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Fußball als Instrument marokkanischer Politik

од Steven Höfner, Pia Salbaum

Zwischen Spielfeld und Weltbühne

Wenn Millionen Augen auf ein Spielfeld gerichtet sind, verwandelt sich eine sportliche Veranstaltung in eine globale Präsentationsfläche. Bereits Ende 2025 wird Marokko mit der Ausrichtung des Fußball-Afrikacups zum Zentrum kontinentaler Aufmerksamkeit. Es ist ein bedeutender Wegbereiter für die noch größere Bühne der Fußball-Weltmeisterschaft 2030. Beide Turniere bieten dem Königreich die Möglichkeit, sich nicht nur als Gastgeber, sondern sich auch als wirtschaftlich dynamischer Staat zu präsentieren. Bereits jetzt sorgen die beiden Großereignisse als Katalysatoren für Milliardeninvestitionen in Verkehrsinfrastruktur, Tourismus und Digitalisierung. Dennoch bringt die politische Instrumentalisierung sportlicher Ereignisse auch Herausforderungen mit sich. Entscheidend wird sein, ob Marokko die politischen Resultate des Afrikacups und der Weltmeisterschaft langfristig nutzen kann, um das Vertrauen in seine wirtschaftlichen Potentiale nachhaltig zu festigen und soziale Spannungen zu lösen.

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Unter der Führung von König Mohammed VI haben sich die außenpolitischen Strategien Marokkos seit den frühen 2000er Jahren gewandelt.Während zuvor vor allem sicherheitspolitische Kooperationen und wirtschaftliche Beziehungen mit der arabischen Welt im Fokus standen, verfolgt der Maghreb-Staat heute einen multidimensionalen Ansatz, der politische Kommunikation mit kulturellen und symbolischen Elementen verknüpft. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Afrika und die dadurch stetig weiterentwickelte marokkanische Renaissance auf dem Kontinent. In diesem Kontext ist die Ausrichtung des Afrikacups 2025 nicht nur ein sportliches Großereignis, sondern auch ein strategisches Instrument, um regionale Führungsambitionen zu unterstreichen und die panafrikanische Zugehörigkeit zu betonen.

Des Weiteren war der Einzug der marokkanischen Nationalmannschaft ins Halbfinale der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar ein besonders prägendes Ereignis in der politischen Selbstdarstellung. Dieser sportliche Erfolg verschaffte dem nordafrikanischen Land weltweite Aufmerksamkeit, die es gezielt nutzte, um sein Profil als gefestigter, integrationsfähiger und inklusiver Staat zu schärfen. Der sportliche Erfolg steigerte dabei den unbestritten vorhandenen Nationalstolz vieler Marokkanerinnen und Marokkaner noch weiter. Der Afrikacup 2025 bietet die Chance, diese Euphorie auf kontinentaler Ebene und im eigenen Land neu aufleben zu lassen. Die nationale Identität dient stets als einende Brücke zwischen den verschiedenen Ethnien des Landes unter Führung des alawidischen Königshauses.

Zudem betont das Land, insbesondere in der gemeinsamen Ausrichtung der WM 2030 mit Portugal und Spanien, dessen Rolle als Verknüpfung zwischen Afrika und Europa. Frühere Bewerbungen um die Ausrichtung der Weltmeisterschaft – für die Jahre 1994, 1998, 2006, 2010 und 2026 – verdeutlichen das langjährige Bestreben Marokkos, sich über dieses sportliche Großereignis international zu positionieren. Der Afrikacup 2025, erst die zweite kontinentale Fußballmeisterschaft der Männer in Marokko nach 1988, markiert nun einen ersten wichtigen Meilenstein auf diesem Weg und dient als Testlauf für die organisatorischen, infrastrukturellen und diplomatischen Anforderungen der Weltmeisterschaft knapp fünf Jahre später.

 

Marokkos Soft Power als Ventil für Interessenspolitik

Im Zusammenhang mit der Weltmeisterschaft 2030 setzt Marokko Soft Power gezielt ein, um sich als modernes, stabiles und weltoffenes Land zu präsentieren. Das Turnier bietet dem Königreich eine globale Bühne, auf der es sich nicht nur als sportlicher Gastgeber, sondern auch als aktiver Mitgestalter internationaler Dynamiken inszenieren kann. Millionen Menschen weltweit werden das Turnier verfolgen, Medien berichten über Wochen hinweg intensiv, und das Gastgeberland rückt ins Zentrum der internationalen Aufmerksamkeit. Diese mediale Präsenz bietet Marokko eine einmalige Gelegenheit, ein modernes und zugleich tief verwurzeltes Selbstbild zu vermitteln. Dies ist keine neue Beobachtung. Politische Instanzen nutzen regelmäßig sportdiplomatische Soft Power, um internationale Attraktivität und Vertrauen zu gewinnen. Durch die emotionale Wirkung sportlicher Großereignisse werden politische Botschaften gezielt eingesetzt, um außenpolitische Beziehungen zu intensivieren und Interessen zu vermitteln.

Die gemeinsame Bewerbung mit Portugal und Spanien sendet aus Marokko mehrere außenpolitische Signale. So entstehen im Zuge der Vorbereitungen zahlreiche trilaterale Projekte, die weit über den Sport hinausreichen. Medienpartnerschaften und abgestimmte Kommunikationsstrategien sorgen dafür, dass die Bewerbung als einheitliches Projekt wahrgenommen wird. Marokko demonstriert damit nicht nur seine geografische Nähe zu Europa, sondern auch seine institutionelle Leistungsfähigkeit und Bereitschaft zur gleichberechtigten Zusammenarbeit mit zwei etablierten EU-Mitgliedstaaten.

Darüber hinaus nutzt Marokko den Afrikacup 2025 und fünf Jahre später die Weltmeisterschaft zur strategischen Positionierung auf dem afrikanischen Kontinent und innerhalb der Afrikanischen Union. Seit seiner Rückkehr in dieses multilaterale Bündnis im Jahr 2017 verfolgt das Königreich eine aktive Rolle innerhalb der kontinentalen Politik. Die Ausrichtung beider Turniere dient als Hebel zur Stärkung dieser Position. Die marokkanische Führungselite betont stets, dass die Veranstaltungen nicht nur Marokko, sondern den gesamten afrikanischen Kontinent repräsentieren sollen. Bereits in der Vorbereitungsphase des Afrikacups vertiefte Marokko seine bilateralen Beziehungen mit anderen afrikanischen Staaten. Dabei geht es um gemeinsame Trainingslager, politische Dialogformate im Rahmen sportlicher Konferenzen oder durch Kooperationen im Eventmanagement. Ganz zentral geht es für Marokko jedoch um weitere Kooperationsprojekte außerhalb des Sports: Bereits jetzt sind marokkanische Banken, Telekommunikations- und Versicherungsunternehmen in Westafrika Marktführer. Die wirtschaftlichen Interessen sind zudem eng mit entwicklungspolitischen Instrumenten abgestimmt, die sich z.B. an die Staaten des Sahel richten. Doch Marokkos Aktivitäten beschränken sich längst nicht mehr nur auf den frankophonen Teil Afrikas. Längst ist Marokko ein verlässlicher Partner vieler anglophoner Staaten geworden. Grundlegend und Bedingung für dieses kontinentale Engagement ist allerdings die Verankerung der marokkanischen Souveränität über die Sahara. Die außenpolitische Priorität ist der Leitsatz marokkanischer Diplomatie – im Sport und darüber hinaus. Nur wer diesen Grundsatz marokkanischer Außenpolitik anerkennt, wird in den Kreis von Partnern aufgenommen.

 

Infrastrukturausbau als Katalysator für Reformen

Neben außenpolitischen Positionierungen bieten sportliche Großprojekte Anreize für Investitionen in den Ausbau bedeutender Infrastruktur. Ein zentrales Großprojekt ist der Bau des „Grand Stade de Casablanca“, das mit einer Kapazität von 115.000 Zuschauern zum weltweit größten Stadion avancieren würde. Die Arena ist nicht nur für sportliche Zwecke vorgesehen, sondern soll künftig auch als Austragungsort für internationale Konferenzen und kulturelle Großveranstaltungen dienen. Damit soll es zu einem wirtschaftlichen Motor für die Region Casablanca-Settat und gleichzeitig zu einer wirtschaftsdiplomatischen Visitenkarte des Königreichs werden. In diese Art von Sportinfrastrukturprojekten werden moderne Technologien integriert, die Marokkos Zukunftsorientierung unterstreichen sollen. Dazu zählen unter anderem digitale Kommunikationsnetze, intelligente Sicherheitskonzepte sowie nachhaltige Energieversorgung durch Solarpanels. Diese technologischen Komponenten erhöhen die Attraktivität des Projekts für internationale Investoren, insbesondere aus dem Technologiesektor.

Auch die Erweiterung der Verkehrsinfrastruktur spielt eine zentrale Rolle. Marokko investiert in die Ausdehnung seines Hochgeschwindigkeitszugnetzes „Al Boraq“, das bereits Casablanca und Tanger verbindet. Geplant ist eine Verlängerung um 430 Kilometer bis Marrakesch, wodurch die wichtigsten Austragungsorte effizient miteinander verbunden werden sollen. Ergänzend dazu entstehen etwa 1.000 Kilometer neue Autobahnen sowie moderne regionale Bahnverbindungen, die sowohl den Personen- als auch den Güterverkehr erleichtern und die Konnektivität verbessern.

Die Digitalisierung wird ebenfalls als strategischer Motor für wirtschaftliche Innovation und internationale Wettbewerbsfähigkeit betrachtet. Während der Weltmeisterschaft sollen digitale Plattformen zum Einsatz kommen, die unter anderem den Ticketverkauf, das Sicherheitsmanagement und touristische Angebote umfassen. Diese Systeme basieren auf Cloud-Technologien und Künstlicher Intelligenz. Sie werden in Kooperation mit internationalen Unternehmen der Informationstechnologie entwickelt. Nach dem Turnier ist geplant, diese digitalen Konzepte auf weitere öffentliche Sektoren wie Gesundheit und Bildung zu übertragen. Die Fußball-Weltmeisterschaft 2030 wird in diesem Kontext als Katalysator betrachtet, der nicht nur kurzfristige Infrastrukturprojekte ermöglicht, sondern langfristige Entwicklungsprozesse anstößt. Dies geht einher mit umfassenden rechtlichen Reformen, darunter die Einführung einer neuen Investitionscharta im Jahr 2022 sowie gesetzliche Neuerungen öffentlich-private Partnerschaften seit 2023.

 

Risiken sportbasierter Politikansätze

Trotz der vielfältigen Ansätze stößt sportbasierte Politik an strukturelle und politische Grenzen, die ihre Wirkung erheblich einschränken können. Zunächst bringt die Ausrichtung der WM 2030 weitreichende internationale Kooperationen mit sich, insbesondere in den Bereichen Sicherheit, Infrastruktur, Medien und Finanzierung. Die trilaterale Kooperation mit Spanien und Portugal bietet Aussichten auf wirtschaftliche und diplomatische Zusammenarbeit über den Sport hinaus, ist jedoch auch von europäischen Interessen und politischen Dynamiken abhängig. Regionale oder globale Krisen und Konflikte können sportpolitischen Visionen schnell in den Schatten stellen. Die Verknüpfung durch den Sport von außenpolitischen Interessen mit innenpolitischen Reformen kann zur Belastung werden, wenn die Abhängigkeit von externen Akteuren wie Investoren oder Funktionären nicht diversifiziert wird.

So birgt die Diskrepanz zwischen der außenpolitischen Selbstdarstellung Marokkos und der innenpolitischen Realität ein Risiko, die angestrebte Soft-Power-Wirkung der WM zu gefährden. Denn bereits jetzt zeigen sich innerhalb der marokkanischen Gesellschaft starke soziale Spannungen: Die Proteste der Jugendbewegung GenZ212 im Vorfeld des Afrikacup verdeutlichen die wachsende Kritik der Marokkaner und Marokkanerinnen an den Priorisierungen der Regierung von Sportinvestitionen gegenüber sozialen Grundbedürfnissen der Bevölkerung wie Bildung, Gesundheit und Beschäftigung. Diese kritische Haltung könnte sich im Kontext der WM 2030 weiter zuspitzen, da die finanziellen und infrastrukturellen Anforderungen des Weltcups noch größer ausfallen. Die geplanten Investitionen für Stadien, Verkehr, Digitalisierung und Tourismusinfrastruktur werfen elementare Fragen nach sozialer Gerechtigkeit und politischer Prioritätensetzung auf.

So wirken strukturelle Defizite angesichts sportlicher Großereignisse als potenzielle Konfliktverstärker, denn hohe Jugendarbeitslosigkeit, regionale Disparitäten zwischen urbanen Zentren und peripheren Regionen sowie steigende Lebenshaltungs- und Wohnungskosten können das Gefühl politischer Marginalisierung vertiefen. Im Umfeld von Mega-Events besteht das Risiko, soziale Belastungen lokal und medial zu konzentrieren – etwa durch Verdrängungseffekte, ungleiche Verteilung von Erträgen (Tourismus, Jobs, Infrastruktur) oder wahrgenommene Intransparenz bei Vergaben und Finanzierung. Wenn sich der Eindruck verfestigt, dass Reputations- und Prestigeziele gegenüber sozialer Absicherung und Teilhabe dominieren, kann Sportdiplomatie innenpolitisch zur Angriffsfläche werden und die gesellschaftliche Akzeptanz der Vorbereitungen untergraben.

In diesem Spannungsfeld zwischen Spielfeld und Weltbühne zeigt sich, dass sportbasierte Außenpolitik zwar ein wirkungsvolles Mittel sein kann, jedoch nur dann langfristig wirkungsvoll ist, wenn sie in eine konsistente, inklusive und nachhaltige Politik eingebettet ist. Der Afrikacup 2025 und die Fußball-WM 2030 bieten Marokko die Möglichkeit, sich als resilienter und moderner Staat zu präsentieren. Doch diese Chance ist untrennbar mit der Fähigkeit verbunden, innenpolitische Herausforderungen zu bewältigen und verlässliche Reformen zugunsten der eigenen Bevölkerung zu erzielen.

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Контакт Steven Höfner
Steven Höfner
Leiter Auslandsbüro Marokko
steven.hoefner@kas.de

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