichtigste Nachricht nach den libanesischen Schicksalswahlen vom 7. Juni 2009. Bei den Urnengängen haben die pro-westlichen Kräfte des 14. März ihr hervorragendes Wahlergebnis aus dem Jahr 2005 nahezuwiederholt und damit in einer Art und Weise die Oberhand behalten, die Analysten im In- und Ausland überrascht hat. Dabei waren es vor allem die christlichen Verbündeten der schiitischen Hizbullah-Miliz, die an den Urnen abgestraft wurden.

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Die Wahlsieger um Saad Hariri sind jetzt gefordert, das ihnen entgegengebrachte Vertrauen in verantwortlicher Art und Weise in den Dienst der nationalen Einheit zu stellen.

Die libanesischen Wähler haben gesprochen - und der pro-westlichen „Koalition des 14. März“ entgegen allen Wahlprognosen einen deutlichen Wahlsieg beschert. „March-14“ erreicht nach von Innenminister Ziad Baroud bekannt gegebenen Daten 71 von 128 Parlamentsmandaten, während sich die pro--syrische „March-8“-Opposition mit 57 Sitzen zufrieden geben muss. Wichtigste Kraft der „March 14“-Koalition ist das sunnitische „Future Movement“ unter der Führung von Saad Hariri, dem Sohn des ermordeten ehemaligen libanesischen Premierministers Rafiq Hariri. Auch die Progressive Socialist Party (PSP) des über die Grenzen des Libanon hinweg bekannten Drusenführers Walid Dschumblat, die christlichen Parteien Lebanese Forces (LF) von Samir Geagea sowie Kataeb unter dem Vorsitz des ehemaligen Präsidenten Amin Gemayel gehören genauso wie mehrere Kleinparteien und Einzelabgeordnete zum Bündnis. Treibende Kräfte hinter der oppositionellen Koalition des 8. März sind die schiitischen Hizbullah und Amal, das christliche „Free Patriotric Movement“ (FPM) unter General Michel Aoun sowie einige weitere Parteien und unabhängige Abgeordnete, die sich dem Lager der „March 8“ angeschlossen haben.

Aufgrund des einzigartigen, konfessionellen Wahlsystems, welches sich nach der Aufteilung der Religionsgemeinschaften im Land richtet , lassen sich Prozentergebnisse im Libanon nicht nur kaum erheben, sie haben auch keine Aussagekraft. Rund 100 der 128 Parlamentsmandate waren aufgrund des Wahlsystems bereits im Vorhinein zwischen den beiden Blöcken prinzipiell aufgeteilt. Die Spannung der Wahl beschränkte sich daher auf den Ausgang in einigen wenigen, vornehmlich christlichen umkämpften Wahlbezirken. Von diesen konnte „March 14“ offenbar die Mehrheit für sich gewinnen. Sie konnte so fast genau ihren Erfolg von 2005 wiederholen, als die Koalition 70 bis 72 Sitze (je nach Zählweise) erreicht hatte.

Positiv hat sich die Wahlbeteiligung im Zedernstaat entwickelt. Laut Innenminister Baroud war sie mit 54,8 Prozent so hoch wie seit Jahren nicht mehr. Vor vier Jahren hatten nur 45,8 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben.

Der Wahlverlauf

Die Wahl verlief mit wenigen Ausnahmen ruhig, zumal über 50.000 Polizei- und Militärkräfte im Einsatz waren. Erste Reaktionen scheinen zu bestätigen, dass die Wahlen insgesamt „fair“ verliefen.

Internationale und lokale Wahlbeobachter erklärten am Sonntagabend, die Urnengänge seien ohne schwerwiegende Regelverstöße abgelaufen. Vereinzelt kam es zu organisatorischen Problemen und Sicherheitsvorfällen. „Die Probleme, die aufkamen, unterschieden sich nicht von denen, die bei jeder Wahl auftreten“, beschwichtigte jedoch der ehemalige US-Senator John Sununu, der mit dem National Democratic Institute die Wahlen beobachtete. Diese Einschätzung wurde auch von anderen Wahlbeobachter-Gruppen geteilt.

Probleme bereitete teilweise die hohe Wahlbeteiligung. Sie führte zu langen Schlangen an Wahllokalen, so dass Wähler mancherorts bis zu drei Stunden warten mussten, um ihre Stimme abzugeben.

Im Umfeld der Wahlen kam es offenbar zu keinen größeren Zwischenfällen. Drei Personen wurden festgenommen, da sie gefälschte Ausweispapiere benutzten. In Zahle, einer mehrheitlich von Christen bewohnten Provinzhauptstadt im östlichen Bekaa-Tal, griff die Armee ein, als es zu Beschimpfungen und Prügeleien unter einigen Wählern kam.

Der frühere US-Präsident Jimmy Carter, der ein Team internationaler Beobachter leitete, drückte seine Hoffnung aus, dass die libanesischen Parteien und ihre ausländischen Unterstützer das Wahlergebnis akzeptieren werden. Insgesamt beobachteten 200 internationale Wahlbeobachter, darunter 100 aus der Europäischen Union die Parlamentswahl. Die Lebanese Association for Democratic Elections (LADE) stellte 2.200 nationale Wahlbeobachter.

Die ersten ernsthaften Anzeichen für einen Sieg der pro-westlichen „March 14“ - Kräfte erreichten die Öffentlichkeit gegen 1 Uhr morgens. An mehreren Orten kam es trotz der dringenden Warnungen des Innenministeriums, zu Hause zu bleiben, zu spontanen Freudenfeiern und –schüsse der Anhänger der verschiedenen Parteien. Allerdings blieben diese im Rahmen und liefen überwiegend friedlich ab. Ausnahmen gab es etwa in Saida, wo über Randale durch Anhänger des unterlegenen „March-8“ Politikers Osama Saad berichtet wurde.

Interessant bleibt auch, dass Syrien sich relativ aus der Wahl herausgehalten hat. Zwar gibt es Zeugenaussagen, die behaupten, viele Syrer seien ins Land gereist, um dort an der Wahl teilzunehmen, doch sind dies nur Randerscheinungen. Offenbar sah Syrien in seiner Zurückhaltung die beste Möglichkeit, die Hizbullah zu unterstützen.

Reaktionen auf die Wahl

Saad Hariri vom „Future Movement“ gab sich am Morgen seines Wahlsieges vor der Presse staatsmännisch: „Diese Wahlen haben keine Gewinner oder Verlierer, weil der einzige Gewinner die Demokratie und der große Sieger der Libanon ist“, so Hariri am Montagmorgen vor Anhängern. Er rief die Libanesen zur Besonnenheit auf. Auch der Vorsitzende der Lebanese Forces, Samir Geagea, verzichtete auf Triumphgehabe. In einem Interview mit dem libanesischen Fernsehsender LBC TV kommentierte er noch in der Wahlnacht den Wahlausgang. Er sah in dem sich abzeichnenden Wahlsieg der „March 14“-Koalition auch einen „Sieg für den Libanon, das libanesische Kabinett und das libanesische Volk“. Geagea sprach sich für „eine neue politische Logik im Libanon“ aus, die den provokativen Stil, der während des Wahlkampfes vorherrschte, ersetzt.

Der Vorsitzende der drusischen Progressive Socialist Party (PSP), Walid Dschumblat, rief alle Anhänger des „March 14“ und besonders die PSP-Anhänger zu Zurückhaltung auf und warb dafür, den Sieg nicht mit ziellosen Feierlichkeiten zu verschwenden, da dieser dann wertlos sei. Er sagte: „Der Weg ist immer noch sehr lang und das Vorhaben des Staates wird nur durch Dialog realisiert werden. Darin liegt die Bedeutung des Dialoges.“ Dschumblat hält die Situation in den multi-konfessionellen Gebieten weiter für sehr empfindlich. Jetzt müsse man innehalten und die Zukunft betrachten. „Unsere Zukunft baut auf dem Dialog“, so Dschumblat.

Führende Politiker der Opposition räumten unterdessen die Niederlage ein. Das Mitglied des FPM-Politbüros, Michel de Chadarevian, erklärte, das Ergebnis zeige einen Sieg für die Koalition des 14. März und eine „Niederlage für die Libanesen, die auf einen Wandel in diesem Land gehofft hatten“. Gleichzeitig forderte er eine „Regierung der Nationalen Einheit“ und versicherte, wenn seine Partei die Wahl gewonnen hätte, wäre es ebenso zu einer solchen gekommen

In einer Fernsehansprache am Montagabend erklärte auch Hizbullah Generalsekretär Hassan Nasrallah, man werde die Niederlage mit „Sportsgeist“ hinnehmen. Jetzt müssten alle politischen Kräfte im Libanon gemeinsam für Reformen und Stabilität arbeiten. Auch zum Streitthema der Waffen der Hizbullah äußerte sich Nasrallah. Es gebe keinen Grund, diese zu fürchten, da sie nur zur „Verteidigung“ gegen Israel gedacht seien. Dieser „Widerstand“ gegen Israel gehe weiter. Ansonsten hätten die Waffen der Hizbullah bei der Wahlentscheidung der Menschen keine Rolle gespielt. Auch der Chef der Hizbullah-Fraktion im libanesischen Parlament, Mohammed Raad, meldete sich mit einer klaren Forderung an die Wahlsieger zur Wort: „Die Mehrheit“, so Raad, „muss sich verpflichten, unsere Rolle als Partei des Widerstandes, die Legitimität unserer Waffen und die Rolle Israels als Feindesland nicht in Frage zu stellen“.

Parlamentspräsident Nabih Berri von der schiitischen „Amal“-Partei, die dem Oppositionslager des „March 8“ angehört, gratulierte den Wahlsiegern. Gleichzeitig brachte er seine Hoffnung zum Ausdruck, dass sich die verschiedenen politischen Fraktionen im Land auf ein „modernes Wahlgesetz“ auf der Basis „proportioneller Repräsentation“ einigen würden. Auch der „Amal“-Abgeordnete Hassan Yaacoub erklärte, man werde die Ergebnisse „akzeptieren“. Nichts desto trotz bemängelte er einige Unregelmäßigkeiten, wie etwa angeblichen Stimmenkauf.

Im Laufe des Montags trudelten auch erste Reaktionen aus dem Ausland in Beirut ein. So rief Ägyptens Präsident Hosni Mubarak sowohl den sunnitischen Premierminister Fouad Siniora als auch Saad Hariri an, um seine Glückwünsche zu übermitteln. Der israelische Verkehrsminister Yisrael Katz hatte schon am frühen Morgen im Radio erklärt, dass nach der Niederlage der “March 8”-Koalition nun die Hizbullah in Übereinstimmung mit früheren Vereinbarungen entwaffnet werden müsse. Er bewertete den Sieg der pro-westlichen Kräfte als „wichtige Neuigkeiten“ für die Region und Israel.

Ausblick

Der Wahlausgang im Libanon muss als große Überraschung gewertet werden. Umfragen und Prognosen vor der Wahl hatten ein Kopf-an-Kopf-Rennen erwartet, bei dem den Oppositionsparteien eher noch Vorteile eingeräumt worden waren. Der Sieg der Kräfte der Zedernrevolution könnte dabei mehrere Gründe gehabt haben.

Offenbar war die Wahl im Libanon auch eine Abstimmung über Hizbullah. Im Wahlkampf war Sinn oder Unsinn der Bewaffnung der Schiitenmiliz zwecks „Widerstandes“ gegen Israel deutlich thematisiert worden. Der ehemals antisyrische und heute mit der Hizbullah verbündete Christenführer und FPM-Parteichef, Michel Aoun, hatte die Bewaffnung der Hizbullah verteidigt und mit dieser Haltung bei der christlichen Bevölkerung offenbar keine Mehrheit finden können. So ist das Wahlergebnis auch eine persönliche für den 73-jährigen Michel Aoun, der ob seiner früheren pro-westlichen Überzeugungen als politischer Wendehals in die Geschichte eingehen wird. Es ist gut möglich, dass Aoun trotz des Erringens eines Abgeordnetenmandates nach dieser Wahlniederlage seinen politischen Zenit überschritten haben könnte. Auch die betont auf modern getrimmte „Change“ –Kampagne der FPM hat Aoun nicht helfen können. Im Gegenteil haben die Wähler wohl verstanden, dass ein FPM- und damit ein „March-8“ Wahlerfolg einen größeren Einfluss Syriens und der schiitischen Hizbullah im Zedernstaat zur Folge gehabt hätte. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die FPM ursprünglich dem anti-syrischen Lager entstammt und dennoch sich an die Seite der Hizbullah schlug. Ein solches abruptes Ende des „Beiruter Frühlings“ aus dem Jahr 2004, der zum Abzug der Syrer aus dem Libanon geführt hatte, wurde von den Wählern offenbar nicht gewünscht und teils auch nicht verstanden.

Die Hizbullah hat erwartungsgemäß ihre Macht in ihren eigenen, schiitischen Hochburgen im Südlibanon verteidigen können. Allerdings zeigt das Wahlergebnis, dass sie im Gesamt-Libanon nicht an Ansehen hat zugewinnen können. Ein wichtiger Grund hierfür könnten die Ereignisse im Mai 2008 sein, als sich die Hizbullah Straßenkämpfe mit Regierungsanhängern lieferte und für einige Tage Ost-Beirut besetzte. Dies hat für viele Libanesen offenbar wieder Gespenster des Bürgerkrieges hervorgerufen, die der Schiitenmiliz geschadet haben.

Auch der „Julikrieg“ 2006 gegen Israel, der mit der Entführung zweier israelischer Soldaten durch die Hizbullah begonnen hatte, hat in der abgelaufenen Legislaturperiode die Gewalt in den Libanon zurückgebracht. Auch wenn die Schiitenmiliz den Krieg propagandistisch als Erfolg ihres „Widerstandes“ ausschlachtete, trug sie maßgebliche Schuld daran, dass der Libanon wieder zum Kriegsschauplatz wurde.

Als Sieger dürfen sich hingegen Saad Hariri und das „Future Movement“ fühlen. Der Geschäftsmann Hariri ist es mit diesem Wahlsieg endgültig gelungen, aus dem Schatten seines ermordeten Vaters zu treten. Seine Ankündigung, sich bei einer Wahlniederlage aus der Politik zurückzuziehen, muss er nicht wahr machen. Im Gegenteil könnte der in Saudi-Arabien geborene Hariri trotz Dementis im Wahlkampf Ansprüche auf das laut Verfassung den Sunniten vorbehaltene Amt des Premierministers erheben.

Auch die pro-westlichen christlichen Parteien „Lebanese Forces“ und „Kataeb“ können zufrieden sein. Ihre Strategie, an die Unruhen vom Mai 2008 zu erinnern und einen Wahlkampf gegen die Hizbullah zu führen, ist offenbar aufgegangen.

Zwei weitere Politiker, die gar nicht zur Wahl standen, sind in der Wahlnacht ebenfalls nachdrücklich gestärkt worden. Der als Kompromisskandidat erst im Juni 2008 gewählte, keinem der beiden Blöcke zugehörige Präsident Michel Sleiman, ein maronitischer Christ, hat sich in den zurückliegenden Monaten durch seine besonnene und auf Dialog bedachte Amtsführung große Sympathien im Land erarbeitet. Auch wenn der ehemalige Stabschef der libanesischen Streitkräfte Sleiman im Wahlkampf stets seine Unabhängigkeit betont hatte, wird eine Fortsetzung seines Reformkurses unter Einbeziehung aller politischen Kräfte nach dem Wahlsieg von „March-14“ wohl leichter sein als dies bei einem umgekehrten Wahlergebnis der Fall gewesen wäre. Im Vorfeld der Wahlen war darüber spekuliert worden, dass Michel Aoun bei einem Wahlsieg Ansprüche auf das durch die Verfassung einem Christen vorbehaltene höchste Staatsamt anmelden könnte. Nach dieser Wahl wird wohl niemand mehr Sleiman ernsthaft in Frage stellen. Er ist deshalb wie kaum jemand sonst im Libanon jetzt dazu geeignet, die verschiedenen politischen Gruppen an einen Tisch zu bringen.

Mit dem unter dem Strich sehr erfolgreichen Wahlverlauf hat auch der junge Innenminister Ziad Baroud (geboren 1970) seine erste schwere Bewährungsprobe erfolgreich absolviert. Dass die erstmals an einem Wahltag abgehaltenen Urnengänge so störungsfrei abliefen, kann auch als persönlicher Verdienst des unabhängigen Politikers gewertet werden. Es ist deshalb wahrscheinlich, dass Baroud auch im nächsten Kabinett ein wichtiges Regierungsamt zukommen wird.

Eine große Verantwortung liegt jetzt bei den Wahlsiegern des „14. März“. Sie stehen vor der Herausforderung, einerseits dem klaren Wählerwillen einer Westanbindung ihres Landes zu folgen, andererseits im Sinne der nationalen Einheit aber die Opposition in eine neue Regierung mit einzubeziehen. Eine Regierung gegen die Opposition würde nur die Spaltung im Land vertiefen und das fragile Gleichgewicht, welches seit dem Doha-Vertrag von 2008 existiert und die institutionelle Staatskrise beenden sollte, gefährden. Aus diesem Grund ist die alte und neue Parlamentsmehrheit gefordert, jedes Triumphgehabe zu unterlassen und sich an die mühevolle Kleinarbeit der Regierungsbildung zu machen. Die ersten Äußerungen der Wahlsieger stimmen in dieser Hinsicht hoffnungsvoll. Wenn dieses sachliche Klima bestehen bleibt, besteht auch eine Möglichkeit, zumindest manche aus der Aoun-Fraktion in das pro-westliche Lager zurückzuholen.

Der Politikanalyst Eugene Sensenig-Dabbous von der Notre Dame-University in Beiru t hält eine solche Entwicklung durchaus für möglich. Gegenüber der KAS Amman kommentierte er das Wahlergebnis folgendermaßen:

„Die Wahlen in Libanon haben klar gemacht, dass die von Hizbullah und General Michel Aoun angekündigte große Wende nicht stattfinden wird. Nicht nur die überwiegende Mehrheit der libanesischen Sunniten und Drusen sind dagegen, auch eine solide Mehrheit der christlichen Bevölkerung will die von der FPM propagierte ‚Dritte Republik’ nicht. Die Wahlschlappe wird wahrscheinlich zu einem reinigenden Gewitter innerhalb der FPM führen, nicht zuletzt weil es der General nun zum zweiten Mal nicht geschafft hat, die Regierungsmacht an sich zu reißen. Nicht auszuschließen ist auch eine Neuorientierung innerhalb der Partei Gottes. Hizbullah hat offensichtlich mit der FPM keinen Erfolgspartner gefunden.“

Die Regierungsbildung im Libanon wird – wie nach dem Doha-Abkommen im Frühjahr 2008 – schwierig sein. Es zeichnet sich ab, dass es wohl erneut zu einer „Regierung der Nationalen Einheit“ kommen wird, in der die Oppositionskräfte und damit auch die militante schiitische Hizbullah eingebunden werden wird bzw. muss. Für diese Einheit hätte „March 14“ jedoch einen hohen Preis zu zahlen. Eine Entwaffnung der Hizbullah wäre in diesem Fall kaum durchsetzbar. Die „Partei Gottes“ wird, wie sie bereits am Wahlabend ankündigte, darauf insistieren, die Hauptmiliz im Libanon zu bleiben, die den „Verteidigungskrieg“ gegen Israel leistet. Bei aller Freude der pro-westlichen Koalition am Wahlabend und aller Hoffnung auf eine mögliche Neuausrichtung der Hizbullah bleibt die Schiitenmiliz somit die Achillesferse jeglicher Reformbemühungen im Zedernstaat.

Die Menschen im Libanon haben sich für eine Stabilisierung und deutlich gegen eine Radikalisierung des Landes ausgesprochen. Die Überwindung der institutionellen Staatskrise sowie der eingeschlagene Reformkurs soll fortgesetzt werden. Das Ergebnis ist auch eine Bestätigung des überparteilichen Präsidenten Sleiman, dem nun eine gestärkte Rolle bei der Regierungsbildung zukommt. Wenn auch die seitens der „March 14“-Koalition gewünschte Entwaffnung der Hizbullah-Miliz aus Sicht der Opposition nicht „zur Disposition“ steht, so wird „March 8“ Kompromisse eingehen müssen. Eine Beteiligung der Opposition in einer „Regierung der Nationalen Einheit“ wird nur dann die Zustimmung der Regierungsmehrheit finden, wenn die oppositionellen Kabinettsmitglieder sich bereit erklären, eine konstruktive Regierungspolitik unter einem sunnitischen Ministerpräsidenten zu betreiben. Die Einbindung der Opposition in die Regierung ist allgemein nicht unerwünscht, aber auch nicht zu jedem Preis.

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