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Chancen auf einen gemeinsamen Politikwechsel

Reaktionen in Polen auf die Wahlen in Nordrhein-Westfalen

Politischer Bericht

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Chancen auf einen gemeinsamen Politikwechsel

Reaktionen in Politik und Presse in Polen auf die Wahl in Nordrhein-Westfalen und die Ankündigung von Neuwahlen in Deutschland

von

Stephan Raabe

Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Polen

Warschau, Fronleichnam 26. Mai 2005

In Polen fragt man sich im politischen Bereich mit einigem Erstaunen nach den Gründen, die Kanzler Schröder zur Ankündigung von vorgezogenen Neuwahlen bewogen haben. Eine dif-ferenzierte Analyse der innenpolitischen Situation in Deutschland und der innerparteilichen Situation der SPD ist bislang anscheinend nicht vorgenommen worden, so dass die Hinter-gründe für diese überraschende Entwicklung im Nachbarland nicht bekannt sind.

In dem der CDU/CSU nahestehenden Lager der Bürgerplattform freut man sich darüber, dass nunmehr in Polen und Deutschland fast gleichzeitig ein neues Parlament gewählt wird mit guten Chancen auf einen konservativ-liberalen Politikwechsel. Da es bezogen auf die grundsätzlichen politischen Reformen manche Parallelen gibt – Bekämpfung der Arbeitslo-sigkeit, Erneuerung des Steuersystems und der sozialen Sicherung, Rückführung von Staatsaufgaben etc. -, gibt es bei der Bürgerplattform ein Interesse an einem Austausch über konkrete politische Konzepte in diesen Bereichen. Interessiert schaut man angesichts der ähn-lichen Situation auch darauf, mit welchen Wahlparolen und Strategien die deutschen Christ-demokraten in den Wahlkampf ziehen werden. Bei einer Grundsatzrede in der Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin am Dienstag dieser Woche sprach der polnische Opposi-tionsführer und Kandidat der Bürgerplattforum für das Amt des Premierministers, Jan Rokita, perspektivisch von einem „neuen Partnermodell von Deutschland und Polen“, dass es zu kreieren gelte.

Sieht man sich also hinsichtlich der innenpolitischen Reformen auf einem ähnlichen Weg, so erwartet man von Seiten der Bürgerplattform auch außenpolitisch in zwei entscheiden Punk-ten mehr Gemeinsamkeit und Sensibilität von einer neuen christdemokratisch geführten Re-gierung in Deutschland: Das betrifft zum einen die transatlantische Partnerschaft mit den USA, die in Polen über alle Parteigrenzen hinweg als ein zentrales nationales Interesse ange-sehen wird, zum anderen die deutsch-russischen Beziehungen, die vom polnischen Stand-punkt mehr europäisch integriert und vor allem nicht über den Kopf Polens hinweg gestaltet werden sollten. In diesem Zusammenhang wird immer wieder positiv an die Politik des Kanz-lers Kohl erinnert, in der sich Polen stärker beachtet sah.

Probleme sieht man allerdings in Polen hinsichtlich des geplanten „Zentrums gegen Ver-treibungen“, das von maßgeblichen Repräsentanten der CDU/CSU unterstützt wird und uns, wie Jan Rokita in seiner Berliner Rede sagte, „eher von einander entfernt“. Da es sich hier mehr um ein symbolisch-psychologisches Problem handelt, wäre ein erneutes Nachdenken darüber sinnvoll, wie den Befürchtungen auf polnischer Seite durch ein hohes Maß an Transparenz, Dialog und mögliche Formen der Beteiligung entgegengesteuert werden kann.

In der veröffentlichten Meinung wurde von den umstürzenden innenpolitischen Ereignissen in Deutschland zwar durchweg prominent berichtet, auf Grund anderer wichtiger Geschehnis-se in Polen erhielt das Thema insgesamt jedoch verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit. Dominante Themen waren in dieser Woche der Rücktritt der gesamten Parteiführung des regierungstragenden postkommunistischen Bundes der Demokratischen Linken (SLD), der sich im Zerfall befindet; der angekündigte politische Rückzug des Sejm-Marschalls und potentiel-len Präsidentschaftskandidaten der Linken, Cimoszewicz (SLD); Mafiavorwürfe gegenüber leitenden Beamten der polnischen Polizei und demzufolge Rücktrittsangebot des Innenministers Kalisz (SLD); der Rücktritt und Parteiaustritt der stellvertretenden Vorsitzenden der Bür-gerplattform, Prof. Zita Gilowska, wegen Vorwürfen unlauterer Familienpatronage und schließlich die definitive Festlegung der Wahltermine für den Herbst des Jahres: Wahlen zum Sejm und Senat am 25. September, Präsidentschaftswahlen – wahrscheinlich verbunden mit dem Referendum zu EU-Verfassungsvertrag – am 9. und 23. Oktober (Stichwahl).

So berichtet die liberale polnische Tageszeitung Gazeta Wyborcza (GW) am Montag lediglich nachrichtlich mit einer kurzen Notiz auf Seite eins und dann auf Seite zehn. Als Gast-kommentator lässt sie Gunter Hofmann von der „Zeit“ zu Wort kommen, der Kanzler Schrö-ders Wahlankündigung als klugen Schritt bewertet: „In einer Atmosphäre politischer Stagna-tion braucht das Land eine klare Situation. Und es ist auch taktisch klug, da die CDU über-rascht und unvorbereitet ist“. Am Dienstag befasst sich ein ausführlicher Artikel auf Seite acht der GW mit der Situation in Deutschland. Darin heißt es: Sowohl die SPD wie auch die CDU/CSU seien programmatisch nicht vorbereitet auf die Wahlen. Ähnlich wie die SPD sei-en auch die Christdemokraten gespalten zwischen einem liberalen Flügel (CDU in Baden-Württemberg und Hessen) und den Anhänger eines rheinischen Kapitalismus mit einem star-ken Sozialstaat (nordrheinwestfälische CDU und bayerische CSU). Eine Entscheidung sei jedoch schon gefallen: Kanzlerkandidatin der CDU/CSU werde die Chefin der CDU Angela Merkel. „Dies sagte am Montag ihr bisheriger Rivale Roland Koch. Die offizielle Kandidatur wird jedoch erst in einer Woche bekannt gegeben“. In der gleichen Ausgabe rechnet Jacek Pawlicki in einem Kommentar unter dem Titel: „Vorgezogene Neuwahlen lähmen Europa“ damit, „dass die Regierenden in Berlin nun noch stärker auf die europäische Bremse treten werden“. Die Wahlen bedeuteten, dass ein Kompromiss in der Frage des EU-Haushaltes in diesem Jahr nicht zu erwarten sei. Auch die Christdemokraten würden die deutsche Politik in der EU-Haushaltspolitik nicht ändern. Das Argument, dass Deutschland nicht länger die Milch-Kuh Europas sein könne, stamme immerhin vom Christdemokraten Helmut Kohl. Zi-tiert wird Janusz Reiter, Leiter des Zentrums für Internationale Beziehungen, eines Partners der KAS in Polen: „Keiner in Deutschland wird den Mut haben, den Wählern zu sagen, dass die Deutschen mehr für das EU-Budget zahlen müssen.“

Die konservativere Tageszeitung Rzeczpospolita berichtete ebenfalls am Montag nachricht-lich auf den Seiten eins und sechs (Titel: „Die letzte Bastion ist gefallen“). Am Dienstag schreibt der Deutschlandkorrespondent Piotr Jendroszyczyk in einem längeren Beitrag auf Seite sechs über Schröder, Merkel und die politischen Erwartungen: "Die Ära Schröder geht zu Ende. Egal wie die vorgezogenen Wahlen ausgehen, Gerhard Schröder hat einen fes-ten Platz in der deutschen Geschichte sicher. Die nächste Generation wird sich an ihn als den Kanzler erinnern, der den Umbau des deutschen Sozialstaates begann. Ironischerweise ist Schröder Repräsentant einer Partei, von der genau das Gegenteil erwartet werden konnte.“ Zu Angela Merkel heißt es eher kritisch: „Alles weist darauf hin, dass der nächste Kanzler Deutschlands - erstmals in der Geschichte - eine Frau sein wird. Angela Merkel ist 51. Seit fünf Jahren ist sie Chefin der CDU. Diese Position hätte sie ohne die Spendenaffäre der CDU in den 90er Jahren, auf Grund dessen Wolfgang Schäuble von seiner Funktion als Vorsitzen-der zurücktreten musste, nie erlangt. Angela Merkel ist Pastorentochter und stammt aus der ehemaligen DDR. Sie ist Physikerin, Spezialistin für Elementarteilchen. Zur Politik kam sie zufällig. Sie ist farblos, wenig beliebt, ist eine wenig spannende Rednerin und hat Schwierig-keiten mit ihrem Medienimage. Für Schröder eine Traumgegnerin bei den Wahlen im Herbst“.

„Es ist aber nicht zu erwarten, dass die neue Regierung den Kurs in der Wirtschafts- oder Innenpolitik grundsätzlich ändert. Änderungen aber sind in der Außenpolitik zu erwarten: Eine Annäherung an Washington, was negativen Einfluss auf die deutsch-französischen Be-ziehungen haben könnte." Für Polen seien die europapolitischen Ansichten der CDU/CSU positiv, es "gibt jedoch Befürchtungen, dass die Christdemokraten eine etwas andere Beurtei-lung der Geschichte vornehmen. Dies findet seinen Ausdruck in der Unterstützung des Pro-jekts Erika Steinbachs, ein Zentrum gegen Vertreibungen in Berlin zu errichten. Starker Verfechter dieser Konzeption ist Stoiber, der sagte, dass er sich, sollte er Einfluss auf die Bundesregierung gewinnen, für den Bau des Zentrums einsetzen wird. Vor einem Jahr äußerte sich Angela Merkel in einem Interview mit der Rzeczpospolita ähnlich, verurteilte jedoch gleichzeitig die Entschädigungsforderungen der preußischen Treuhand. Es ist heute schwer, eindeutig auf die Frage zu antworten, ob die Entstehung des Zentrums die deutsch-polnischen Beziehungen ruinieren werde. Sie wird sie jedoch mit Sicherheit nicht erwärmen."

In der Tageszeitung FAKT (dem polnischen Pendant zu BILD) und den seit Sonntag erschie-nen Wochenzeitungen (Tygodnik Powszechny, Polityka, Newsweek, Wprost) finden sich bislang keine Kommentare zur neuen Situation in Deutschland.

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