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Country Reports

Reformen sollen Gunst der Wähler sichern

Seit fast einem Jahr werden in Malaysia vorgezogene Neuwahlen erwartet, alle Terminvorhersagen haben sich jedoch bislang als falsch erwiesen. Zwar endet die fünfjährige Amtszeit des aktuellen Parlaments erst im Juni 2013, der Premierminister kann den Zeitpunkt der Parlamentswahlen jedoch beliebig vorverlegen. Die jüngste politische Entwicklung und die öffentliche Stimmungslage ließen viele Beobachter zu der Einschätzung kommen, dass ein frühzeitiger Wahlgang sehr wahrscheinlich ist. Mittlerweile wird auf einen Wahltermin im Herbst oder sogar erst zu Beginn des nächsten Jahres getippt.

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Das große öffentliche Interesse für die anstehenden Wahlen in Malaysia ist ein Zeugnis für deren Bedeutung für die weitere politische Entwicklung des Landes. Bei den letzten Wahlen 2008 hat die seit über fünfzig Jahren ununterbrochen regierende Nationale Front (BN - Barisan Nasional) dramatische Stimmenverluste hinnehmen müssen und verlor erstmals in ihrer Geschichte die Zweidrittelmehrheit. Mit gerade mal 50 Prozent der Wählerstimmen hätte die BN fast eine Niederlage erlitten und konnte nur dank des Mehrheitswahlrechts eine komfortable Mehrheit von 63 Prozent der Sitze im Parlament sichern. In vier der insgesamt dreizehn Bundesstaaten übernahm die Opposition die Regierung. Der nächste Urnengang wird nun darüber entscheiden, ob sich der Trend des politischen Wandels fortsetzt und womöglich sogar zu einem Regierungswechsel auf Bundesebene führt, oder ob die Nationale Front und ihre größte Partei UMNO ihre Machtposition wieder konsolidieren können.

Um letzteres Ziel zu erreichen, steht der amtierende Regierungschef und UMNO-Parteivorsitzende Najib Razak vor der schwierigen Aufgabe, einerseits die verlorenen Stimmen vor allem aus den Reihen der nichtmalaiischen Bevölkerung (ethnische Chinesen und Inder) in den urbanen Gebieten zurückzugewinnen, anderseits die malaiische Stammwählerschaft vor allem in den ländlichen Gebieten bei der UMNO zu halten. Najib übernahm im April 2009 von seinem glücklosen Vorgänger Abdullah Ahmad Badawi das Amt des Premierministers und den Parteivorsitz. Er steht vor einer doppelten Herausforderung: Sein Regierungsmandat durch Wahlen bestätigen zu lassen und gleichzeitig seine eigene Machtposition in der Partei zu festigen. Dafür muss er sowohl seine Partei, als auch den Staatsapparat und das politische System modernisieren und reformieren.

Seinen Amtsantritt stellte Najib unter das Motto: „People first, Performace now“. Die Grundlage seiner Regierungsagenda bildet das im September 2010 verkündete Reformprogramm mit dem Namen „1Malaysia“. Das Konzept zielt auf mehr Effizienz, Transparenz und vor allem auf mehr Gemeinsamkeit zwischen den Ethnien Malaysias. Es beinhaltet eine Reihe von Kriterien („Key Performace Indicators“ - KPI), mit denen die Effizienz und Leistung einzelner staatlicher Institutionen, Ämter und staatlicher Dienstleistungen gemessen werden sollen. Premier Najib definierte sechs vorrangige Politikbereiche (so genannte „National Key Result Areas“ – NKRA), in denen die Regierungsführung verbessert werden soll: Kriminalitätsprävention, Korruptionsbekämpfung, Verbesserung des Zugangs zur Bildung, Erhöhung des Lebensstandards für Menschen mit niedrigem Einkommen, Verbesserung der ländlichen Infrastruktur und Verbesserung des öffentlichen Transportwesens. Für die Umsetzung des KPI-Systems ist der eigens dafür geschaffene Minister für Einheit und Leistung (Unity and Performance Minister) zuständig.

„1Malaysia“ umfasst eine Reihe von Unterprogrammen, mit denen u. a. eine freie medizinische Grundbehandlung („1Malaysia clinics“), günstige Lebensmittelversorgung („1Malaysia grocery stores“), freie e-mail-Kommunikation mit Staatsbehörden („1Malaysia e-mail“) oder die Aktivitäten der Zivilgesellschaft und Jugend („1Malaysia Foundation“, „1Malaysia Youth Fund“) gefördert werden sollen.

Das umfangreiche und komplexe Programm wird mit viel Aufwand und medialer Unterstützung umgesetzt. Die Reaktionen der Bevölkerung auf „1Malaysia“ sind zwar grundsätzlich positiv, ein klarer Stimmungsschub für die Regierung ist jedoch bislang ausgeblieben. Unter den Nichtmalaien ist nach wie vor die Meinung verbreitet, dass die Regierung weiterhin die Volksgruppe der Malaien bevorzugen wird und dass das Programm lediglich eine aufwändige Werbekampagne sei.

Die Reformagenda der Najib-Regierung geht jedoch weiter. Mit dem Wirtschaftstransformationsprogramm ETP (Economic Transformation Programme) sollen die Voraussetzungen geschaffen werden, dass Malaysia bis 2020 den Status eines entwickelten Landes mit hohem Einkommen („high-income nation“) erreichen kann. Dafür müsste das jährliche Wirtschaftswachstum kontinuierlich über 6 Prozent liegen (2011: 5,1%), ein unter den Bedingungen der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise schwieriges Vorhaben.

In den vergangenen sechs Monaten verabschiedete das Parlament eine Reihe von Gesetzesänderungen, mit denen Verbesserungen in wichtigen Bereichen wie innere Sicherheit (Security Offences Bill, Peacefull Assembly Act), Presse- und Meinungsfreiheit (Printing Presses and Publications Bill), Bildung (Private Higher Educational Institutions Bill, Universities and University Colleges Bill, Educational Institutions Bill) sowie Wahlrecht (Elections Offences Bill) herbeigeführt werden sollen.

Das kontroverse und vielfach kritisierte Sicherheitsverwahrungsgesetz „Internal Security Act“ (ISA) wurde im März 2012 aufgehoben. ISA stammte noch aus den 1960er Jahren und folgte der Gesetzgebung der ehemaligen britischen Kolonialverwaltung. Ursprünglich darauf ausgelegt, kommunistische Aufständische präventiv und ohne juristische Verzögerungen aus dem Verkehr zu ziehen, wurde das Regelwerk später vor allem gegen Oppositionelle und Regierungskritiker eingesetzt. Ersetzt wird ISA durch das Versammlungsrecht „Peacefull Assembly Act“ und das Antiterrorgesetz „Security Offences Bill“. Die beiden neuen Gesetze bringen zwar im Vergleich zum ISA einige rechtsstaatliche und demokratische Verbesserungen, werden aber weiterhin von Opposition und Menschenrechtsorganisationen als unzureichend und in Teilen sogar als Rückschritt gegenüber dem bisherigen Stand kritisiert.

Ein wichtiger Faktor im Prozess der politischen Meinungsbildung in Malaysia ist die sehr aktive und gut organisierte Zivilgesellschaft. Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen und Bürgerinitiativen setzen sich beharrlich und öffentlichkeitswirksam für Menschenrechte, Meinungsfreiheit, Antidiskriminierung und Transparenz ein. Mit der Forderung nach fairen und sauberen Wahlen hat ein Bündnis von Nichtregierungsorganisationen mit dem Namen „Bersih“ (malaiisch „sauber“) die politischen Schlagzeilen in den letzten Monaten geprägt. Nach zwei von Bersih organisierten Protestkundgebungen (Juli 2011 und April 2012) wird nun von der staatlichen Wahlkommission eine Reform des Wahlrechts vorbereitet. Zu den wichtigsten Forderungen der Zivilgesellschaft und Opposition gehören die Überprüfung und Säuberung der Wählerregisters, die Benutzung von dokumentenechter Tinte, die Reform der Briefwahl sowie eine Verlängerung der Wahlkampagne auf 21 und ein freier und fairer Zugang zu den staatlichen Medien für alle politische Parteien. Bislang wurden nur einige dieser Forderungen erfüllt.

Mit seiner umfangreichen Reformagenda kann Premierminister Najib als reformfreundlichster Regierungschef Malaysias betrachtet werden. Viele der von ihm angeregten Veränderungen gehen in die richtige Richtung und können Malaysias Zukunft als wirtschaftlich starkes, politisch stabiles und vergleichsweise demokratisches Land sichern. Entscheidend über den Erfolg dieser Reformen wird jedoch deren Umsetzung sein. Hier gibt es noch gewaltige Defizite. Zudem kämpft Najib an zwei Fronten gleichzeitig: Einerseits muss er sich gegen eine erstarkte Opposition bei den nächsten Wahlen erfolgreich durchsetzen, anderseits gilt es, den Widerstand in den eigenen Reihen, insbesondere in konservativen Kreisen um die Vereinigung „Perkasa“, einzudämmen. Dieses Dilemma spiegelt sich in den Meinungsumfragen wieder: Während die persönlichen Popularitätswerte des Regierungschefs bis zu 70 Prozent erreichen, kommt seine Regierungskoalition BN auf nur knapp 50 Prozent . Zwar liegen die Präferenzen für das Oppositionsbündnis Pakatan Rakyat mit 21 Prozent deutlich dahinter, bei 30 Prozent Unentschiedenen gibt es aber noch Spielraum nach oben.

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