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Aufbruch in die nächste Generation?

Автор: Rahma Janetzke, Dr. Gidon Windecker

Saudi-Arabien unter König Salman

Auch wenn schon seit längerem über eine anstehende Thronfolge in Saudi-Arabien spekuliert worden war, warf die Nachricht vom Tod König Abdullahs am Morgen des 23. Januar 2015 dennoch die Frage auf, was ein Machtwechsel für die saudische Politik bedeuten würde. Bisher hatten Wechsel an der Spitze des Königsreichs allerdings nur einen geringen Einfluss auf die Politik im Wüstenstaat und auch diese Thronbesteigung lässt keinen signifikanten Kurswechsel erwarten.

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Stattdessen wird der neue saudische König Salman die Politik der zaghaften, inkrementellen Reformen seines Vorgängers aller Voraussicht nach fortsetzen und gleichzeitig die unvermeidbare Machtübergabe an die Enkelgeneration des Staatsgründers Abdulaziz Al Saud vorbereiten.

Die Politik des kürzlich verstorbenen Monarchen war von zahlreichen Widersprüchen geprägt: Konservativen Saudis war er zu liberal und nachgiebig, liberal Orientierten im Land wiederum zu konservativ und archaisch. Im Westen sahen ihn viele als autoritären Diktator und stießen sich an der strikt-wahhabitischen Auslegung des Islam, während ihm zuhause vorgeworfen wurde, zu eng mit dem Westen verbandelt zu sein. Und dennoch führte er das konservative Land auf der arabischen Halbinsel größtenteils unbeschadet durch zwei besonders turbulente Jahrzehnte im Nahen Osten, geprägt von Krieg, Terror, Revolutionen und zunehmender Instabilität.

König Abdullahs Erbe

Sowohl innen- als auch außenpolitisch folgte König Abdullah konsequent der Prämisse „Sicherheit und Machterhalt“. Dabei wurde die saudische Politik durch die Sorge vor dem traditionellen Erzrivalen Iran, der politischen Bedrohung durch sunnitischen Extremismus im eigenen Land und Instabilität in der Region bestimmt.

So ist das Königreich einer von zehn MENA-Staaten, der sich im September 2014 offiziell der internationalen Koalition gegen den sogenannten „Islamischen Staat“ (arab. Da‘ish) angeschlossen hat und sich auch am US-geführten Luftkrieg gegen die Terrorgruppe beteiligt. Nach der schmerzhaften Al Qaida-Erfahrung könnte nun eine erneute Rückkehr von radikalisierten saudischen Kämpfern, beispielsweise aus Syrien, Irak und Libyen, abermals zu einer erheblichen Bedrohung der inneren Sicherheit führen. Vor diesem Hintergrund hat das Königshaus Anfang 2014 ein nationales Anti-Terrorgesetz erlassen, welches unter anderem die Strafen für saudische Staatsbürger, die sich an Konflikten außerhalb des Königreichs beteiligen, drastisch verschärft hat.

Innenpolitisch galt der am 23. Januar 2015 verstorbene König als – zumindest für saudische Verhältnisse – pragmatischer Reformer, der versuchte, die von einem Spannungsfeld zwischen ultra-konservativen Wahhabiten und relativ liberalen, im Westen ausgebildeten, jungen Saudis geprägte Gesellschaft durch zaghafte Reformen zu modernisieren. So bekämpfte Abdullah erfolgreich die noch unter König Fahd grassierende Korruption, öffnete den heimischen Markt stärker für ausländische Investoren und führte Saudi-Arabien in die G20 sowie die Welthandelsorganisation.

Auch den Konflikt mit den einflussreichen Religionsgelehrten (arab. Ulema), die seit der Staatsgründung ein zentraler Pfeiler der Macht der Familie Al Saud sind, scheute er nicht und ließ die bei vielen Saudis zunehmend unpopulären Gängelungen der mächtigen Religionspolizei (arab. Mutawwa) maßregeln. Trotz großer Kritik von Seiten der Kleriker setzte Abdullah sich für die Stärkung der Frau ein: Als erster König berief er eine Frau in die Regierung, öffnete das beratende Schura-Gremium für weibliche Mitglieder und versprach, dass Frauen ab 2015 das passive und aktive Wahlrecht erhalten werden. Dank seiner Reformen sind heute außerdem mehr als die Hälfte aller Universitätsabsolventen im Königreich weiblich und Frauen werden zunehmend in den Arbeitsmarkt integriert. Gleichzeitig scheute er aber den allzu offenen Bruch mit dem sozialen und religiösen Status quo: Das öffentliche Leben wird von einer strikten Geschlechtertrennung geprägt, Frauen sind weiterhin einem Vormund (arab. Wakeel) unterworfen und dürfen immer noch nicht selbst Auto fahren.

Basierend auf dem neuen Anti-Terrorgesetz zeigte das Land unter König Abdullah ebenso nicht nur gegenüber Terrorgruppen wie dem „Islamischen Staat“ eine harte Hand, sondern auch gegenüber oppositionellen Kräften jeglicher Art im Königreich. Anhänger politischer Organisationen wie der Muslimbruderschaft, aber auch liberale Denker, junge Aktivisten und Blogger wurden vermehrt systematisch verfolgt und wegen „terroristischer Aktivitäten“ mit drakonischen Strafen belegt. Ein prominentes Beispiel ist der saudi-arabische Blogger Raif Badawi, der wegen „Beleidigung des Islam“ kürzlich zu zehn Jahren Haft, 1000 Peitschenhieben und einer Geldstrafe von umgerechnet fast 200.000 Euro verurteilt wurde.

König Salman: Verwalter des Status quo?

Von König Abdullahs Nachfolger, seinem 79-jährigen Halbbruder Salman bin Abdulaziz, sind keine ambitionierten Reformprojekte zu erwarten, zumal Saudi-Arabien seine Sicherheit weiterhin von außen bedroht sieht und sich auch die innenpolitischen Rahmenbedingungen auf absehbare Zeit nicht verändern werden. Während Salman als langjähriger Gouverneur von Riad die Hauptstadt zwischen 1963 und 2011 von einer kleinen Wüstenenklave im saudischen Hinterland in eine moderne Metropole nach amerikanischem Vorbild verwandelte, unterhält er zur selben Zeit gute Beziehungen zu den saudischen Religionsgelehrten und gilt allgemein als konservativer und bedächtiger als Abdullah.

Experten gibt jedoch sein Gesundheitszustand Anlass zur Sorge. Denn der neue König scheint bereits nicht mehr bei bester Gesundheit zu sein und soll, Beobachtern zufolge, mindestens einen Schlaganfall erlitten haben sowie an Demenz leiden. Dennoch kann man davon ausgehen, dass auch Salman und sein Beraterstab die Zeichen der Zeit verstanden haben und Abdullahs vorsichtigen Kurs der inkrementellen Reformen fortführen werden.

Denn Saudi-Arabien steht vor großen wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen. Experten erwarten bei einem gleichbleibenden Bevölkerungswachstum auf heutigem Niveau eine Verdopplung der einheimischen Bevölkerung von 25 auf 50 Millionen Einwohner bis zum Jahre 2050. Diese rasante Entwicklung birgt nicht nur Versorgungs- und Distributionsprobleme, sondern wird mittelfristig auch einen Generationenkonflikt mit sich bringen. Das schon jetzt bestehende Ungleichgewicht zwischen Jungen und Alten auf dem Arbeitsmarkt wird sich weiter verschärfen: Bereits heute sind zwei Drittel der Einwohner unter 29 Jahre alt und ca. 40% jünger als 14 Jahre. Darüber hinaus sind bis zu 40% der 20- bis 24-Jährigen arbeits- bzw. beschäftigungslos, wovon insbesondere Frauen betroffen sind.

Die steigende Jugendarbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen wird daher zu einer realen Herausforderung für den neuen König werden. Um die Masse der auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Arbeitssuchenden aufzufangen, müsste die saudische Wirtschaft jährlich um über acht Prozent wachsen und bis 2020 rund vier Millionen Jobs schaffen, was in Anbetracht gegenwärtiger Wachstumsprognosen und einem fallenden Ölpreis jedoch utopisch erscheint. Vor diesem Hintergrund hat König Abdullah beispielslose Summen in die Ausbildung junger Saudis und die Förderung der wirtschaftlichen Teilhabe von Frauen investiert. Es ist somit wenig überraschend, dass König Salman noch am selben Tag seiner Thronbesteigung mitteilen ließ, dass er den wirtschaftlichen Kurs seines Vorgängers fortzusetzen plane.

Auch die Grundlinien der saudischen Außenpolitik - insbesondere die enge Bindung an die USA und den Westen, das Misstrauen gegenüber dem wachsenden Einfluss des Erzrivalen Iran sowie das ambivalente Verhältnis gegenüber dschihadistischen Gruppen - werden sich durch den Thronwechsel nicht ändern. Denn zwar ist das Königreich auf der arabischen Halbinsel formal eine absolute Monarchie, trotzdem hat das Land seit der Staatsgründung im Jahre 1932 moderne Institutionen aufgebaut, welche zum größten Teil weiterhin von dem gleichen Kreis aus Ministern und Beratern geführt werden, wie schon unter Abdullah. Diese Grundzüge der saudischen Politik werden zudem im Königshaus rege diskutiert und von einem hohen Maß an Konsens innerhalb der Herrscherfamilie getragen.

Interner Machtkampf und Aufbruch in die Enkelgeneration

Das wichtigste Vermächtnis König Salmans könnte stattdessen die Vorbereitung der Machtübergabe an die Enkelgeneration des Staatsgründers werden. Während die saudische Krone bisher von einem Sohn Abdulaziz bin Sauds zum nächsten weitergereicht wurde, ist ein Generationswechsel aufgrund des fortschreitenden Alters der noch lebenden Söhne mittelfristig unvermeidbar.

Schon König Abdullah hatte versucht, die Verjüngung der Herrscherdynastie voranzutreiben, nachdem er mit Sultan bin Abdulaziz und Naif bin Abdulaziz innerhalb von wenigen Monaten zweimal seinen Kronprinzen verloren hatte. Mit dem Versuch, den jüngsten lebenden Sohn von Abdulaziz, den als sehr fähig geltenden Muqrin bin Abdulaziz (69 Jahre), entgegen dem Prinzip der Seniorität als seinen Nachfolger zu installieren und somit den zehn Jahre älteren, sich in fragwürdigem Gesundheitszustand befindenden Salman zu überspringen, scheiterte er allerdings am Widerstand innerhalb der Königsfamilie Al Saud.

Denn auch wenn das saudische Königshaus sehr darum bemüht ist, nach außen hin Geschlossenheit zu demonstrieren, gibt es innerhalb der königlichen Familie durchaus Konfliktlinien und Rivalitäten im Gerangel um Macht und Einfluss, oft entlang mütterlicher Abstammungslinien. Eine besonders wichtige Rolle kommt dabei der einflussreichen Allianz der sogenannten Sudairi-Sieben zu, der auch der neue König Salman angehört. Diese sieben Söhne von Abdulaziz und seiner Lieblingsfrau Hassa bint Ahmed Al Sudairi stellen die größte Fraktion unter den 43 direkten männlichen Nachfahren des Staatsgründers und gelten als politische Schwergewichte innerhalb des Königshaus. Schon Abdullahs Vorgänger, König Fahd, war ein Sudairi. Nach Fahds Tod gab es Berichten zufolge großen Druck auf den neuen König Abdullah mit dem langjährigen Verteidigungsminister Sultan bin Abdulaziz wieder einen Vertreter der Sudairis als Kronprinz zu designieren.

Doch nachdem Kronprinz Sultan im Oktober 2011 nach langer Krankheit starb, ebenso wie sein Nachfolger Innenminister Naif bin Abdulaziz (ebenfalls ein Sudairi) nur wenige Monate später, sah Abdullah den Moment gekommen, einen seiner eigenen Söhne als möglichen Erben zu positionieren und den Einfluss seiner Linie durch einen vorzeitigen Sprung in die Enkelgeneration zu festigen. Nachdem dieser Plan, ebenso wie der spätere Versuch, Salman in der Thronfolge zugunsten Muqrins zu überspringen, fehlschlug, schuf Abdullah stattdessen die formale Position des Vize-Kronprinzen. So nahm er Salman die Möglichkeit, seinen eigenen Nachfolger zu bestimmen, ohne dass ein Bruch innerhalb der Familie offenbar werden würde.

Nach Salmans Thronbesteigung ist Muqrin nun in der Tat auch vom neuen König offiziell zu seinem Kronprinz erklärt worden. Als langjähriger Gouverneur der Provinzen Hail und Medina und als ehemaliger Chef des saudischen Geheimdiensts gilt Muqrin als letzter fähiger Sohn Abdulaziz’, auch wenn er innerhalb des Könighauses aufgrund seiner Abstammung nicht unumstritten ist. Denn Muqrins Mutter entstammte nicht wie üblich einer einflussreichen saudischen Familie, sondern war eine jemenitische Konkubine seines Vaters. Dennoch hatte er sich durch seine exzellente Leistung und Erfolge in den ihm anvertrauten Ämtern den Respekt Abdullahs sowie den Ruf eines modernen Reformers erarbeiten können.

Um auch mittelfristig Kontinuität und Stabilität zu garantieren, hat Salman als eine seiner ersten Amtshandlungen eine ganze Reihe einflussreicher Positionen innerhalb des saudischen Machtapparats an Vertreter der Enkelgeneration vergeben. Unter anderem beförderte er seinen 35 Jahre alten Sohn Prinz Mohammed bin Salman auf den gewichtigen Posten des Verteidigungsministers und des Statthalters des Königshofs. Seinen Neffen, Innenminister Mohammed bin Naif, ernannte er zudem zum Vize-Kronprinz und somit zu Muqrins Nachfolger. Mit diesen Schritten hat Salman sowohl den Sprung in die Enkelgeneration als auch den Einfluss der Sudairi-Linie zementiert und ist durch sein entschlossenes Handeln einem möglichen Konflikt unter den Enkeln zuvorgekommen.

Ausblick: Der König ist tot, lang lebe der König!

Während die Thronbesteigung Salmans für die saudische Politik keine Zäsur bedeutet und er aller Voraussicht nach den Kurs bedächtiger Reformen fortsetzen wird, bereitet sich im Hintergrund schon eine Riege junger und fähiger Enkel Abdulaziz bin Sauds darauf vor, die Staatsgeschäfte mittelfristig zu übernehmen. Wirtschaftlich wird dies vermutlich zahlreiche Reformen nach sich ziehen, jedoch sind Veränderungen am sozio-politischen Gefüge Saudi-Arabiens auch mit dem Sprung in die nächste Herrschergeneration unwahrscheinlich. Daher ist nicht abzusehen, dass die Verjüngung und Erneuerung der saudischen Gesellschaftsstrukturen auch eine Lockerung der sozialen Normen oder gar eine offenere Auseinandersetzung mit der Vereinbarkeit puritanischer Lehren und einer in die Moderne driftenden Gesellschaft bedeutet. Während der in den USA ausgebildete Vize-Kronprinz Mohammed bin Naif von amerikanischen Diplomaten als sehr pragmatisch und wenig ideologisch beschrieben wird, war er als Innenminister andererseits auch maßgeblich für das neue Anti-Terrorgesetz und die harte Linie gegenüber Dissidenten und Kritikern im Land verantwortlich. Ein Widerspruch, der in Saudi-Arabien keiner ist. Auf absehbare Zeit wird das Königreich daher wohl kaum einen bedeutsamen Umbruch erfahren.

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Leiter des Regionalprogramms Golf-Staaten

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