Deutschlands Außenwirtschaftspolitik steht vor einer strategischen Neuausrichtung. Die internationale Lage ist geprägt von geopolitischen Spannungen, wachsendem Protektionismus und einer fragmentierten Weltwirtschaftsordnung. Gleichzeitig ist die deutsche Exportwirtschaft hochgradig abhängig von offenen Märkten, stabilen Lieferketten und verlässlichen Partnern. Die bisherige wertegeleitete Außenpolitik hat in diesem Umfeld ihre Grenzen erreicht. Es braucht eine interessengeleitete Strategie, die wirtschaftliche Stärke, sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit und internationale Partnerschaften in den Mittelpunkt stellt.
Ein zentraler Hebel ist die Handelspolitik. Handelsabkommen müssen schneller und pragmatischer verhandelt werden – ohne überzogene ESG-Forderungen, die Verhandlungen lähmen und Partner abschrecken. Gerade das geplante Abkommen mit Indien zeigt: Wer geopolitisch gestalten will, muss bereit sein, normative Flexibilität zuzulassen. Eine realpolitisch motivierte Handelspolitik ist kein Rückschritt, sondern Ausdruck strategischer Handlungsfähigkeit.
Gleichzeitig gilt es, die strategische Abhängigkeit von China zu reduzieren. Seltene Erden, Batterietechnologien und kritische Rohstoffe dürfen nicht länger aus einer einzigen Quelle stammen. Partnerschaften mit rohstoffreichen Ländern wie Namibia, Chile oder Brasilien müssen gezielt ausgebaut und durch Investitionen in lokale Wertschöpfung flankiert werden. Die EU-Initiative „Global Gateway“ kann hier als Infrastrukturmotor dienen – wenn sie konsequent weiterentwickelt wird.
Auch die deutsche Rüstungsindustrie verdient eine neue außenwirtschaftliche Perspektive. Ihre Produkte sind nicht nur sicherheitspolitisch relevant, sondern auch wirtschaftlich wettbewerbsfähig. Eine gezielte Exportförderung, schnellere Genehmigungsverfahren und staatliche Absicherungsinstrumente können helfen, internationale Märkte zu erschließen und strategische Allianzen zu festigen. Nicht zuletzt muss die Außenwirtschaftsförderung klarer strukturiert werden. Die derzeitige Aufteilung zwischen Entwicklungszusammenarbeit und Wirtschaftsförderung führt zu ineffizienten Doppelstrukturen. Eine Bündelung der Förderinstrumente im Wirtschaftsministerium und eine stärkere Ausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit auf marktrelevante Rahmenbedingungen würden deutschen Unternehmen den Zugang zu neuen Märkten erleichtern.
Am Ende geht es um mehr als wirtschaftliche Interessen – es geht um Deutschlands Fähigkeit, in einer instabilen Welt selbstbestimmt zu agieren. Eine interessengeleitete Außenwirtschaftspolitik ist kein Widerspruch zu verantwortungsvollem Handeln. Sie schafft Wohlstand, stärkt Partnerschaften und sichert unsere strategische Handlungsfähigkeit – für Deutschland, Europa und unsere internationalen Partner.
Lesen Sie die gesamte Publikation „Vom Werteanspruch zur Wirklichkeit – Prioritäten einer interessengeleiteten deutschen Außenwirtschaftspolitik“ hier als PDF.
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Die Reihe informiert in konzentrierter Form über Analysen der Konrad-Adenauer-Stiftung zu relevanten aktuellen Themen. Die einzelnen Ausgaben stellen zentrale Ergebnisse und Empfehlungen eigener und externer Expertinnen und Experten vor, bieten Kurzanalysen von rund fünf Seiten und nennen KAS-Ansprechpartnerinnen.