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カントリーレポート

Wahlsieg von Rodrigo Paz läutet neue Ära ein

Auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise entscheidet sich Bolivien für einen innen- und außenpolitischen Kurswechsel

Nach unendlich erscheinenden 150 Tagen Wahlkampf herrscht nun Klarheit. Der ehemalige oppositionelle Senator und Bürgermeister Rodrigo Paz wird Bolivien ab dem 8. November mit einem klaren Wählermandat als Präsident führen. Dabei gilt es, keine Zeit zu verlieren. Die Wirtschaft des Andenstaates ist zusammengebrochen, die Bevölkerung leidet unter Benzinknappheit und explodierenden Lebensmittelpreisen. Die Geduld, die das bolivianische Wahlvolk bis zum Abschluss der Präsidentschaftswahlen inmitten der dramatischen Wirtschaftskrise aufgebracht hat, ist nun aufgebraucht und es werden schnelle Lösungen erwartet. Gleichzeitig deutet sich bereits jetzt an, dass das Regieren für den neuen Präsidenten trotz günstiger Mehrheitsverhältnisse im Parlament schwierig werden könnte.

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Bolivien hat gewählt. In den ersten Stichwahlen in der Geschichte des Andenstaates am 19. Oktober konnte sich der Mitte-Rechts-Kandidat Rodrigo Paz nach ersten offiziellen Zahlen mit 54,5 Prozent überraschend deutlich gegen seinen Kontrahenten Jorge („Tuto“) Quiroga durchsetzen, auf den gut 45 Prozent der Stimmen entfielen. Die Wahlen liefen weitgehend störungsfrei ab, was von zahlreichen internationalen Wahlbeobachtern bestätigt wurde. Prägten vor der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen noch ständige Straßenblockaden das Bild, dominierte vor den Stichwahlen nur noch das Gefühl von Ungeduld und das Verlangen, nach quälend langen Wahlkampfmonaten endlich Gewissheit zu erhalten. Während der unterlegene Kandidat noch am Wahlabend dem Wahlsieger gratulierte, appellierte der gewählte Präsident Paz an die „Einheit, um das Vaterland nach vorne zu bringen“. Genau diese Einheit wird Paz brauchen, wenn er die enormen Herausforderungen bestehen will, die auf den neuen Staatschef nach rund zwei Jahrzehnten des „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ warten.

 

Einen starken Kontrast zu den zivilisiert und demokratisch verlaufenen Wahlen stellt die schwere Wirtschaftskrise dar, die das Land seit mehr als einem Jahr erschüttert. Wie zum Beweis des endgültigen Scheiterns des bereits im ersten Wahlgang abgewählten sozialistischen Modells, schien die Wirtschaft mehr denn je im freien Fall. Die Bevölkerung hatte sich zuletzt zwar fast schon an die Schlangen an den Tankstellen und die monatlich steigenden Preise für Lebensmittel, Medikamente und andere Güter des täglichen Bedarfs gewöhnt, doch in der letzten Woche vor den entscheidenden Stichwahlen nahm gerade die Treibstoffkrise noch einmal dramatischere Züge an. Sowohl die Wahlbehörde (Tribunal Supremo Electoral – TSE) als auch die Sicherheitskräfte hatten Alarm geschlagen und davor gewarnt, dass die Stichwahlen am akuten Benzinmangel im Land scheitern könnten. Um die Wahlen logistisch sicherzustellen und die Wahlunterlagen zu den Wahllokalen im ganzen Land transportieren zu können, vereinbarte man daher in einer Notfallsitzung mit dem Energieministerium eine Garantie der Treibstoffversorgung für Wahlbehörde und Sicherheitskräfte.

 

Wahlkampf zwischen zwei ähnlich Gesinnten

In der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen am 17. August war die sozialistische Regierung der MAS (Movimiento al Socialismo – dt. Bewegung zum Sozialismus) klar abgewählt worden. Im Abgeordnetenhaus wurde die MAS auf zwei Abgeordnete reduziert, während sie im Senat überhaupt keinen Sitz mehr hat – ein starker Kontrast zur vormaligen absoluten Mehrheit in beiden Kammern. Dementsprechend zogen zwei bürgerliche Kandidaten in die Stichwahl um das Präsidentenamt ein. Neben dem ehemaligen Senator und Bürgermeister der Tieflandmetropole Tarija, Rodrigo Paz, der als Kandidat der Christdemokratischen Partei (PDC) antrat, war dies Ex-Präsident Jorge “Tuto” Quiroga vom wirtschaftsliberalen Wahlbündnis „Libre“. Auch wenn die beiden Kandidaten naturgemäß ihre Unterschiede im Wahlkampf um die Stichwahl hervorhoben und teils sogar erheblich gegeneinander polarisierten, verbinden die beiden letztlich viele Gemeinsamkeiten und sogar einige gemeinsame politische Streckenabschnitte. So sammelte Quiroga seine ersten Regierungserfahrungen als Finanzminister im Kabinett von Präsident Jaime Paz, dem Vater des neu gewählten Präsidenten Boliviens. In den 2000er Jahren war Paz dann Abgeordneter der Allianz PODEMOS, die von Quiroga angeführt wurde.

 

Mehr als die beiden inhaltlich ähnliche Positionen vertretenden Präsidentschaftskandidaten polarisierten die beiden Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten. Insbesondere der zum Vizepräsidenten gewählte Edman Lara spaltete Bolivien mit seiner Inszenierung als Anti-Politiker. Bekanntgeworden als Anti-Korruptionskämpfer, der als Polizeihauptmann Korruption in den eigenen Reihen angezeigt hatte, konnte Lara in der ersten Runde viele Stimmen für Rodrigo Paz gewinnen. Im Wahlkampf um die Stichwahl, in der er stärker ins Rampenlicht, aber auch in die öffentliche Beobachtung rückte, erinnerte er manche Beobachter mit seinem populistischen Auftreten an Ex-Staatschef Evo Morales. So legte sich Lara immer wieder mit der Presse an oder drohte dem eigenen Kandidaten Paz, er werde ihn die Unterstützung entziehen, sollte er Absprachen mit einigen politischen Operateuren der traditionellen Elite treffen. Paz war infolgedessen sichtlich bemüht, die Rolle Laras in den letzten Wochen vor dem zweiten Wahlgang auf ein Minimum zu reduzieren. In der Wahlnacht zog es Lara vor, eine eigene Siegesparade in seiner Heimatstadt Santa Cruz zu inszenieren, anstatt gemeinsam mit seinem Präsidenten den Wahlerfolg in La Paz zu feiern.

 

Ausweg aus der Wirtschaftskrise ohne Hilfe des IWF?

Wie auch sein Kontrahent Quiroga kritisierte Paz im Wahlkampf das sozialistische Wirtschaftsmodell der MAS-Regierung unter Evo Morales und dem ausscheidenden Staatschef Luis Arce aufs Schärfste. Dieses habe wirtschaftliche Initiative erschwert, Exporte limitiert und werde in der Bevölkerung zuletzt nur noch mit ausufernder Korruption und Mangelwirtschaft verbunden. Paz forderte zudem eine Verschlankung des aufgeblähten Staates, Bürokratieabbau und die Überprüfung bzw. Schließung der defizitären Staatsunternehmen. Grundsätzlich warb er für mehr wirtschaftliche Freiheit und Auslandsinvestitionen.

 

Traten die beiden Präsidentschaftskandidaten mit recht ähnlichen Vorschlägen für Strukturreformen an, unterschieden sie sich jedoch in ihrer Strategie, wie dieser grundlegende Wandel eingeleitet und die wirtschaftliche Misere beendet werden soll. So trat Quiroga, der einige Jahre selbst für internationale Finanzinstitutionen wie die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds (IWF) gearbeitet hatte, für eine Finanzspritze des IWF ein, um die Zahlungsfähigkeit des Staates wiederherzustellen und sich Zeit für die notwendigen Strukturreformen zu erkaufen. Rodrigo Paz hingegen warb von Beginn an für nationale Lösungen ohne den Rückgriff auf Hilfskredite durch den in Bolivien unbeliebten IWF. Wenn die unter der Regierungspartei MAS grassierende Korruption aufhöre und das Geld der bolivianischen Bevölkerung nicht mehr entwendet werde, so die Argumentation, könne Bolivien aus eigener Kraft aus der Krise finden.

 

Schwierige Regierungsführung trotz Parlamentsmehrheit

Letztendlich konnte Rodrigo Paz mit seinem nationalen Lösungsansatz die Mehrheit der Bevölkerung überzeugen. Mit einer relativen Mehrheit im Parlament von 49 von 130 Abgeordneten und 16 von 36 Senatoren für die PDC hat er auf den ersten Blick die notwendigen Voraussetzungen, um sein Modell des “Kapitalismus für alle” sowie seine Dezentralisierungspläne in die Tat umzusetzen. Dazu kommt die Tatsache, dass er im Parlament praktisch keine ideologische Opposition hat, nachdem Evo Morales zum Wahlboykott bei den Parlamentswahlen aufgerufen hatte und die MAS auch deshalb praktisch keine parlamentarische Repräsentation mehr hat. Mitte-Rechts-Kräfte verfügen über eine 90-Prozent-Mehrheit im neuen Abgeordnetenhaus und über 100 Prozent des Senates.  Doch so sicher seine Regierungsmehrheit zunächst erscheint, so vielfältig sind die Herausforderungen, die vor dem neu gewählten Präsidenten liegen.

 

Diese beginnen in seiner eigenen Partei und bei seinem Vizepräsidenten, die bereits im Wahlkampf um die Stichwahl und in der Wahlnacht zu erkennen gaben, dass sie in unterschiedliche Fraktionen aufgespalten sind und dem neu gewählten Präsidenten nicht bedingungslos folgen. Somit wird es für Rodrigo Paz entscheidend darum gehen, Mehrheiten unter Einbeziehung der anderen Mitte-Rechts-Kräfte zu finden, um seine Reformpläne voranzutreiben. Er kann sich nicht bedenkenlos auf den Rückhalt in der PDC verlassen, da diese keine organisch-geschlossene politische Partei ist und Paz lediglich (wie in Bolivien nicht unüblich) gestattet hatte, unter ihrem Parteinamen anzutreten. Die PDC garantiert dem neu gewählten Präsidenten keinerlei kohärente Parteibasis im Parlament, geschweige denn ein diszipliniertes Abstimmungsverhalten entlang der von ihm vorgegebenen Linien. Da viele neu gewählte PDC-Abgeordnete der Partei erst kurz vor oder gar im Wahlkampf beitraten, verspüren sie kaum Verpflichtungen gegenüber der Präsidentenpartei.

 

Die Erwartungshaltung der Bevölkerung gegenüber dem neuen Präsidenten ist dennoch extrem hoch. Unklar bleibt dabei, ob sie auch die notwendige Leidensfähigkeit und Disziplin für die schmerzhaften Reformen aufbringen wird. Es steht zu befürchten, dass der Widerstand – auch im eigenen politischen Lager – schnell anwächst, sobald die ersten unweigerlichen Einschnitte kommen. Sowohl im Parlament als auch auf der Straße ist mit wachsendem Unmut bis hin zu organisiertem Widerstand, etwa durch Evo Morales und seine Anhänger, zu rechnen. Das Mobilisierungspotenzial des Ex-Staatschefs sollte nicht unterschätzt werden.

 

Nachdem Rodrigo Paz am 8. November als neuer Präsident Boliviens vereidigt wird, dürfte sein Erfolg sehr davon abhängen, wie sehr er die bolivianische Bevölkerung für den sicherlich nicht ganz schmerzfreien Reformkurs zu gewinnen und auf einen grundlegenden, aber nicht über Nacht erreichbaren Wandel einschwören können wird. Gelingt es ihm darüber hinaus im Parlament, über die eigene Partei hinausgehende Mehrheiten zu organisieren und die Reformen so sozial abzufedern, dass der in Bolivien notorische Widerstand der Straße im Zaum gehalten wird, kann der angekündigte Paradigmenwechsel gelingen.

 

Kurswechsel zu einer konstruktiven Außenpolitik

Ein grundlegender Wandel wird nicht nur für die Innen- und Wirtschaftspolitik erwartet, sondern insbesondere auch im Hinblick auf die bolivianische Außenpolitik. Nach Jahren der regionalen und internationalen Isolation und ideologisch motivierten Partnerschaften mit China, Russland und internationalen Paria-Staaten wie Iran, Venezuela oder Nicaragua, will Bolivien seine Außenbeziehungen konstruktiv neu definieren. Neben dem klaren Interesse, ausländische Investitionen und den Handel zu fördern, stehen für Paz insbesondere eine Wiederannäherung an die USA sowie das Nachbarland Chile, mit dem die sozialistische Regierung äußerst konfliktive Beziehungen pflegte, auf dem Programm. Zudem dürfte sich die neue bolivianische Regierung schnell von Diktaturen wie Venezuela oder dem Iran distanzieren.

 

Im Hinblick auf Deutschland und die EU ist von einem gesteigerten Interesse zur weiteren Vertiefung der Beziehungen auszugehen. Rodrigo Paz, der aufgrund des gefährlichen Kampfes seines Vaters für die bolivianische Demokratie im Exil in Spanien zur Welt kam, weiß um den Wert freiheitlich gesinnter internationaler Partner und hat besondere Sympathien für das demokratische Projekt der Europäischen Union. Unter der MAS-Regierung noch kritisch für ihr demokratisches Engagement beäugt, wird der EU und auch Deutschland die Unterstützung und Begleitung der bolivianischen Präsidentschaftswahlen durch die Wahlbeobachtermission und die langjährige Förderung der bolivianischen Zivilgesellschaft nun äußerst positiv angerechnet. Der Regierungswechsel in La Paz könnte somit nicht nur den Ausgangspunkt für einen demokratischen Neuanfang im Land sondern auf für ein wiedererwachendes Interesse an einer Stärkung der Zusammenarbeit mit der EU darstellen, auf welche Europa mit Wohlwollen und Engagement antworten sollte.  Nicht zuletzt da Bolivien über große nicht gehobene Lithiumreserven verfügt, ist dies von besonderem strategischem Interesse.

 

 

 

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お問い合わせ Dr. Christina Stolte
Portrait Christina Stolte
Leiterin des Auslandsbüros in Bolivien und des Regionalprogramms PPI
christina.stolte@kas.de +591 22775254

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