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Die Reformen der Regierung Mario Monti

Die Regierung von Premierminister Mario Monti ist noch keine 100 Tage im Amt. Zeit zur Einarbeitung ließ die Euro-Krise jedoch nicht zu. Daher ist es bereits jetzt Zeit für eine erste Zwischenbilanz. Ist die neue italienische Regierung gut gestartet? Wie kommen die angekündigten Reformen voran?

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Als Mario Monti am 16. November 2011 zum Regierungschef ernannt wurde, stand fest: Die enormen Schulden Italiens, rund 120 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP), erfordern ein hartes Sparprogramm. Vor allem aber müssen gleichzeitig die Rahmenbedingungen für mehr Wirtschaftswachstum geschaffen werden. Und es war auch klar, dass Premierminister Monti nicht viel Zeit für diese schwierigen Aufgaben bleibt. Die internationalen Finanzmärkte trieben Italien bereits vor sich her: In den letzten Tagen der Regierung Berlusconi stieg der „Spread“, also der Renditeabstand zwischen deutschen und italienischen Anleihen, unablässig an. Die aufgehäufte Schuldenlast kam Italien immer teuerer zu stehen und drohte nicht nur das Land, sondern die ganze Euro-Zone zu beschädigen. Hinzu kommt folgendes: Die nächsten italienischen Parlamentswahlen finden turnusgemäß im Frühjahr 2013 statt. Das Zeitfenster für Reformen, das der Regierung Monti vor dem einsetzenden Wahlkampf bleibt, ist knapp.

Schneller Reformstart

Erwartungsgemäß machte sich die Regierung von Premierminister Mario Monti nach der Berufung durch Staatspräsident Giorgio Napolitano mit großer Geschwindigkeit an die Arbeit: Ein erstes Reformpaket brachte der „Professore“, wie Monti - halb respektvoll und halb spöttisch - im römischen Politikbetrieb genannt wird, noch im Dezember 2011 durch beide Kammern des italienischen Parlaments. Das erste Reformpaket der Regierung Monti trägt den Namen „Salva Italia“, auf Deutsch „Rette Italien“. Für diese Rettung verlangt Premierminister Monti den Italienern bereits wenige Tage nach der Übernahme der Regierungsgeschäfte „sacrifici“ (dt. „Opfer“) ab.

Bei der Vorstellung der geplanten Rentenreform ließen Tränen der Arbeits- und Sozialministerin Elsa Fornero die Stimme versagen. Sie kündigte an, dass die Renten in den Jahren 2012 und 2013 nicht um die Inflationsrate angepasst werden. Lediglich der Mindestsatz von 467 Euro pro Monat sei ausgenommen. Ferner wird das Rentenalter angehoben: In der Privatwirtschaft müssen Frauen ab dem Jahr 2012 bis zum 63. Lebensjahr arbeiten. Bislang hatten die Italienerinnen mit 60 Jahren das Renteneintritt¬salter erreicht. Das Renteneintrittsalter der Männer soll bis 2022 auf 67 Jahre ange¬hoben werden. Auch Deutschland sieht ab 2012 eine stufenweise Anhebung des Renteneintrittsalters für Frauen und Männer von jetzt 65 auf 67 Jahre vor. Wer früher in Rente gehen möchte, muss in Italien mindestens 42 Jahre und einen Monat in die Rentenkasse eingezahlt haben. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 45 Jahre. Eine vorzeitige Altersrente ab 63 Jahren hat in Italien eine Rentenkürzung um drei Prozent pro fehlendem Beitragsjahr zur Folge. In Deutschland hat ein Arbeitnehmer bei Frühverrentung mit Einbußen von 0,3 Prozent für jeden Monat, der vor dem Renteneintrittsalter liegt, zu rechnen. Auch wenn der Vergleich mit den Deutschen Zahlen zeigt, dass die Regierung Monti mit Augenmaß an die Reformen herangeht, so ist der Einschnitt für die betroffenen Italiener doch groß.

Das Sparpaket umfasst zahlreiche weitere Maßnahmen: Die von der Regierung Berlusconi abgeschaffte Immobiliensteuer auf das erste Eigenheim, wird ab 2012 wiedereingeführt. Eine Luxussteuer auf große Autos, Yachten, Flugzeuge und Hubschrauber ist vorgesehen. Mit Bargeld darf in Italien ab Januar 2012 nur noch bis 1.000 Euro gezahlt werden – ein Schritt, um die in Italien weit verbreitete Alltagspraxis der Steuerhinterziehung in den Griff zu bekommen. Wenn notwendig, soll ab September 2012 die Mehrwertsteuer von 21 Prozent auf 23 Prozent angehoben werden.

Mario Monti selbst verzichtete als Zeichen der Solidarität auf sein Gehalt als Ministerpräsident und Wirtschaftsminister. Aber er geht noch weiter: Bei dem in Italien beliebten Akkumulieren von Ämtern und Positionen kann von den für Zweit- oder Drittbeschäftigungen vorgesehenen Gehältern nur noch ein Viertel beansprucht werden. Die Abgeordnetendiäten wurden gekürzt. Für die Provinzen kündigte Monti eine Neuorganisation des öffentlichen Dienstes, samt Personalkürzungen in den Räten an. Zusammengenommen soll das Paket aus Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen 30 Milliarden Euro einsparen.

Die Weichen werden neu gestellt

Beim EU-Gipfel in Brüssel am 30. Januar 2012 stimmte Italien einer Schuldenbremse zu. Diese wurde bereits im September 2011, noch unter Premierminister Silvio Berlusconi, auf den Weg gebracht. Die Schuldenbremse liegt ganz auf der Linie von Mario Montis neuer italienischer Stabilitätskultur. Monti sieht sich als „Politiker auf Zeit“, kann so aber verhindern, dass Nachfolgeregierungen wieder auf den alten Schuldenpfad zurückkehren.

Obwohl gerade etliche entscheidende Weichen in Italien neu gestellt werden, zeigten sich die Märkte zunächst noch wenig beeindruckt. Insbesondere bei den langfristigen Anleihen schlugen sich die Maßnahmen der Regierung Monti noch nicht im erhofften Maße in Zinssenkungen nieder. Im Vorfeld eines Gesprächs mit der deutschen Bundeskanzlerin rief der italienische Premierminister in verschiedenen Zeitungs- und Fernsehinterviews die deutsche Bundesregierung dazu auf, einen Beitrag zur Senkung der italienischen Zinsen zu leisten. Wie, ließ er allerdings offen.

Glaubwürdigkeit und Perspektiven

Am 27. Januar verabschiedete die italienische Regierung dann ein Wachstumspaket: „Es zielt darauf ab, die Kosten, den Aufwand und die Zeit zu verringern, die benötigt werden, um Geschäfte zu machen“, verlautbarte das Ministerium für Wirtschaftsentwicklung. Jungunternehmer müssen für die Gründung eines Unternehmens nur noch eine symbolische Einlage von einem Euro aufbringen. Normalerweise sind es 10.000 Euro. Für Einwanderer soll es leichter werden, eine Arbeitserlaubnis zu erhalten; Gebühren sollen vermehrt auch elektronisch bezahlt werden können; die Datenverarbeitung und Aktenführung soll zentralisiert, die Verwaltung damit effizienter werden. Weitere Maßnahmen zur Förderung des Wachstums, zur Verbesserungen der Infrastruktur, sowie eine grundlegende Reform des Arbeitsmarktes sind für den Februar 2012 angekündigt.

Den Fokus neuer Reformmaßnahmen auf Wachstum auszurichten, ist sinnvoll: Im verabschiedeten europäischen Fiskal- und Stabilitätspakt verpflichtet sich Italien, den Schuldenstand binnen der nächsten 20 Jahre auf die vorgeschriebenen 60 Prozent des BIP zurückzuführen. Italienische Ökonomen haben berechnet, dass das Land dafür jährlich rund 3 Prozent des Staatshaushalt, dies entspricht rund 40 Milliarden Euro, aufwenden muss. Premierminister Monti fürchtet zu Recht um die italienische Konjunktur, sollte die Summe längerfristig tatsächlich aus dem Haushalt „herausgespart“ werden müssen. Nur ein stärkeres Wirtschaftswachstum kann Italien bei Rückführung der Schuldenlast entscheidend voranbringen. Aber, kann das gelingen? Das italienische Finanzministerium jedenfalls hat bereits berechnet, dass die von der Regierung Monti beschlossenen Reformen über die nächsten Jahre das Wirtschaftswachstum um bis zu 11 Prozent, die Einkommen um bis zu 12 Prozent und die Beschäftigung um bis zu 8 Prozent steigen lassen sollen. Sollte sich eine entsprechende Entwicklung abzeichnen, wäre dies mit Sicherheit das Signal für deutlich sinkende Kreditzinsen auch bei den langfristigen italienischen Titeln.

Der Weg zu mehr Wachstum bleibt aber noch holperig: Ein weiteres, im Januar 2012 diskutiertes, Reformpaket befasste sich mit Liberalisierungsmaßnahmen im Gas- und Energiesektor, im Transportwesen, bei Apotheken und Tankstellen, Zeitungskiosken, Taxis, Rechtsanwälten, Notaren und Steuerberatern. Mit einer Welle von Streiks und Protesten wandten sich die Betroffenen gegen die vorgeschlagenen Maßnahmen. Diese wurden anschließend zwar umgesetzt, aber zuvor in vielen Details noch einmal abgeschwächt. Viele Beobachter sorgen sich nun, dass auch die Regierung Monti in die aus der italienischen Politik gewohnten Muster zurückfallen könnte: Immer wieder wurden tiefgreifende Reformen für mehr Wettbewerb angekündigt, doch blieb es meist bei leeren Versprechen. Gerade die Reformen für mehr Wettbewerb und Steuergerechtigkeit, gegen Nepotismus und Klientelismus werden zu einem wichtigen Gradmesser dafür, wie ernst es die Regierung Monti mit ihren Reformen wirklich meint. Hier muss geliefert werden!

Das weiß durchaus auch Premierminister Monti und so lässt er gegenwärtig einen Generalangriff auf die Steuerhinterziehung durchführen. Die Finanzpolizei wurde mit einer Reihe neuer Instrumente ausgestattet. Kurz vor Neujahr griff sie im edlen Dolomiten-Skiort Cortina d’Ampezzo zu und forderte von den Ladenbesitzern die Steuererklärungen. Mitte Januar 2012 geriet die römische Via Condotti mit ihren Luxusläden ins Visier der Steuerpolizei. Die italienische Mittelschicht, die seit Jahren hohe Steuern entrichten, freut sich, dass nun auch einmal die Reichen „zur Kasse gebeten“ werden. Nahezu täglich wird über die Maßnahmen und Erfolge der Finanzpolizei in den Medien umfassend berichtet. Die Strategie ist offensichtlich: Aus Furcht, nun endlich erwischt zu werden, sollen mehr Italiener ihre Steuern in voller Höhe bezahlen. Die Regierung Monti hat die projektierten Mehreinnahmen durch steigende Steuereinnahmen dennoch nicht vorauseilend in ihren Sparkatalog eingerechnet. Hier unterscheidet sich die neue italienische Regierung wohltuend von ihren Vorgängerregierungen. Beim Kampf gegen den Klientelismus und für mehr Wettbewerb darf sie aber noch mutiger werden.

Der politische Faktor

Als ob seine Aufgabe nicht schon schwer genug wäre, muss Mario Monti zusätzlich fürchten, dass ihm die Zeit ausgehen könnte: Der Premierminister kann sich zwar gegenwärtig auf eine Art „große Koalition“ stützen und verfügt über eine Mehrheit, wie sie noch kein italienischer Regierungschef der Nachkriegszeit hatte. Aber kann er sich auf diese Unterstützung verlassen? Und vor allem wie lange noch? Die „Kaste“ der Berufspolitiker ist schon jetzt unzufrieden. Monti beginnt mit seinen Reformen, ein sorgfältig ausbalanciertes Machtsystem auszutrocknen. Durch die Stabilitätsmechanismen, die er verankert, gefährdet Monti den Zugang zu den finanziellen Ressourcen, die in Rom traditionell den politischen Machterhalt absicherten. Mario Monti, der „Professore“, der nie in ein politisches Amt gewählt wurde, wird in Rom von keiner politischen Partei wirklich unterstützt. Er wird lediglich toleriert, bis die schmerzhaftesten Reformen erledigt sind und der Wahlkampf beginnen kann. Er weiß das. Und die politische Elite Italiens weiß es auch.

In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeine Zeitung sagt der Chefsvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Meyer, kurz vor dem Jahreswechsel, dass 2012 das italienische Jahr wird. Denn von Italien hänge die Zukunft des Euro ab. Wünschen wir Italien also im eigenen Interesse, dass die Reformen weiter gut voran kommen, dass Italien die sich abzeichnende Rezession schnell überwinden kann und dann zu einem nachhaltigen Wirtschaftswachstum findet.

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Die Politische Meinung
18. Januar 2012
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