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Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.

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"Westliche Demokratien müssen sich vernetzen"

Bündnisse und Regeln sind weltweit unter Druck. Norbert Lammert setzt deshalb mit der Konrad-Adenauer-Stiftung auf neue Büros und mehr Dialog, um den Multilateralismus zu stärken.

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Der ehemalige Bundestagspräsident Norbert Lammert ist seit zwei Jahren Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung. Der CDU-Politiker setzt sich seitdem für die Stärkung des Multilateralismus ein. Inzwischen hat die Adenauer-Stiftung weltweit 107 Auslandsbüros, Anfang 2020 soll ein weiteres am Sitz der Afrikanischen Union in Addis Abeba hinzukommen, es wurden aber auch schon Büros geschlossen. DW-Korrespondent Fabian von der Mark hat in Berlin mit Norbert Lammert über Außenpolitik und die strategische Ausrichtung der Adenauer-Stiftung gesprochen. 

DW: Der Begriff des Multilateralismus ist in Politik und Wissenschaft in aller Munde. Wie würden Sie Multilateralismus beschreiben?

Norbert Lammert: Gemeint ist die Vorstellung einer durch Regeln geordneten Welt, wie eng oder weitreichend dieses Regelsystem auch immer sein mag. Aber wenn sich das 21. Jahrhundert von den vorigen Jahrhunderten unterscheiden muss, dann durch die Umsetzung der Lektion, dass wir uns nicht länger eine Welt erlauben können, in der jeder macht, was er für richtig hält, und sich im Zweifelsfall die Ellbogenkraft durchsetzt.

Warum ist es für Deutschland so wichtig, mit anderen zusammenzuarbeiten?

Zunächst ist es für Deutschland nicht wichtiger als für andere auch. Es fällt mir schwer, mir ein Land vorzustellen, das daran eigentlich kein Interesse haben muss. Das ausgeprägte deutsche Interesse ergibt sich schon daraus, dass wir am Entstehen dieser historischen Lektionen in einer prominenten Weise beteiligt waren. Und durch unsere vielfältigen Verknüpfungen mit der ganzen Welt, nicht nur, aber insbesondere wirtschaftlich, haben wir ein vitales Interesse daran, dass es in einem kalkulierbaren Rahmen geschieht, auf den sich jeder einstellen und möglichst auch verlassen kann.

Dieser kalkulierbare Rahmen wurde in letzter Zeit immer wieder infrage gestellt von US-Präsident Trump, der internationale Verträge gebrochen und Freundschaften infrage gestellt hat. Wie muss Deutschland damit umgehen?

Meine Distanz zum amtierenden US-amerikanischen Präsidenten ist hinreichend, oft auch öffentlich deutlich geworden. Aber dass man ihm jetzt auch noch die Rolle eines exklusiven Verletzers internationaler Regeln zubilligt, das finde ich reichlich übertrieben. Der russische Staatspräsident hat im demonstrativen Verletzen von Regeln, selbst solchen, die sein Land unterschrieben hat, auch wenig Hemmungen - man denke nur an die völkerrechtswidrige Annexion der Krim. Solche Beispiele zeigen, dass wir heute eben nicht mehr davon ausgehen können, dass ein solches von gemeinsamen Regeln begründetes System im Kern unbestritten wäre.

Wenn man sich die deutschen Bündnisse anschaut: Die Türkei ist ein schwieriger Partner in der Nato, die Briten wollen sich von der EU abwenden. Müssen wir uns angesichts dieser Probleme nach neuen Partnern umsehen?

Umsehen beginnt damit, dass man unterschiedliche Sachverhalte auch unterschiedlich behandelt. Den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union halte ich für einen historischen Irrtum, aber nicht für eine Regelverletzung. Die Europäische Union unterscheidet sich von früheren Staatenbünden dadurch, dass man nicht nur beitreten, sondern auch austreten kann. Die Vorwürfe, die ich sowohl Herrn Putin als auch Herrn Trump machen würde, kann ich Boris Johnson nicht machen. Dem mache ich andere Vorwürfe, aber nicht die, dass er sich nicht an Regeln hält, die in der Europäischen Union vereinbart waren.

Es gibt ja die Initiative des deutschen Außenministers, eine Allianz der Multilateralisten zu schmieden. Da können auch die Briten und andere Staaten dabei sein. Können sie mit diesem Konzept etwas anfangen?

Lieber wäre es mir, wenn es nicht gebraucht würde. Vor zehn Jahren wäre niemand auf die Idee gekommen, ein solches Bündnis vorzuschlagen. Heute gibt es mehrere Dutzend Staaten, die den Gedanken spontan plausibel finden und sagen: Jawohl, das ist ein Anliegen, das wir gemeinsam teilen und das wir deswegen auch gemeinsam wahrnehmen sollten. Ich verstehe diese Initiative nicht als Konkurrenz zu bestehenden Institutionen, sondern als demonstrativen Ausdruck des gemeinsamen Interesses an regelbegründeten Systemen.

Wie stellt sich denn die Konrad-Adenauer-Stiftung auf die weltweiten Entwicklungen ein?

Indem wir unsererseits neue Akzente setzen, sowohl in unseren Arbeitsschwerpunkten wie in unseren Auslandsbüros. Wir haben vor drei Jahren als bislang einzige Stiftung ein Büro in Australien eröffnet, weil wir den inzwischen vielfach bestätigten Eindruck gewonnen haben, dass sich die westliche Demokratiefamilie unter den tatsächlichen Bedingungen einer globalen Welt in einer anderen Weise selbst organisieren und selbst vernetzen muss, als dies bislang der Fall war.

Gibt es noch andere Akzente?

Wir haben neben dem natürlich seit Jahrzehnten bestehenden Landesbüro in Washington ein weiteres Büro in New York eröffnet, weil wir überzeugt sind, dass eine Stiftung mit diesem Anspruch am Sitz der Vereinten Nationen vertreten sein muss. Und es gibt nicht nur unser Interesse an diesem Kontakt, es gibt auch ein bemerkenswertes regelmäßiges Interesse der UN an diesem Austausch. 

Und wie sieht es in Europa aus?

Auch in Genf haben wir Anfang 2019 ein neues Büro eröffnet. Das ist das erste Büro, das wir jemals in der Schweiz hatten. Und es dient erkennbar auch nicht in erster Linie der Pflege der bilateralen Beziehungen, sondern hängt mit den Institutionen zusammen, die in Genf ihren Sitz haben und die allesamt für uns von besonderer Bedeutung sind. Wir haben ein Büro in Wien wieder eröffnet mit der ausdrücklichen Aufgabe, neben den bilateralen Beziehungen den Kontakt zu den UN-Institutionen in Wien und ihren dort angesiedelten Unterorganisationen zu pflegen.

Alles Bekenntnisse zum Multilateralismus.

Und wir werden in Kürze in Addis Abeba unser 19. Büro in Afrika aufmachen. Nicht, weil wir uns auf der Strecke der Vervollständigung unserer Länderbüros in 54 afrikanischen Ländern befänden, den Ehrgeiz haben wir nicht, aber weil Addis Abeba Sitz der Afrikanischen Union ist und nach dem Regierungswechsel in Äthiopien erstmals die Voraussetzungen für solche Kooperationen bestehen. Mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der wir in Brüssel ein Büro haben, brauchen wir auch eines, das in Afrika nicht nur bilaterale Kontakte sichert, sondern den Kontinent im Ganzen zum Gegenstand hat. Ich könnte jetzt noch hinzufügen, dass wir auch in Panama ein Regionalbüro eröffnet haben, was wiederum Lateinamerika enger mit Europa verzahnen soll. Sie sehen: Ein roter Faden in der Arbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung ist genau diese Orientierung an multilateraler Zusammenarbeit.

Wie kann man sich da die Zusammenarbeit vorstellen? Geht es um Informationen aus der Region oder eher um einen Kanal in die Region?

Immer beides. Wir gehen in kein Land, um da gewissermaßen als Schnüffeltiere unterwegs zu sein und die Informationen zu vervollständigen, die wir ansonsten über diplomatische Vertretungen, Medien oder andere Organisationen bekommen, sondern wir haben immer das Interesse an einem Dialog. Wir bieten unsere Erfahrungen im Bereich politischer Systeme und Wirtschaftssysteme, von Außenbeziehungen, von Sicherheitsstrukturen, von Demokratiekonzepten, von Parlamentarismus, von Parteien, von Verbänden und von Mediengesetzgebung an, um nur einen unvollständigen Katalog von klassischen Themen unserer Arbeit zu nennen. Und wenn wir in Ländern dafür kein Interesse beziehungsweise keine Partner finden, dann gehen wir dort auch nicht hin.

Schließen sie in einem solchen Fall auch wieder ein Büro?

Auch das kommt vor. Wir haben jetzt ein Büro in Pakistan geschlossen, das über Jahrzehnte bestanden hat, weil es keine für uns hinreichend sinnvollen Arbeitsbedingungen mehr gab. Vor ein paar Jahren gab es einen spektakulären Fall in Ägypten, der ja sogar zur Verhaftung von Mitarbeitern und Strafverfahren geführt hat, die jetzt endlich zugunsten der Stiftung beziehungsweise dieser Kollegen entschieden worden sind. Die Idee ist immer, beides zu tun, in beide Richtungen miteinander zu kommunizieren. Dass das dann an verschiedenen Standorten zu verschiedenen Zeitpunkten nicht jeweils 50 Prozent sind, ergibt sich aus der Natur der Sache.

Sie haben beschrieben, dass die Adenauer-Stiftung ein wachsendes Interesse an der Welt hat und auch weiterhin Büros eröffnet. Stellen Sie auch fest, dass in der Welt das Interesse an der Stiftung und an Deutschland wächst?

Das ist sicher nicht überall der Fall. Aber seit geraumer Zeit lässt sich beobachten, dass viele Länder wie wir den Eindruck haben, sich in Zeiten der Globalisierung mehr als früher vernetzen, verbünden und verbinden zu müssen. Meine Beobachtung war schon als Parlamentspräsident, dass es bei außereuropäischen Ländern den Trend gab zu sagen: Wir können nicht zu 28 Mitgliedsländern der EU gleiche Beziehungen unterhalten. Wir brauchen ein Ankerpartnerland, und das ist in neun von zehn Fällen Deutschland. Das ist ein erstaunlicher Beleg von Respekt und Sympathie, auf den man im Lichte der deutschen Geschichte auch nicht unbedingt setzen konnte.

In mancherlei Hinsicht überfordert uns das aber auch. Den Ehrgeiz, möglichst viele weitere Büros zu eröffnen, haben wir jedenfalls nicht. Ich glaube, dass wir jetzt, nicht nur im statistischen Sinne, ein Niveau erreicht haben, das wir seriös bedienen können, das unsere Kapazitäten aber auch ausschöpft. Der Versuchung "Hier nochmal und da nochmal und da wäre doch auch ganz schön" sollten wir besser widerstehen im Sinne der Konzentration auf die wesentlichen Aufgaben und auch unsere wirklich nüchtern eingeschätzten tatsächlichen Möglichkeiten.

Das Gespräch führte Fabian von der Mark.

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