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Juliane Liebers

Einzeltitel

Die AfD im Schatten der Corona-Krise

Während Deutschland mit der Pandemie kämpft, führt die AfD einen innerparteilichen Machtkampf

Die AfD kämpft an zwei Fronten: an der Corona-Front und an der innerparteilichen Front. Werden sich die beiden Faktoren gegenseitig verstärken oder gelingt es der Partei, die Konflikte im Schatten der Krise geräuschlos abzuwickeln?

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Es ist wohl nicht übertrieben, zu sagen, dass das neuartige Corona-Virus die politische Agenda komplett umgestürzt hat. Regierung und Parlament auf Bundes- und Landesebene arbeiten im Krisenmodus. Die Opposition hat es in dieser Situation schwer. Selbst die AfD, die bisher immer als Ausnahme von der Regel galt, ist davon diesmal nicht unberührt.

In den Umfragen verliert die Partei gegenwärtig an Rückhalt. Sie gruppiert sich damit in eine weltweit zu beobachtende Entwicklung ein: Wo Populisten an der Regierung beteiligt sind, profitieren sie vom Effekt, dass der Rückhalt für die Exekutive in Krisenzeiten in der Regel wächst. Wo sie in der Opposition sind, können sie mit dem üblichen Störfeuer gegen die Regierung, die für das Wohl der Bevölkerung kämpft, nicht gewinnen. Populisten sind – wie es der Parteienforscher Karsten Grabow einmal auf den Punkt brachte – Problemsucher, aber keine Problemlöser. Genau diese sind momentan aber gefragt. Hinzu kommt, dass die populistische Polarisierungsstrategie nicht greift. Die Corona-Krise vereint die Menschen.

Selbst das polarisierende Thema „Migration“, das die AfD bisher zuverlässig aus den tiefsten Parteikrisen und Umfragelöchern gezogen hatte, verfängt nicht mehr. Das sich vor einigen Wochen abzeichnende Flüchtlingsdrama an der Grenze zwischen Griechenland und der Türkei wurde im öffentlichen Bewusstsein komplett vom Virus verdrängt. Die Maßnahmen der Bundesregierung und der sie tragenden Parteien binden die öffentliche Aufmerksamkeit. Doch das allein erklärt noch nicht, warum ausgerechnet jene Partei, die wie keine andere in Deutschland die Klaviatur der medialen Erregung versteht, bisher noch keinen Vorteil aus der Corona-Krise ziehen konnte.

Immerhin gab es durchaus vereinzelt Versuche, mit Provokationen Politik zu machen. Das stößt aber selbst innerhalb der Partei derzeit nicht auf ungeteilte Zustimmung. So wurde beispielsweise ein Twitter-Post eines AfD-Vertreters, in dem Freude über die häusliche Quarantäne der Bundeskanzlerin zum Ausdruck kommt, rasch wieder gelöscht. Der Tweet spielte auf die in AfD-Kreisen und unter Verschwörungstheoretikern eigentlich beliebte Erzählung an, dass die Bundeskanzlerin als „Volksverräterin“ unter Hausarrest bzw. ins Gefängnis gehöre.

Die Löschung dieses Tweets zeigt, dass die AfD derzeit nicht nur um eine einheitliche Strategie in der Corona-Krise, sondern auch um die generelle Ausrichtung der Partei ringt. Während die eine Seite fürchtet, dass eine Instrumentalisierung der Krise nicht von den Bürgern goutiert wird und die Maßnahmen der Bundesregierung durch Enthaltungen im Bundestag in gewisser Hinsicht mitträgt, setzt die andere Seite auf die bekannte Fundamentalopposition. Der Graben verläuft also wie gehabt zwischen den sich gemäßigt gebenden Kräften in der Partei und den Radikalen. Und er verläuft zunehmend regional zwischen Ost und West. Dabei hat der Bundestagswahlkampf 2017 durchaus gezeigt, dass beide Seiten zusammenarbeiten können. Anders als damals kann die Partei diesmal allerdings nicht auf eine taktische Mäßigung der Radikalen bauen.

Im Schatten der Corona-Krise hatte der AfD-Bundesvorstand am 20. März 2020 die Auflösung des völkisch-nationalistischen „Flügels“, eine informelle Strömung innerhalb der AfD, gefordert. Getrieben war diese Entscheidung von der Sorge um den bürgerlichen Anschein, den die Parteiführung aus wahltaktischen Gründen erhalten möchte. Nachdem der Verfassungsschutz den „Flügel“ als eine gesichert rechtsextremistische Bestrebung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung eingestuft hat, lässt sich dieser Anschein jedoch immer weniger aufrechterhalten. Dass dies Streit in der Partei nach sich ziehen würde, war von vornherein klar. Bisher bestand die Strategie der Parteiführung darin, mit Klagen gegen den Verfassungsschutz vorzugehen und die Radikalität des „Flügels“ zu relativieren. Der Streit wurde also umgangen. Umso mehr verwundert auf den ersten Blick, dass der AfD-Bundesvorstand nun derart eindeutig Abstand von seiner Strömung nimmt. Und er greift weiter durch: Ende März 2020 setzte der Bundesvorstand den Landesvorsitzenden der AfD des Saarlandes, Josef Dörr, ab, der schon 2016 wegen rechtsextremer Kontakte – erfolglos – abgelöst werden sollte. Zuletzt brachte der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen gar eine Teilung der Partei ins Spiel. Der „Flügel“ könne eine eigene Partei gründen. Er erntete mit seiner Aussage – wie zu erwarten – heftigen Widerspruch in der AfD.

Der Zeitpunkt für die an harte innerparteiliche Auseinandersetzungen gewöhnte Partei ist durchaus von Vorteil. Möglicherweise hofft die AfD-Parteispitze, die innerparteilichen Konflikte in einer Zeit zu bewältigen, in der die Aufmerksamkeit der Bevölkerung auf die Pandemie gerichtet ist. Die Chance, sich auf eine einheitliche Position im Umgang mit den Herausforderungen durch den Virus zu verständigen – egal in welche Richtung –, hat die Partei damit allerdings vorerst verpasst.

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Tobias Montag

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Parteien und Beteiligung

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