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Marco Urban

Einzeltitel

75 Jahre Erklärung der Allgemeinen Menschenrechte

Mit der Erklärung der Menschenrechte im Jahr 1948 ist ein Anspruch formuliert worden, aber das Anliegen ist damit keinesfalls erledigt.

Als die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen 1947 unter der Leitung von Eleanor Roosevelt die Erklärung ausarbeitete, galt es tiefe Gräben zu überbrücken zwischen liberalen Staaten und autoritären Regimen, zwischen säkularen und religiösen Ländern. Das Ergebnis waren dreißig prägnant gefasste Artikel, deren – wenn auch rechtlich unverbindliche – Annahme durch die UN-Generalversammlung am 10. Dezember 1948 eine erstaunliche historische Entwicklung darstellt. Frei von Kritik blieb die Erklärung der Menschenrechte seither nicht. Und was Menschenrechtsverstöße angeht, haben wir es oft mit massiven Vergehen zu tun. Die Umsetzung der Menschenrechte in soziale und politische Wirklichkeit bleibt daher bis heute eine Daueraufgabe. Aktuell zeigt sich das mit Blick auf die Entwicklungen im Nahen Osten.

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Die großen Texte der Menschheitsgeschichte verbinden wir fast alle mit einem konkreten Datum - und dies verdeutlicht die besonderen Umstände, unter denen sie zustande gekommen sind. Am 10. Dezember wird jedes Jahr an die Erklärung der Allgemeinen Menschenrechte im Jahr 1948 erinnert, in diesen Tagen feiern wir das 75. Jubiläum. Grund genug, die Entstehung der Menschenrechtsdeklaration und ihre Bedeutung in den Blick zu nehmen.

Die gerade erst gegründete Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen wurde 1946 beauftragt, einen internationalen Menschenrechtskodex zu erarbeiten. Während noch zu Zeiten des Völkerbundes Menschenrechte vorwiegend als innerstaatliche Angelegenheit angesehen wurden, ging es nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs und unter dem Eindruck der Shoa um ein universelles Bekenntnis zu individuellen Menschenrechten. Im folgenden Jahr nahm ein formeller Redaktionsausschuss unter Leitung von Eleanor Roosevelt, US-amerikanische Menschenrechtsaktivistin und frühere First Lady, ihre Arbeit auf; knapp zwei Jahre feilten acht Frauen und Männer an dem Dokument – darunter der Kanadier John Humphrey, der Chilene Hernán Santa Cruz, der griechisch-orthodoxe Christ aus dem Libanon Charles Habib Malik, Peng Chun Chang, ein konfuzianischer Gelehrter aus China, und René Cassin, ein französischer Jude.

 

Ein großer Moment der Menschheitsgeschichte

Um die schon damals tiefen Gräben zwischen westlich-liberalen Staaten und autoritären Regimen, zwischen religiösen und säkularen Ländern zu überbrücken, versuchte man in der Kommission, allgemeine Prinzipien möglichst konkret zu formulieren. Das Ergebnis waren dreißig prägnant gefasste Artikel ohne rhetorischen Pomp. Sie waren das Ergebnis langer Sitzungen und hartnäckiger Verhandlungen.

Die politischen Konfliktlinien der Zeit bildeten sich natürlich auch in der Menschenrechtskommission ab. Die westlichen Staaten zielten auf politische und bürgerliche Freiheiten; dagegen beharrte die Sowjetunion auf wirtschaftlichen und sozialen Rechten. Gewiss verstanden autoritäre Staaten, welche Gefahr die Verkündung universeller Menschenrechte für ihre Regime bedeuten könnte. Um die Erklärung der Menschenrechte nicht zu gefährden, entschied man deshalb, auf Verbindlichkeit zu verzichten.

Nach langem Ringen wurde am 10. Dezember 1948 über die Menschenrechtserklärung in der UN-Generalversammlung abgestimmt. Eleanor Roosevelt erklärte: „Wir stehen heute vor einem großen Moment, nicht nur im Leben der Vereinten Nationen, sondern im Leben der Menschheit.“ Schließlich stimmen 48 der damals 58 UN-Staaten der Deklaration zu. Die Länder des Sowjetblocks (Sowjetunion, Ukraine, Weißrussland, Polen, Jugoslawien und der Tschechoslowakei) enthielten sich, ebenso wie Südafrika und - als einziges muslimisches Land - Saudi-Arabien. Honduras und Jemen hatten nicht an der Abstimmung teilgenommen. Es gab also keine Gegenstimme zur Erklärung der Menschenrechte.

Auch wenn es im Nachhinein wie eine logische Konsequenz nach den Weltkriegen und der Shoa erscheint, ist die Tatsache, dass die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 1948 erfolgte, eine erstaunliche historische Entwicklung. Sie entstand in einem winzigen Zeitfenster nach dem Zweiten Weltkrieg, das der Eiserne Vorhang schon rasch wieder schloss.

Der Preis der mühsamen Einigung war, dass die Menschenrechtsdeklaration kein völkerrechtlich bindendes Recht darstellt, sondern ein „von allen Völkern und Nationen zu erreichendes gemeinsames Ideal“ beschreibt, wie es in der Erklärung heißt. Immerhin hatte sich die Weltgemeinschaft – oder zumindest wesentliche Teile davon – explizit dazu verpflichtet, jedem Menschen unveräußerliche, unteilbare Rechte einzuräumen. Damit war eine wirkmächtige Idee in die Welt gesetzt, auf die man sich berufen konnte, und die in den nächsten Jahrzehnten zunehmend ihre Wirkung entfalten sollte.

 

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75 Jahre Menschenrechte der UN

3Q

Daueraufgabe bis heute

Frei von Kritik blieb die Erklärung der Menschenrechte nicht. Immer häufiger wird ihr vorgeworfen, dass es sich dabei um ein typisches Produkt der westlichen Zivilisation handele, das mit – zugespitzt formuliert – fortgesetztem kolonialistischen Eifer anderen Ländern der Welt und ihren unterschiedlichen Kulturen zugemutet werde. Zweifellos ist das westlich geprägte Erbe von Humanismus und Aufklärung offenkundig. Und mit Blick auf die Repräsentativität der Vereinten Nationen von 1948 muss eingeräumt werden, dass unter den damaligen Mitgliedsstaaten nur wenige aus Afrika und Asien waren. Außerdem lässt sich schwerlich übersehen, dass es auch und gerade große, bedeutende Länder mit bedeutenden Kulturen sind, die bei kritischem Hinweis auf ihre Staatspraxis mit Blick auf Schutz und Gewährleistung von Menschenrechten sich den Hinweis auf den Universalanspruch von Menschenrechten entweder nur ungern oder gar nicht mehr gefallen lassen. Gerade Staaten mit kollektivistischen Traditionen wie China oder auch islamische Staaten argumentieren, dass die allgemeine Erklärung nicht mit den Werten des Islam und dem Koran vereinbar sei und nehmen die individuellen Menschenrechte als Instrument zur Durchsetzung westlicher Interessen wahr. Die Organisation der Islamischen Konferenz hat 1990 die „Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam“ beschlossen, die sich direkt auf Gott, den Islam und die Scharia bezieht. Um deren Umsetzung ist es aber augenscheinlich nicht besser bestellt als um die der Allgemeinen Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen.

Offensichtlich ist mit der Erklärung der Menschenrechte ein Anspruch formuliert worden, aber das Anliegen ist damit keinesfalls erledigt. Das zeigt allein der Verweis auf die Menschenwürde, der sowohl bei der Menschenrechtserklärung als auch im gleichzeitig entstandenen Grundgesetz an prominenter Stelle steht. Die Würde des Menschen ist nicht unantastbar, und nirgendwo ist jemals ein gründlicherer Nachweis für die Antastbarkeit der Menschenwürde geführt worden als im nationalsozialistischen Deutschland. Das wussten wohl auch alle, die am 10. Dezember 1948 über die Erklärung der Menschenrechte abstimmten. Es ging um die Formulierung eines Ziels, eines Versprechens. Die Umsetzung der Menschenrechte in soziale und politische Wirklichkeit bleibt eine Daueraufgabe. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

 

Menschenrechte sind keine Naturgesetze

Was Menschenrechtsverstöße und ihre Häufigkeit angeht, haben wir es seit ihrer Verkündung oft mit massiven Vergehen zu tun. Nicht nur, aber ganz besonders im Rahmen von kriegerischen Auseinandersetzungen werden Menschenrechte regelmäßig schwerwiegend verletzt.

Angesichts der Bilder und Berichte von den abscheulichen, menschenverachtenden Verbrechen der Hamas-Terroristen und auch angesichts des Leids der Zivilbevölkerung im Gazastreifen, die von der Hamas perfide als Schutzschild missbraucht wird, drängt sich die Frage auf, wie es überhaupt möglich ist, Menschenrechte zu bewahren, wie es die Allgemeine Erklärung von 1948 vorsieht und wie wir es auch von uns selbst verlangen. Vielleicht, so gibt Navid Kermani in der ZEIT vom 9.11.2023 zu bedenken, sei es von Palästinensern im bombardierten Gazastreifen oder von Israelis, die immer wieder in den Schutzraum laufen müssen oder deren Kinder, Geschwister oder Partner gerade in Uniform ihr Land verteidigen, zu viel verlangt, Empathie für die Gegenseite aufzubringen. „Aber gut versorgt im sicheren Deutschland, sollte jedem das Mitgefühl für die Opfer gleich welcher Seite möglich sein.“ Gerade jetzt muss alles dafür getan werden, um unschuldige Menschen – Palästinenser wie Israelis – bestmöglich zu schützen und zu versorgen. Jedes Leben zählt gleich viel und jedes menschliche Opfer ist eines zu viel. Das ist das Fundament des Konzepts der Menschenrechte. Deshalb ist es nötig und muss es möglich sein, die Schmerzen beider Seiten zu beklagen, ohne irgendetwas zu rechtfertigen oder gleichzusetzen.

Deutschland hat mit Blick auf seine Geschichte keine besondere Legitimation über Menschenrechte zu reden, aber ganz sicher eine besondere Veranlassung. Wir sollten uns hierzulande allemal vor der Versuchung zum Hochmut schützen, weil wir glücklicherweise heute in einem Staat leben, der die Menschenrechte nicht nur zu seinem zentralen Anliegen erklärt hat, sondern auch in einer rechtsförmigen, einklagbaren Weise im Blick hat. So bleibt die Erkenntnis: Menschenrechte sind keine Naturgesetze. Sie sind von Menschen formuliert, sie werden von Menschen verletzt, und sie müssen von Menschen geschützt werden, die den Anspruch auf die Unantastbarkeit der Menschenwürde ernst nehmen.

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Kontakt

Dr. Jochen Blind

Jochen Blind

Pressesprecher

jochen.blind@kas.de +49 30 26996-3227

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