Country reports
Die Wahlen in Namibia am 28. November 2014 sind wie erwartet weitgehend friedlich verlaufen, die Wahlorganisation zeigte jedoch erhebliche Schwächen. Ein endgültiges Ergebnis liegt drei Tage nach der Wahl nicht vor. Am Abend des 30.11.2014, zwei Tage nach der Wahl, waren weniger als die Hälfte der 121 Wahlkreise ausgezählt. Womöglich konnten durch Wahlpannen Tausende Wähler nicht von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen. Mit Wahlanfechtungsklagen und weiteren Protesten gegen den Ablauf der Wahl ist zu rechnen. Dabei wollte Namibia mit dem Einsatz elektronischer Wahlmaschinen (Electronic Voting Machines) und einem elektronisch gestützten Registrierungsprozess neue Maßstäbe in Afrika setzen. Dieses Ziel dürfte diesmal noch nicht erreicht sein.
Das vorläufige Ergebnis von rund 77 Prozent für die SWAPO ist aber wohl schon jetzt als eindeutiger Sieg der alten und damit neuen Mehrheit im Parlament und ihres Präsidentschaftskandidaten, Dr Hage Geingob, zu werten, der seine Partei SWAPO im Übrigen mit rund 87 Prozent deutlich überflügelte und so im März 2015 als Präsident der Republik Namibia vereidigt werden wird. Dennoch konnte die DTA als Oppositionspartei mit ihrem Spitzenkandidaten McHenry Venaani Zugewinne verzeichnen und ist mit rund sechs Prozent jetzt die zweitstärkste Kraft im künftigen Namibischen Parlament. Die rund fünf Prozent Wählerstimmen für McHenry Venaani als Präsidentschaftskandidaten lassen erwarten, dass er der künftige Oppositionsführer sein wird und somit zum ernst zu nehmenden Herausforderer in 5 Jahren bei den nächsten Präsidentschaftswahlen 2019 in Namibia. Die RDP mit nur noch 3,8 Prozent verlor im Vergleich zu 2009 nahezu 7,5 Prozent und verzeichnete bei dieser Wahl damit schmerzliche Verluste sowohl für die Partei als auch für ihren Präsidentschaftskandidaten Hamuntenya, der nur noch 3,38 Prozent der Wähler auf sich vereinigen konnte. In den südlichen Landesteilen konnte insbesondere die auf kommunaler Ebene aktive, seit 2010 neu geformte UMP erhebliche und für Beobachter überraschende Ergebnisse einfahren. In der südlichen Hardap-Region erhielt die UMP überzeugende 12 Prozent der Stimmen. Andere Oppositionsparteien kamen bei den Wahlen landesweit auf Ergebnisse unterhalb von drei Prozent, wobei auch hier die regionale Verwurzelung von großer Bedeutung ist. Während die SWAPO bspw. in der Omaheke-Region minus 35,6 Prozent an Zustimmung verlor, gewann die NUDO 17,3 Prozent hinzu. Die SWAPO verlor offenbar auch in der Region Otjozondjupa minus 17,22 Prozent an Zustimmung im Vergleich zur Wahl 2009 und in der Kunene-Region rund minus 16,35 Prozent. Dafür gewann sie nach bisheriger Auszählung offenbar in der Omusati-Region +50.90 Prozent hinzu und in der Ohangwena-Region sogar mehr als + 51 Prozent der abgegebenen Stimmen. Sah es zu Beginn der immer noch nicht beendeten Auszählung nach deutlichen Verlusten für die SWAPO landesweit aus, korrigierten die guten Wahlergebnisse im bevölkerungsreichen Norden Namibias die ersten Trends im Laufe der nun drei Tage dauernden Auszählung deutlich. Unabhängig vom endgültigen amtlichen Wahlergebnis ist schon jetzt erkennbar, dass die fehlende Prozenthürde bei Parlamentswahlen auch diesmal dazu führen wird, dass die Parteienlandschaft im Namibischen Parlament sehr zersplittert und von Einzelinteressen kleiner Parteien dominiert bleibt. Der weiter regierenden SWAPO wird dieser Zustand in die Hände spielen, wobei die Agenda der dringend zu lösenden Probleme des Landes unverändert lang ist: extrem hohe Jugendarbeitslosigkeit, Armut und Obdachlosigkeit, starke Einkommensunterschiede zwischen wenigen Wohlhabenden und der großen Masse der Bevölkerung, deutliche Schwächen im Bildungssystem und im Gesundheitssektor bis hin zu einer starken Abhängigkeit Namibias von Energieimporten. Das jetzt neu gewählte Parlament und der neu gewählte Präsident haben eine hohe Verantwortung für die weitere Entwicklung des Landes Namibia und es bleibt abzuwarten, wie diese Herausforderungen jetzt mutig und entschlossen angegangen werden.
Ein wertender Rückblick auf den Wahltag: Die zurückliegenden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2014 in Namibia geben Anlass zu Zuversicht und Sorge zugleich. Die Mehrheit der Wähler des Landes wollte ganz offensichtlich ein stabil und friedlich regiertes, weitgehend demokratisch verfasstes Land. Die Wähler haben sich von den nicht immer optimalen Umständen dieser Wahl nur wenig beeindrucken lassen. Dafür sollten alle Parteien in Namibia dankbar sein. Die Wahl war alles in allem friedlich. Schon ab 7 Uhr morgens warteten Hunderte geduldig in mehr oder weniger langen Schlangen landesweit vor den Wahllokalen, anfänglich meist fröhlich gespannt auf den eigentlichen Wahlvorgang: Überprüfung der Finger mit violettem Licht, um Doppel-Stimmabgaben auszuschließen. Elektronische Registrierung der Wahlkarte per Scanner, Überprüfung des vorab registrierten Fingerabdrucks, Markierung der Daumen mit unsichtbarer Farbe, um eine weitere Stimmabgabe zu verhindern, schriftliche Aufnahme des Namens des Wahlkarteninhabers, Präsidentschaftswahl in der Wahlkabine, nächste Wahlkabine Stimmabgabe für die Wahlen zum Parlament. Fertig. Die Ergebnisse sind unzweifelhaft deutlich und Hinweise auf mögliche bewusste Wahlmanipulationen sind zurzeit nicht erkennbar, auch wenn die Zweifel an den eingesetzten Wahlmaschinen nicht ausgeräumt werden konnten. Die SADC-Wahlbeobachterkommission hat recht frühzeitig und noch vor dem Vorliegen der amtlichen Endergebnisse die Wahlen für frei, fair und demokratisch erklärt. Es bleibt zu hoffen, dass dies am Ende sich so bestätigt.
Reibungslos verliefen diese erstmalig mit Elektronischen Wahlmaschinen (Electronic Voting Machines, EVM) durchgeführten Präsidentschaftswahlen und Wahlen zum Namibischen Parlament nach Medienberichten und eigener Anschauung vor Ort jedoch nicht. Durch technische Ausfälle der EVM konnten womöglich zahlreiche Wähler ihr Wahlrecht nicht ausüben. Die genaue Größenordnung ist bisher unbekannt. Medienberichte nennen Tausende. Womöglich wird das Wahlergebnis diesmal in Gänze nicht in Frage gestellt, jedoch mussten viele Namibier sich in erheblicher Geduld üben, bevor sie ihr demokratisches Wahlrecht nach stundenlangem Warten vor dem Wahllokal schließlich ausüben konnten. Anderen Wählern war es laut Medienberichten letztlich nicht mehr möglich, ihr Stimme abzugeben, weil die eingesetzten mobilen Wahlstationen entweder zu spät oder gar nicht an den vorab angekündigten Orten erschienen. Teilweise wurden an einigen Orten Wahllokale um 21 Uhr trotz wartender Wähler geschlossen, was Unmut und Proteste hervorrief. Jedoch nur in wenigen Fällen musste die Polizei Handgreiflichkeiten stundenlang wartender Wähler untereinander beenden. Durch technische, zum Teil witterungsbedingte Ausfälle der eingesetzten elektronischen Wahlmaschinen EVM war offenbar in einigen Wahllokalen des Landes eine Stimmabgabe nicht möglich. Andernorts funktionierte das Einscannen der Wählerkarte nicht, so dass auf die gedruckten Wählerverzeichnisse zurückgegriffen werden musste, was den Wahlprozess nochmals verlangsamte. Der Einsatz der Wahlmaschinen verursachte demnach zahlreiche Probleme. Nachdem zwei Tage vor der Wahl eine Wahlanfechtungsklage gegen den Einsatz dieser Wahlmaschinen EVM vom zuständigen Wahlgericht noch zurückgewiesen wurde, hat nunmehr die SWAPO selbst die Wahlkommission bereits einen Tag nach der Wahl und vor Bekanntgabe der endgültigen Ergebnisse zur Aufklärung dieser Umstände aufgefordert. Das endgültige Wahlergebnis in Namibia sollte über jeden Zweifel erhaben sein, um die Gültigkeit dieser Wahl nicht zu gefährden. Da wird von der ECN noch nach gearbeitet werden müssen.
Ungeachtet dieser Vorkommnisse gilt es sachlich hervor zu heben, dass die Wähler in Namibia ein klares Zeichen für eine gefestigte Demokratie setzen wollten. Das stundenlange Ausharren vor den Wahllokalen war ein glaubwürdiger Beweis für diese demokratische Haltung vieler Bürger Namibias. Die Schwächen im Wahlablauf 2014 hat in erster Linie die ECN, aber nicht der Wähler zu verantworten. Insofern war der 28. November 2014 ein wichtiger Tag für die junge und weitgehend stabile Demokratie in Namibia. Nicht allein die erstmals in Afrika eingesetzten Wahlmaschinen waren womöglich das Problem, sondern der zeitaufwändige Überprüfungsprozess im Wahllokal selbst. Hinzu kam ein mit diesen EVM offensichtlich nicht ausreichend vertrautes Wahlpersonal an den Wahlstationen oder der in der Wahlkabine im Umgang mit diesen Maschinen ungeübte Wähler.
Als offizieller Wahlbeobachter in Namibia konnte die KAS sich vor Ort in verschiedenen Wahlstationen ein eigenes Bild vom Ablauf der Wahl machen. Während die Inbetriebnahme der EVM in Brakwater ca. 30 km nördlich Windhoeks gegen 6 Uhr morgens ohne Probleme anlief und pünktlich um 7 Uhr die Wahl für bereits zahlreich wartende Wähler beginnen konnte, warteten in Okahandja 70 km nördlich von Windhoek bereits am frühen Morgen Hunderte von Wählern vor der Stadthalle. Während in Dordabis etwa 100 km südwestlich der Hauptstadt Windhoek die für diesen Wahltag tatsächlich kennzeichnenden langen Schlangen noch überschaubar waren, war in Wanaheda im Stadtteil Katutura absehbar, dass hier teilweise über fünf Stunden Wartezeit in Kauf zu nehmen waren, um vom demokratischen Wahlrecht Gebrauch zu machen. Hier sorgte u.a. ein Ausfall des Lesegerätes für die Wahlkarte für den dann notwendigen, zeitintensiven Abgleich mit dem Wählerverzeichnis. Einige Wahllokale öffneten aus diesen Gründen deutlich später als vorgesehen.
Die Mängel dieser Wahlen in Namibia waren unter Umständen vermeidbar. Mit Blick auf die Wahlen zum National Council im nächsten Jahr muss die Wahlkommission (ECN) dringend die erkannten Schwächen aufarbeiten und ausreichend Vorsorge für die nächsten Wahlen treffen. Nach jeder Wahl folgt unzweifelhaft künftig eine weitere. Trotz eines sehr ruhigen und bedächtigen Wahlkampfes, bleiben Wahlen in Namibia auch künftig spannend. Die Oppositionsparteien werden in Namibia wohl erst dann eine reelle Chance gegen die Übermacht der SWAPO erhalten, wenn sie mutig und jenseits von Einzelinteressen einen Weg finden, um stärker zusammen zu arbeiten und dem Wähler ernsthafte Alternativen bieten. In fünf Jahren werden in Namibia erneut ein Parlament und ein Präsident gewählt.