Als „Staatsbürger in Uniform“ sollen die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr und die Reservistinnen und Reservisten die freiheitlich-demokratische Grundordnung schützen und für sie eintreten. Das ist der Wesenskern unserer Parlamentsarmee. Dennoch gibt es immer wieder Fälle von Rechtsextremisten in den eigenen Reihen. Um ein Zeichen gegen Extremismus zu setzen und sich kritisch mit extremistischen Positionen innerhalb der Reserve und der Bundeswehr auseinanderzusetzten, hat der Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr die Kampagne „Reserve und Demokratie – Wir gegen Extremismus“ ins Leben gerufen. Die Auftaktveranstaltung fand am 29. September 2020 in Kooperation mit der Konrad-Adenauer-Stiftung statt.
In seiner Einführung wies Professor Norbert Lammert darauf hin, dass in diesem Jahr neben dem 30-jährigen Jubiläum der deutschen Einheit auch die Bundeswehr ihr 65-jähriges Gründungsjubiläum feiert. In diesem Zusammenhang erinnerte Lammert an den Leitgedanken, den der erste Verteidigungsminister Theodor Blank seinen Soldaten im November 1955 mit auf den Weg gab – sie sollten nichts weniger, als „aus den Trümmern des Alten wirklich etwas Neues wachsen zu lassen, das unserer veränderten sozialen, politischen und geistigen Situation gerecht wird.“ Bis heute begleite dieser Grundsatz die Bundeswehr und sei Grundlage für eine völlig neue deutsche Armee unter dem Leitbild der „inneren Führung“ und des Konzeptes des „Staatsbürgers in Uniform“. Der Stiftungsvorsitzende betonte jedoch, dass die Bundeswehr auch Menschen anziehe, die sich nach starken Strukturen sehnen. Deshalb dürfe sich die deutsche Gesellschaft nicht der Illusion hingeben, dass ihre Streitkräfte als Spiegel der Gesellschaft nicht auch Menschen mit ungewöhnlichen politischen Einstellungen umfasse. Es mache aber einen wesentlichen Unterschied, ob Menschen mit extremistischen Einstellungen Zugang zu Waffen und staatlicher Gewalt hätten oder ausschließlich am Stammtisch argumentierten. Dies mache das Problem des Extremismus nicht zu einem Sonderproblem der Bundeswehr, sondern zu einem gesamtgesellschaftlichen Thema.
In der anschließenden Podiumsdiskussion erläuterte der Präsident des Reservistenverbandes Professor Patrick Sensburg MdB, dass es zum Wesenskern von Reservisten und Soldaten gehöre, für Demokratie und Grundgesetz einzustehen. Er betonte, dass der Reservistenverband seinen Teil dazu beitrage, dass jeder Soldat und jeder Reservist die Frage beantworten könne, warum und wofür er oder sie diene.
Die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Dr. Eva Högl betonte jedoch die Notwendigkeit, dass sich Reservisten vor Ihrem Einsatz zwingend einer Sicherheitsüberprüfung unterziehen müssten. Wünschenswert wäre zwar die Überprüfung aller Reservisten, allerdings scheitere dies am enormen Zeit- und Personalaufwand. Ziel müsse sein, dass alle Uniformträger „mit beiden Beinen fest auf dem Boden des Grundgesetztes“ stehen. Högl bekräftigte aber auch, dass der Großteil der Soldaten als überzeugte Demokraten ihren Dienst leisten und es daher keine pauschale Verurteilung v geben dürfe.
Generalleutnant Johann Langenegger, Stellvertreter des Inspekteurs des Heeres, berichtete aus Sicht der Truppe, dass die Soldaten ein großes Interesse an der Vermeidung von Extremismus in den eigenen Reihen hätten. Deshalb müsse verstärkt dafür gesorgt werden, Personen mit extremistischem Gedankengut im besten Fall vor ihrem Dienst zu identifizieren.
Christian Seel, saarländische Staatsekretär für Inneres, Bauen und Sport, unterstrich, dass Extremismus in der Bundeswehr nur effektiv bekämpft werden könne, wenn die Polizei und die Landesämter für Verfassungsschutz mit dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) zusammenarbeiten. Extremismus sei ein gesamtgesellschaftliches Problem und trete daher sowohl in zivilen als auch in militärischen Strukturen auf.
Sensburg wies dagegen auf die vorhandenen Strukturen zur Extremismusbekämpfung hin, betonte aber die oftmals fehlende Sensibilität und Selbstreflexion unter den Kameraden. Für ihn sei gelebte Kameradschaft auch, dass man sich gegenseitig darauf hinweise, dass bestimmte Aussagen nicht mit dem Grundgesetz vereinbar seien. Die Wehrbeauftragte fügte hinzu, dass es keine neuen Strukturen brauche, sondern mehr Kommunikation und Koordination vor Ort. Außerdem forderte sie mehr Personal an den entsprechenden Stellen und kürzere Verfahren, um die Überprüfung von Verdachtsfällen von Extremismus zu beschleunigen und effizienter zu gestalten.
Högl verwies ebenfalls auf das Thema der Sensibilisierung, das es zu stärken gelte. Jeder Soldat und Reservist müsse wissen, was legitime Kritik sei und was es heißt, Staatsbürger in Uniform zu sein. Eine hohe Sensibilität für das Thema würde außerdem diejenigen stärken, die bereits engagiert sind und Haltung zeigen. Die beste Extremismusprävention sei das unmittelbare Gespräch und eine breite Aufmerksamkeit unter den Kameraden. Sie sprach in diesem Kontext von „gelebter Prävention“ und der Notwendigkeit Räume, Orte und Gelegenheiten für solche Gespräche zu schaffen. Zu oft gäbe es noch Tendenzen, Probleme nicht im unmittelbaren Gespräch zu klären, sondern sich schnell in die Anonymität von E-Mails und Berichten zu flüchten.
Zum Abschluss der Diskussion äußerte die Wehrbeauftrage den Wunsch, dass das Thema Extremismus nicht nur in der Bundeswehr, sondern auch in der Breite der Gesellschaft diskutiert werde. Dem pflichtete auch Sensburg bei und erklärte, dass die Reserve ihre Aufgabe als Mittler zwischen Bundeswehr und Gesellschaft dazu nutzen werde, das Thema Extremismus in die Breite der Gesellschaft zu tragen und so die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu schützen.
In seiner Schlussbetrachtung griff Moderator Thomas Wiegold Norbert Lammerts Eingangsstatement auf, dass sich alle einig seien, dass Extremisten keinen Dienst an der Waffe ableisten sollten, und es daher nicht um die Frage gehe, ob, sondern wie solche Tendenzen erkannt und verhindert werden können.
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