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Kein Geld für Sprach-Kitas

de Dr. Annette Ranko, Felise Maennig-Fortmann

Das Aus für das Bundesprogramm zur frühkindlichen Sprachförderung ist ein bildungs- und integrationspolitischer Fehler

Vierzig Prozent der Kinder in Deutschland haben einen Migrationshintergrund. Frühe Sprachförderung von Kindern ist wichtige Voraussetzung für Integration und Bildungsgerechtigkeit. Die Entscheidung der Bundesregierung, das Programm Sprach-Kitas zu beenden, wird einem modernen Einwanderungsland nicht gerecht, in dem Bildungs-, Integrations- und Zuwanderungspolitik zusammen gedacht werden müssen.

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Die Entscheidung der Bundesregierung vom Juli 2022, das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ zu beenden, ist bildungspolitisch falsch und zeigt Schwachstellen im angekündigten Paradigmenwechsel in der Integrations- und Zuwanderungspolitik auf.

Vierzig Prozent der Kinder in Deutschland haben einen Migrationshintergrund. Evaluierungen zeigen einen engen Zusammenhang zwischen sprachlichen Kompetenzen und schulischem Erfolg. Doch die Schere kindlicher Kompetenzen geht nicht erst in der Schule auseinander, die vorschulischen Jahre spielen die entscheidende Rolle. Wer mehr Bildungsgerechtigkeit schaffen will, muss daher in den ersten sechs Lebensjahren ansetzen. Kitas sollten als Orte frühkindlicher Bildung weiter gestärkt werden und insbesondere Kinder aus benachteiligten Haushalten sollten möglichst frühzeitig eine Kita besuchen und dort Sprachförderung erhalten.

Hier setzt das 2016 eingeführte Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ an, das auf einem seit 2011 existierenden Vorgängerprogramm aufbaut. Es wurde wissenschaftlich begleitet und positiv evaluiert. Der Bund finanziert damit zusätzliche Kitafachkräfte, die ausschließlich für die Sprachförderung in den Einrichtungen zuständig sind. Gefördert werden vor allem Kitas mit einem hohen Anteil an Kindern mit Förderbedarf. Jede achte Kita deutschlandweit ist mittlerweile eine Sprach-Kita. Bundes- weit profitierten davon bislang mehr als 500.000 Kinder und ihre Familien.

Umso erstaunlicher mutet die Entscheidung der Bundesfamilienministerin Lisa Paus an, das Bundesprogramm Sprach-Kitas Ende des Jahres einzustellen, insbesondere da gleichzeitig Bildungsprogramme, die ihre Wirksamkeit erst noch empirisch erweisen müssen, finanziert werden. Das Programm Sprach-Kitas wurde mit dem Verweis gestoppt, man wolle die Sprachförderung in ein neues Gute-Kita-Gesetz überführen (und die Zuständigkeiten für Kitas lägen bei den Ländern). Der Ansatz, das Gute-Kita-Gesetz in ein Qualitätsentwicklungsgesetz weiterzuentwickeln, bei dem tatsächlich ausschließlich die Qualität gefördert wird, ist richtig. Es hilft aber in der aktuellen Situation nicht weiter. Denn unklar ist, wann dieses Gesetz mit welchen Inhalten verabschiedet wird. Durch das abrupte Beenden des Sprach-Kita-Programms gehen Kompetenzen verloren, die über Jahre aufgebaut wurden. Die meisten Länder können die Finanzierung des Programms kurzfristig nicht nahtlos übernehmen. Zudem haben die vergangenen Jahre gezeigt, dass die Länder das Geld aus dem Gute-Kita-Gesetz zu einem hohen Anteil nicht in qualitätsfördernde Maßnahmen, sondern zum Beispiel in Gebührenbefreiung investiert haben. Es ist Aufgabe des Bundes, für gleichwertige Lebensbedingungen zu sorgen und hochwertige Bildung in Kitas unabhängig vom Wohnort zu garantieren. Dafür muss er für finanzielle Kontinuität und bundesweite Qualitätsstandards sorgen.

Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Bundesregierung die frühkindliche Bildung, insbesondere in ihrer Bedeutung für gelingende Integration, aus den Augen zu verlieren droht. Und dies entgegen aller Verlautbarungen unter anderem im eigenen Koalitionsvertrag. Erinnernswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass nächstes Jahr ebenso das Bundesprogramm „Kita-Einstieg: Brücken bauen in frühe Bildung“ ausläuft, das zum Ziel hat, Eltern aus benachteiligten Familien vom Vorteil eines Kitabesuchs zu überzeugen.

Die genannten Entwicklungen bergen die Gefahr, chancengerechte Teilhabe an Bildung und folglich auch am Arbeitsmarkt besonders für Kinder mit Migrationsgeschichte zu erschweren. Wenn die Bundesregierung bei ihrem angekündigten „Paradigmenwechsel“ im Integrationsverständnis Antidiskriminierung und Antirassismus hervorhebt, ohne gleichzeitig Bildungschancen zu schaffen, werden für Zugewanderte und ihre Kinder die Möglichkeiten eingeschränkt, Selbstwirksamkeit über den eigenen Lebensweg erfahren zu können. Zu einer modernen Integrationspolitik gehört beides: ein starker Schutz vor Diskriminierung und Rassismus sowie das Schaffen von Chancen.

Ebenso gilt es, möglicher Stigmatisierung und Benachteiligung bestimmter Zuwanderergruppen entgegenzuwirken. Unter Zugewanderten in Deutschland geht die Schere zwischen Hoch- und Geringqualifizierten stärker auseinander als bei Personen ohne Migrationshintergrund. Damit sich diese Unterschiede nicht über Generationen hinweg verstetigen, gilt es, die unterschiedlichen bildungssprachlichen Chancen mit institutionalisierten Programmen, die für alle Kinder mit Migrationsgeschichte zugänglich sind, zu nivellieren.

Die Bundesregierung hat ebenso einen „Paradigmenwechsel“ in der Migrationspolitik angekündigt. Mit neuer Gesetzgebung will sie künftig unter anderem den benötigten Fachkräftezuzug schnell signifikant erhöhen. Um Fachkräfte aus dem Ausland dauerhaft in Deutschland zu halten, muss es Studien zufolge allerdings gelingen, die Familienmitglieder schnell zu integrieren. Dass die bisher vor dem Zuzug geforderten Sprachkenntnisse von Familienmitgliedern künftig wegfallen sollen, würde daher ein Mehr – und nicht ein Weniger – an frühkindlicher Sprachbildung erfordern.

Um dem Anspruch eines modernen Einwanderungslandes gerecht zu werden, müssen Bildungs-, Integrations- und Zuwanderungspolitik zusammen gedacht werden.

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