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Laporan negara

Oberbürgermeisterwahl in Bukarest: Unerwartet klarer Sieg mit bitterem Beigeschmack

dari Dr. Stefan Hofmann, Mihai Marc

PNL-Kandidat Ciprian Ciucu gewinnt die Bukarester Wahl zum Oberbürgermeister, doch Populisten machen Druck.

Mit ernster und zugleich erleichterter Miene trat Bukarests zukünftiger Oberbürgermeister, Ciprian Ciucu, am Sonntagabend nach dem Schließen der Wahllokale um 21 Uhr vor die Presse. Er trat als Gewinner auf, fand aber zugleich Worte der Demut. Er wolle auch denen, die ihn nicht gewählt hatten, beweisen, dass man mit ihm den Richtigen gewählt habe. Die Wahl galt als wichtiger Stimmungstest für die nationalen Regierungsparteien. Die Bukarester Wahl am 7. Dezember war eine von 14 kommunalen Teilwahlen in Rumänien. Der Wahlkampf in Bukarest beherrschte die nationale Berichterstattung – nicht ungewöhnlich, schließlich wurden seit dem Beginn der Demokratisierung 1989 zwei Bürgermeister der Hauptstadt zu Staatspräsidenten gewählt. In Bukarest war eine vorzeitige Nachwahl erforderlich geworden, nachdem Nicușor Dan als bisheriger Bürgermeister durch seine Wahl zum Staatspräsidenten Ende Mai den Bürgermeistersessel verlassen musste.

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Ergebnisse im Überblick

Ciprian Ciucu von der Nationalliberalen Partei (PNL, Mitglied der EVP), bislang Bürgermeister in Bukarests Stadtbezirk 6, errang 36,16 Prozent der Stimmen. Damit lag er rund 14 Punkte vor der zweitplatzierten Anca Alexandrescu, einer parteilos angetretenen, aber von der rechtsextremen AUR unterstützen TV-Journalistin, die auf 21,94 Pro­zent kam. Der Kandidat der Sozialdemokraten der PSD, Daniel Băluță, erhielt 20,51 Prozent. Cătălin Drulă von der “Union zur Rettung Rumäni­ens” (USR) schnitt mit 13,9 Prozent ab. Die Wahl­beteiligung lag bei 32,7 Prozent. 

 

Nur ein Wahlgang, keine Stichwahl

Für die Wahlen zum primar – also für das Bürger- bzw. Oberbürgermeisteramt – gibt es derzeit in Rumänien nur eine einzige Wahlrunde. Die Stichwahl verschwand 2011 aus dem Wahlrecht, sicherlich auch mit dem Motiv, die damals aktuel­le Mehrheitslage zu konservieren. Traditionelle Parteien mit bekannten Bürgermeistern profitie­ren von einem Wahlsystem mit nur einem Wahl­gang. Seitdem fordern zivilgesellschaftliche Or­ganisationen und kleinere Parteien die Rückkehr zu zwei Wahlgängen, um einen offeneren Wett­bewerb und damit höhere Legitimität zu garan­tieren.  

Das Vertrauen vieler Wählerinnen und Wähler gegenüber den etablierteren Parteien – PNL, PSD und auch USR auf der nationalen Ebene – ist gering. Die Umfragewerte für PSD und PNL zeigen seit langem einen negativen Trend. Die USR hat ihr maximales Potenzial erreicht und stagniert. Der Vertrauensverlust nutzt der rechtsextremen AUR, die das Misstrauen nach Kräften anfacht und mit einer Verklärung der Vergangenheit ein rückwärtsgewandtes Heilsversprechen anbietet. 
Viele Wahlberechtigte, die sich in einer reform­orientierten und zugleich konservativen Mitte sahen, befanden sich in der Zwickmühle, sich in ihrer Ablehnung einer Kandidatin wie Alexandres­cu eher für das kleinere Übel als für eine Vision für ihre Hauptstadt entscheiden zu müssen. Sie standen vor der Frage, wie sie taktisch am besten wählen sollten, um Alexandrescu zu verhindern. Indem sich die Mitte auf potenziell drei Kandida­ten verteilte, war die Wahl für viele eine Art “Schuss im Dunkeln”.  Wie “taktisch” die Buka­rester am Ende abstimmen würden, war die gro­ße Unbekannte vor der Wahl.  

 

Druck auf die politische Mitte

USR und PNL hatten das Risiko der „Kannibalisie­rung der Mitte“ kommen sehen: Gespräche für einen gemeinsamen Kandidaten beider Parteien in Bukarest wurden durch die PSD-Drohung, man werde die nationale Regierungskoalition platzen lassen, wenn nicht jede Partei einen eigenen Kandidaten präsentiere, torpediert. Die PSD winkt regelmäßig mit der Keule hinter dem Rücken, man könne das Regierungsbündnis auflösen (und damit der AUR Tür und Tor öffnen). Die PSD betreibt immer wieder Oppositionsarbeit aus der Regierungskoa­lition heraus und versucht sich als Partei zu profi­lieren, die sich um die Anliegen der „kleinen Leu­te“ kümmere. 

Dagegen ist die Agenda von Ministerpräsident Ilie Bolojan (PNL), in den Fragen Haushaltskonsolidierung und Bürokratieabbau „zu liefern“, um einerseits europäische Mittel für Rumänien zu si­chern, die an die Umsetzung von Reformen ge­knüpft sind. Andererseits möchte er die PNL um den Preis unbequemer und mitunter harter Schnitte vom Ruf des rein machtorientierten Opportunismus befreien.  

 

Die Erwartung: Handeln!

Die Bürgerinnen und Bürger erwarten, dass die Regierung Ergebnisse bei Strukturreformen vor­legt und Handlungsfähigkeit zeigt.   

Das rumänische Haushaltsdefizit liegt derzeit bei über neun Prozent. Aufgrund der hohen Haus­halts- und Leistungsbilanzdefizite fällt Rumänien mathematisch aus der Gruppe der Länder mit einem positiven Investment-Rating heraus. Nur die Mitgliedschaft in der Europäischen Union stützt das Land und verpflichtet die Ratingagen­turen zur Beibehaltung des Ratings.  

Die EU stellt daher Forderungen: Während viele EU-Mitgliedstaaten die sechste oder siebte Tranche der Post-Covid-Finanzhilfen (in Rumäni­en „PNRR”) eingereicht und ausgezahlt bekom­men haben, hat Rumänien noch Schwierigkeiten die vierte Zahlungsanforderung einzureichen (ca. 2,6 Mrd. Euro), da viele Benchmarks von einer Ent­scheidung des Verfassungsgerichts zu den Son­derrenten der Richter und Staatsanwälte abhän­gig sind. Das Gericht hatte zuletzt eine Änderung der Pensionsregelungen abgelehnt. Die noch nicht gelöste Pensionsfrage für Richterinnen und Rich­ter ist nicht zuletzt ein Symbol, ob man auch die staatlichen Gutverdiener bei der Haushaltskonso­lidierung in die Pflicht nimmt – nicht nur die kommunalen Angestellten, die Gehaltskür­zungen von bis zu zehn Prozent befürchten. 

 

Komplexe Botschaft der Bukarester

Der überraschend deutliche Wahlsieg Ciprian Ciucus ist ein Erfolg – auch für Ministerpräsident und PNL-Chef Ilie Bolojan. Ciucu, stellvertretender Vorsitzender der PNL auf Landesebene, gilt als Vertrauter Bolojans, der bei der Presseerklärung direkt neben “seinem” Kandidaten stand. Für den Staatspräsidenten, Nicușor Dan, werten politische Beobachter das Ergebnis als Niederlage, da sein ausgleichender und zögerlicher Kurs bei staatli­chen Reformen abgelehnt wurde. Dass es im liberalen Bukarest die AUR-nahe Kandidatin Anca Alexandrescu auf Rang zwei schafft, ist ein politi­scher Paukenschlag und eine Demütigung für PSD, USR und PNL. 

Nicht nur die Zweitplatzierung Alexandrescus war ein Misstrauensvotum gegen die etablierten Par­teien, auch die schwache Wahlbeteiligung ist ein deutliches Signal. Die Kandidaten von PNL und PSD hatten im Wahlkampf versucht, sich vom Image ihrer Parteien zu lösen. Auf mitunter riesi­gen Plakaten an Häuserwänden waren die Partei­logos verschämt klein und in einer unteren Ecke zu erkennen – ein Zeichen für die realistische Selbsteinschätzung der jeweiligen Parteienvertre­ter. Der Unzufriedenheit entkamen sie dennoch nicht: Abstimmung mit den Füßen und Denkzet­tel zugleich. 

 

Aufbruch oder Umbruch?

Für die größeren Parteien hat die Wahl Sym­bolcharakter. Wie geht es weiter? Wer steht vor welchen Herausforderungen? 

Präsident Dan haben die Bukarester einen Denk­zettel verpasst. Die Bürgerinnen und Bürger schenkten dem mit ihm in Verbindung gesehe­nen Kandidaten Drulă kaum ihr Vertrauen. Er trat für die USR an, die Dan einst mitgegründet hatte. Mit dem schwachen Abschneiden der USR ver­blasst auch der Glanz des Reformers, mit dem Dan als Präsident angetreten war. Innerhalb der Koalition steigt die Legitimität des Reformkurses von Bolojan. Wenn Dan darauf reagiert, be­schwört er den Widerstand der PSD herauf. Das Dilemma ist programmiert. 

Für den PSD-Kandidaten Băluță ist das Ergebnis bitter. Er konnte sich vom Nimbus seiner Partei nicht lösen und wurde obendrein von einer AUR-nahen Parteilosen auf Rang drei verwiesen. Hier ging womöglich die Saat der Machtspiele des PSD-Chefs Sorin Grindeanu auf: Im Zweifel wählen die Menschen das (populistische) Original. Ob die PSD ihr Doppelspiel innerhalb der Regierung aufgibt, bleibt abzuwarten. Vielleicht mag es taktische Gewinne bringen – am Ende treibt dies die Menschen in die Arme der Extre­men. Womöglich sieht die PSD auch AUR als Machtoption für eine zukünftige Koalition.

Das Gespenst AUR, das sich durch das „kipplige“ Wahlrecht durchaus in einer Bürgermeisterschaft Alexandrescus hätte materialisieren können, ist zwar einstweilen aus dem Bürgermeisteramt ferngehalten. Die AUR passt auch nicht zum mehrheitlich liberalen Wählerklientel der Haupt­stadt. Anca Alexandrescus Zweitplazierung bedeu­tet jedoch eine Bedrohung für die traditionellen Parteien. Ihr Erfolg ist umso verwunderlicher, da sie in früherer Zeit lange für die PSD Ämter und Funktionen bekleidet hatte – von glaubhafter Systemferne keine Spur.   

Ciprian Ciucu und Ilie Bolojan stehen trotz des respektablen Wahlergebnisses unter enormem Erfolgsdruck. Sie bekamen Vertrauen. Doch poli­tische Bestrafung droht, wenn es enttäuscht wird. Vor dem PNL-Chef und seinem Vize liegen nun zwei große Herausforderungen. 

Erstens: Beide müssen in ihren Ämtern inhaltli­che Ergebnisse vorweisen können, was in Koaliti­onen schwierig werden kann. Der kommunale Haushalt von Bukarest wird zu großen Teilen für Gehälter sowie Subventionen für Nahverkehr und Fernwärme absorbiert. Wie auf der nationalen Ebene wird es in Bukarest Einschnitte erfordern, um neue Gestaltungsmöglichkeiten zu erhalten. 

 

Zweitens: Die von ihnen angeführte PNL muss den Makel einer rein machtorientierten Partei loswerden, um auch landesweit den Negativ-Trend abzuwehren. Bolojan und Ciucu obliegt es daher, auch in den eigenen Reihen jene zurückzu­drängen, die für den Vertrauensverlust verant­wortlich waren – und einen politischen Nach­wuchs aufzubauen, der sichtbar wertebasiert auf­tritt und handelt. Für die PNL fängt die Arbeit jetzt richtig an.

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Kontak Dr. Stefan Hofmann
Dr. Stefan Hofmann
Leiter des Auslandsbüros Rumänien
stefan.hofmann@kas.de +40 21 302 02 61

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Tentang seri ini

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