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Länderberichte

Die Grenze bleibt zu!

von Stefan Samse, Hendrik Mollenhauer

Wunsch und Wirklichkeit nach dem nordkoreanisch-amerikanischen Gipfeltreffen

Dass der Gipfeltag kein gewöhnlicher Tag werden würde, war selbst den jüngsten Südkoreanern schnell klar. Die so beliebten Zeichentrickserien, die sonst an jedem Morgen im Fernsehen laufen, fielen den Sondersendungen über das nordkoreanisch-amerikanische Gipfeltreffen zum Opfer. Südkorea blickte mit Hoffnung, gleichwohl nüchtern und fokussiert in Richtung Singapur.

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Donald Trump und Kim Jong-un beim Gipfeltreffen in Singapur

Ein „Jahrhundertgipfel“?

Die Emotionen und der Hauch einer umbruchartigen Veränderung, der beim innerkoreanischen Gipfel Ende April zu spüren war, blieben bei dem in der südostasiatischen Metropole stattfindenden Gipfel, bei dem Seoul lediglich die Zuschauerrolle einnehmen konnte, dieses Mal aus.

Das Zustandekommen des historischen Gipfels stand mehrfach am Rande des Scheiterns. Wohl nur durch das große Engagement des südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-in blieben Nordkoreaner und Amerikaner im Gespräch. Er moderierte, vermittelte und erklärte hinter den Kulissen.

Ein Treffen auf Augenhöhe?

Die erste Begegnung zwischen Donald Trump und Kim Jong-un auf dem roten Teppich des Tagungsortes wirkte noch auf Augenhöhe. Dem Rückzug zum Vieraugengespräch gingen kurze Eingangsstatements voraus. Kim bediente sich einer koreanischen Redensart. Demnach sei Nordkorea über lange Zeit „an der Ferse festgehalten worden“. Damit zeichnete er das Bild eines Amerikas, das ihm und seinem Land für lange Zeit Schwierigkeiten bereitet habe. Nach einer langen von Missverständnissen und Provokationen geprägten Zeit sei man nun bereit, neue Beziehungen aufzubauen.

Mit zunehmender Gipfeldauer war Kim Jong-un anzumerken, dass er auf für ihn unbekanntem Terrain dem Tempo des US-Präsidenten nicht folgen konnte. Sowohl beim Gespräch mit Journalisten wie auch während der Unterzeichnung der Gipfelvereinbarungen dominierte Donald Trump die Bühne. Offenkundig war es der nordkoreanischen Seite im Vorfeld nicht gelungen, in dem internationalen Umfeld für protokollarisch ausgewogene Redeanteile zu sorgen. Und dennoch, Kim Jong-un flog nicht mit leeren Händen nach Pjöngjang zurück.

Wer hat was erreicht?

Der Gipfel brachte globale Aufmerksamkeit und starke Bilder. Davon profitieren beide Seiten. Einen Tag später als westliche Medien veröffentlichte die staatliche Nachrichtenagentur KCNA die nordkoreanische Deutung der Gipfelergebnisse. Jenseits des Abschlussdokuments, das sich in weiten Teilen wie eine Absichtserklärung liest, betonte KCNA vor allem das absehbare Ende der Wirtschaftssanktionen, das vereinbarte abgestufte Vorgehen hinsichtlich des Denuklearisierungsprozesses sowie das von Trump angekündigte Ende der südkoreanisch-amerikanischen Militärmanöver. Politisch gehört sicher auch die ins Abschlussdokument hineinformulierte Sicherheitsgarantie auf die Habenseite der Nordkoreaner. Diesen Punkt hatten die Amerikaner der nordkoreanischen Seite mit einer allgemein gehaltenen Formulierung zugestanden.

Für die US-Seite war die Bekräftigung der Zusage für eine vollständige Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel von herausragender Bedeutung. Die von den Amerikanern erhobene Forderung nach einer vollständigen und unumkehrbaren Abrüstung des nordkoreanischen Atom- und Raketenprogramms hingegen fand keinen Eingang in das Dokument. Die vagen Formulierungen und der fehlende Zeitplan sind die größten Schwächen der Vereinbarung. Trump kam es offensichtlich vor allem darauf an, als erster US-Präsident den Grundstein für eine Überwindung der Feindseligkeiten und damit für einen Neuanfang in den Beziehungen zu Nordkorea gelegt zu haben.

Das offizielle Südkorea sieht in den Gipfelergebnissen einen weiteren Zwischenschritt auf dem Weg zu einer neuen Friedensordnung für die koreanische Halbinsel. Nachdem allerdings Trump in seiner Nach-Gipfelpressekonferenz - unabgestimmt - ein Ende der südkoreanisch-amerikanischen Militärmanöver ankündigte, waren Verwunderung und Irritation in Seoul groß. Mit dieser Frage dürfte sich der amerikanische Außenminister Mike Pompeo, der aus Singapur direkt zu Konsultationen nach Südkorea und China reiste, intensiv beschäftigt haben. Die südkoreanische Präsidialadministration hat am Tag nach dem Gipfel vorsichtig zu erkennen gegeben, dass eine Aussetzung der Militärmanöver unter Umständen erforderlich werden könnte, um den weiteren Prozess zu unterstützen. Das Thema ist in Südkorea höchst sensibel, umstritten und birgt Risiken. Sicherheitsexperten aus Regierung und Opposition sind alarmiert und weisen u.a. darauf hin, dass die regelmäßigen Trainings von südkoreanischen und amerikanischen Einheiten schon wegen der häufigen Rotation der amerikanischen Streitkräfte ein elementarer Bestandteil der Abschreckung seien.

Wie reagieren die Nachbarstaaten?

In seiner offiziellen Stellungnahme bezeichnet das chinesische Außenministerium den Verlauf des Gipfeltreffens als einen „wichtigen Fortschritt“ für die Bemühungen um eine Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel und der politischen Lösung des Konfliktes. In der Tat hat China ein sehr großes Interesse an einer vollständigen Denuklearisierung bei gleichzeitig zurückgehendem US-amerikanischem Einfluss. Das beispielsweise würde sich durch das von Präsident Trump angekündigte vorläufige Ende der gemeinsamen Militärmanöver mit Südkorea ergeben. Zudem verfolgt die Volksrepublik derzeit mit hoher Priorität wirtschaftspolitische Ziele, unter anderem mit der industriepolitischen Agenda „Made in China 2025“ oder durch das überregionale Infrastrukturprojekt „Belt and Road Initiative“. Eine weitere Eskalation des Konfliktes vor der eigenen Haustür würde die Erreichung dieser wirtschaftspolitischen Ziele stören.

In Japan bewertet man das Gipfeltreffen zwischen dem US-Präsidenten Donald Trump und Kim Jong-un deutlich zurückhaltender. Einerseits mag der neu entstandene Dialog auch als (vielleicht letzte) Chance für Japan angesehen werden, den Disput mit Nordkorea über die seit den Siebzigerjahren nach Nordkorea entführten und teilweise zu Spionagezwecken missbrauchten Staatsbürger zu lösen. Zum anderen wird die gemeinsame Erklärung als „hinter den Erwartungen zurückgeblieben“ bewertet, vor allem im Vergleich zu früheren Communiqués. Die Enttäuschung überwiegt somit. Nichtsdestotrotz wird für August oder September ein persönliches Treffen von Premierminister Shinzo Abe und Kim Jong-un erwogen.

Wie geht es weiter?

Der Gipfel kann bestenfalls der Auftakt eines längerfristigen Prozesses sein. Die eigentliche Arbeit beginnt erst jetzt. Weitere Zeichen der Entspannung auf der koreanischen Halbinsel oder gar größere Veränderungen in den Beziehungen der beiden Koreas sind in den kommenden Wochen und Monaten nicht zu erwarten.

Die Euphorie und die Hoffnung auf eine Verbesserung in den Beziehungen zum Norden, die in Südkorea seit den Olympischen und Paralympischen Winterspielen sowie nach dem innerkoreanischen Gipfel zu spüren war, ist vorerst verflogen. Aus den großen Symbolen haben sich bisher auf ziviler Ebene keinerlei Kontakte und Projekte entwickeln können. So hat es in diesem Jahr auf der koreanischen Halbinsel noch keine Treffen zwischen Nord- und Südkoreanern gegeben; auch avisierte akademische Austausche, beispielweise zwischen Universitäten, finden nicht statt. Und wenn südkoreanische Offizielle in den Norden reisen, dann gleicht das immer noch einer Fahrt in ein feindliches Land - ohne Mobiltelefon und ohne Visitenkarten. Solange auf beiden Seiten das Misstrauen überwiegt, bleiben die Korea teilenden Grenzen zu – sowohl an der Demarkationslinie wie auch in den Köpfen.

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Stefan Samse

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Leiter des Rechtsstaatsprogramms Asien

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