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U.S. Army / flickr / CC BY 2.0

Länderberichte

Frieden vs. Demokratie?

von Dr. Ellinor Zeino

Das US-Friedensabkommen mit den Taliban

Am 29. Februar 2020 haben die USA mit der Taliban-Führung in Katar ein Friedensabkommen unterzeichnet. Das Abkommen könnte einen Schlussstrich unter fast zwanzig Jahre Krieg und Gewalt zwischen Taliban, afghanischer Regierung und internationalen NATO-Truppen ziehen. Das Abkommen regelt den Abzug der ausländischen Truppen - eine langjährige Hauptforderung der Taliban-Bewegung - eine Anti-Terror-Garantie seitens der Taliban, die Modalitäten für einen umfassenden Waffenstillstand sowie den Beginn von intra-afghanischen Verhandlungen. Mit der angestrebten politischen Einbindung und Regierungsbeteiligung der Taliban in Kabul steht die Staats- und Gesellschaftsordnung der afghanischen Republik erstmals seit dem Sturz des Taliban-Emirats 2001 neu zur Verhandlung.

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Am 29. Februar 2020 haben die USA mit der Taliban-Führung in Katar nach fast zwanzig Jahren Krieg und Gewalt in Afghanistan ein Friedensabkommen unterzeichnet. Nach dem bilateralen Abkommen ist der Weg frei für inner-afghanische Friedensverhandlungen.

Dem Abkommen war eine siebentägige Reduzierung der Gewalt als vertrauensbildende Maßnahme vorausgegangen. Im Abkommen versprechen die USA innerhalb von viereinhalb Monaten (135 Tagen) eine sukzessive Reduzierung ihrer Truppen von gut 12.000 auf 8.600 und stellen einen Gesamtabzug aller US-und NATO-Truppen innerhalb von 14 Monaten in Aussicht. Für die Taliban war der Abzug der ausländischen Truppen die Hauptforderung auf dem Weg zu einem Frieden; für US-Präsident Trump ist der Rückzug der US-Truppen aus Afghanistan eine wichtige Ansage für die US-Präsidentschaftswahlen im November.

Intra-Afghanische Verhandlungen: Welche Stolpersteine?

Bereits am 10. März sollen die intra-afghanischen Verhandlungen zwischen der Taliban-Delegation und einer breiten afghanischen Delegation aus Regierung und weiteren politischen Akteuren beginnen. Die intra-afghanischen Verhandlungen dürften der schwierigsten Teil auf dem Weg zu einer Friedenslösung werden. Sie sollen die Modalitäten der politischen Einbindung und Regierungsbeteiligung der Taliban in Kabul sowie den Weg für eine neue Verfassung aushandeln.

Anhaltende Regierungskrise schwächt die Verhandlungsposition gegen über den Taliban

Am 18. Februar, fast fünf Monate nach den afghanischen Präsidentschaftswahlen im September letzten Jahres und zwei Wochen vor der erwarteten Unterzeichnung des Friedensabkommens gab die Unabhängige Wahlkommission (IEC) die endgültigen Wahlergebnisse bekannt. Wie erwartet wurde der amtierende Präsident Ghani mit 50,64 Prozent der Stimmen zum Sieger erklärt. Zweiter wurde Regierungschef (CEO) Abdullah mit 39,52 Prozent.

Mit Bekanntgabe der offiziellen Wahlergebnisse hat sich die politische Polarisierung im öffentlichen Diskurs zwischen Ghani-Anhängern und -Gegnern, allen voran dem Lager von CEO Abdullah, gefährlich verschärft. Sie werfen Präsident Ghani Wahlbetrug vor.

Die Bekanntgabe der Wahlergebnisse wurde wiederholt verschoben. Die Wahlbeteiligung war auf einem historischen Rekordtief. Von 9,7 Millionen registrierten Wählern waren nur 2,7 Millionen zur Wahlurne gegangen. Am Ende wurden davon aufgrund technischer Probleme und Unregelmäßigkeiten und nach einer teilweisen Neuauszählung nur 1,8 Millionen Stimmen für gültig erklärt. Dies ist das schwächste demokratische Mandat für eine afghanische Regierung der Ära seit 2001.

Abdullah und weitere politische Führer und ehemalige Mujahidin-Kommandeure wie Abdul Rashid Dostum und Muhammad Mohaqiq drohen eine Parallelregierung auszurufen, falls sich Ghani erneut zum Präsidenten vereidigen lassen sollte. In den nördlichen Provinzen Saripul und Jawzjan hat Dostum nach den Wahlergebnissen eigenmächtig die Gouverneure ausgewechselt. In den nördlichen Provinzen Panjschir und Baghlan haben die Gouverneure Abdullah bzw. seiner Jamiat-e Islami Partei ihre Loyalität erklärt.

Die internationale Gemeinschaft blieb nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse auffällig schweigsam und beobachtend. Indien, einer der engsten politischen Verbündeten der afghanischen Regierung, gratulierte Ghani als einer der ersten Staaten zwei Tage nach Bekanntgabe zu seinem Wahlsieg.

Für die Friedensverhandlungen muss die afghanische Regierung eine von allen akzeptierte Liste mit Verhandlungsführern vorschlagen. Dies dürfte unter der aktuellen Polarisierung schwer werden.

Für die Friedensverhandlungen kommen die Wahlergebnisse denkbar ungünstig. Die innerafghanische Spaltung schwächt in den bevorstehenden Friedensverhandlungen die gesamtafghanische Solidarität. Diese wird jedoch unbedingt nötig sein für eine Verteidigung der Werte der afghanischen Republik gegenüber den Taliban mit ihren Forderungen eines Islamischen Emirats.

Die intra-afghanischen Verhandlungen sollen ab 10. März beginnen, Berichten zufolge könnte Oslo der erste Austragungsort sein. Präsident Ghani hatte auf US-Druck hin seine Amtseinführung auf den 9. März verschoben. Wieder scheinen Friedensprozess und Regierungsbildung zeitlich in Konkurrenz zu stehen. Für die Friedensverhandlungen muss die afghanische Regierung eine Liste mit Verhandlungsführern vorschlagen, die von allen Seiten akzeptiert wird. Dies dürfte unter der aktuellen Polarisierung schwer werden.

 

Den vollständigen Länderbericht zum US-Friedensabkommen mit den Taliban können Sie als PDF herunterladen.

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Dr. Ellinor Zeino

Ellinor Zeino

Leiterin des Regionalprogramms Südwestasien

ellinor.zeino@kas.de

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