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Chávez als Wahlkampfchef

Автор: Dr. Georg Eickhoff

Venezuela vor den Regionalwahlen am 23. November

Es sind Bürgermeister und Gouverneure, die am 23. November 2008 in ganz Venezuela gewählt werden, dennoch zeigt sich Präsident Hugo Chávez in den letzten Wochen als der erste Wahlkämpfer der Nation. Sein aggressiver und beleidigender Stil kommt dabei nicht gut an. Er wirft das ganze Gewicht des Staatsapparates und der staatlichen Medien in die Waagschale. Dennoch darf sich die Opposition wohl auf ein passables Wahlergebnis freuen.

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Anfang Oktober ergaben sämtliche Wählerbefragungen, dass die Kandidaten der sozialistischen Staatspartei insbesondere in den bevölkerungsreichen Staaten Zulia, Carabobo und Miranda, in denen ein Drittel der 28 Millionen Venezolaner lebt, alarmierend schlecht dastanden. Chávez musste zu diesem Zeitpunkt davon ausgehen, dass rund die Hälfte der Staaten und ebenfalls die Hälfte der Gemeinden an die Opposition und die zahlreichen Abspaltungen des Chavismus gehen könnten. Derzeit ist die gesamte politische Landkarte tief rot gefärbt. Die meisten Beobachter erwarten aber nach dem Wahltag ein sehr buntes Bild.

Auf die entsprechenden Lageberichte reagierte Präsident Chávez mit einer Radikalisierung seines schon zuvor sichtbaren Wahlkampfkonzeptes: Die Regionalwahlen sollen nicht nur ein Plebiszit über seine Person und sein Programm werden, er selbst will auch der entscheidende Wahlkämpfer sein. Der Revolutionsführer hat seine im letzten Sommer betriebene programmatische Radikalisierung nicht eingestellt. Der Wahlkampf gilt dem Sieg des Sozialismus. Aber nun tritt ein Extremismus des Sprachgebrauchs hinzu, der unter den Staatschefs der Welt wohl seinesgleichen sucht. Beleidigungen und Beschimpfungen des politischen Gegners bilden den Kern dieser für Chávez nicht ganz neuen Kommunikationsstrategie. Nicht einmal die mit ihm verbündeten Parteien bleiben davon verschont. Als er ziemlich unvermittelt verkündete, er werde seine bisherigen Bündnispartner, die Partei „Patria Para Todos“ (PPT) und die traditionsreiche Kommunistische Partei (PCV), „vernichten“, weil sie eigene Kandidaten aufgestellt hatten, erklärte der PPT-Generalsekretär José Albornoz mit bewundernswerter Ruhe, dieses Verhalten erinnere ihn an Stalin.

Manuel Rosales als Lieblingsfeind

Bei den täglichen, ausnahmslos im Staatsfernsehen übertragenen Wahlkampfauftritten des Staats- und Parteichefs vor immer wieder vielen Tausend in Rot uniformierten Anhängern, sind mehrere lose eingestreute Schimpfkanonaden von jeweils fünf bis zehn Minuten Dauer fast zum Standard geworden. Das Publikum hat gelernt, dass der Chef an diesen Stellen besonders freudigen Applaus eingeplant hat. Der wenig präsidiale Habitus gipfelte in der Drohung gegen den im Wettbewerb um das Rathaus von Maracaibo siegesgewissen Manuel Rosales, den Präsidentschaftskandidaten des Jahres 2006: „Rosales, du hast dich mit mir angelegt. Ich werde dich ins Gefängnis werfen.“ Präsident Chávez, der sich vor kurzem im Rahmen eines Ermächtigungsgesetztes selbst den auf Lebenszeit gültigen Grad (nicht nur das Amt) des „Oberbefehlshabers der Streitkräfte“ verliehen hatte, drohte mit militärischen Aktionen gegen den Staat Zulia, falls Rosales in dessen Hauptstadt zum Bürgermeister gewählt und der von Rosales unterstützte Pablo Pérez dort Gouverneur werden sollte.

Der Anfang vom Ende des Chavismus?

Ein nervöser und aggressiver Chávez verstärkt den Eindruck, dass sein Regime die beste Zeit hinter sich hat. Die Regionalwahlen werden von der Opposition sehr einhellig als Schritt zu einer Überwindung des Chavismus und als Wiedergewinnung demokratischer Spielräume gedeutet, aber noch weiß niemand, wie das Ende des Chavismus konkret aussehen könnte. Die chavistischen Eliten werden ihre Machtpositionen wohl nicht freiwillig räumen. Ihre Korruption übertrifft bei weitem alles, was Venezuela in den Jahren der bürgerlichen Demokratie von 1958 bis 1998 gesehen hat, und das war sicher nicht wenig. Gerade die begründeten Korruptionsvorwürfe und die zu erwartenden Folgen bei einem Regimewechsel führen dazu, dass ein Wahlsieg der Opposition bei den anstehenden Parlamentswahlen im Jahr 2010 oder bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2012 wohl nicht ausreichen wird, damit die Chavisten die Macht friedlich übergeben. Dieses Szenario bewegt maßgebliche Vertreter der Opposition schon heute dazu – selbst angesichts der überbordenden Aggressivität des Präsidenten –, eher versöhnliche Töne anzuschlagen und für einen friedlichen Übergang – vielleicht nach dem spanischen Vorbild der 70er Jahre oder dem deutschen Vorbild der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts – zu werben.

Ein Foto mit Obama

Zwei internationale Faktoren tragen zum sichtbaren Verfall des Chavismus bei: Mit der Wahl von Barack Obama zum US-Präsidenten droht Chávez das wichtigste Feindbild seiner revolutionären Rhetorik verloren zu gehen. Die weitere Entwicklung wird mit Spannung erwartet. Als Ouvertüre wählte Chávez eine verbale Umarmung des Wahlsiegers. Seine pompöse Gratulation passte überhaupt nicht zu seinem Wahlkampfstil. Schließlich hatte er noch Anfang September– im Rahmen einer Wahlkampfveranstaltung – die Ausweisung des amerikanischen Botschafters verkündet, der sich nicht im Land aufhielt und es seither nicht mehr betreten hat. (Nach Wochen wurde dessen Ehefrau wenigstens erlaubt, ihre persönlichen Gegenstände abzuholen.) Venezolanische Oppositionsvertreter spotten: „Jetzt will Chávez so schnell wie möglich auf das Foto mit Obama.“ Derweil machen einflussreiche demokratische Abgeordnete in Washington Chávez Hoffnungen auf ein baldiges Treffen mit dem neuen „mächtigsten Mann der Welt“. Die amerikanischen Freundlichkeiten können Chávez mehr schwächen als stärken, und so sind sie zweifellos gemeint.

Katerstimmung in Sicht

Der zweite internationale Faktor, der den Niedergang des Chavismus einläuten könnte, ist die die Weltwirtschaftskrise und der damit verbundene Verfall des Ölpreises. In nur 100 Tagen ist der Preis des wichtigsten Exportgutes Venezuelas von über 140 auf unter 60 Dollar pro Barrel hinabgeschnellt. Das Erdöl macht 94 Prozent der Exporte des Landes und 50 Prozent des Staatshaushaltes aus. Nun droht die Abwertung des Bolívar und eine weitere Beschleunigung der Inflation. Das Regime muss sich einem verschärften Sparzwang beugen. Da die eigene Industrie und Landwirtschaft vernachlässigt bzw. mit Fleiß zerstört wurden, müssen zahlreiche lebenswichtige Güter importiert werden. Wenn entsprechende Exporteinnahmen aus dem Erdölgeschäft fehlen, droht Venezuela schon bald eine Versorgungskrise. Zwar verfügt die chavistische Regierung aus der Hochpreisphase des Öls noch über erhebliche Reserven, aber auch bei den Bewohnern der Armenviertel, die Chávez als den sozialen Verteiler des nationalen Reichtums schätzen, ist inzwischen die Botschaft angekommen, dass die „fiesta“ wohl vorüber ist. Venezuela ist noch nicht nüchtern, stellt sich aber schon auf Katerstimmung ein.

In den zehn Jahren seiner Regierung verfügte Chávez über insgesamt 800 Milliarden Dollar aus dem Erdölexport. Das ist mehr als alle demokratischen Regierungen gemeinsam in den vierzig Jahren zuvor unter dieser Rubrik zur Verfügung hatten. Heute stellt die Mehrheit der Venezolaner fest, dass sich ihre Lebensqualität in den letzten zehn Jahren deutlich verschlechtert hat, und sie fragen sich: Wo ist das ganze Geld geblieben? Auf diese einfache Frage hat Chávez keine überzeugende Antwort, und es ist nahezu unmöglich, dass er sie noch finden wird.

Ein verstolperter Wahlkampf

Sein schweißtreibendes Getue im Wahlkampf überdeckt seine Blöße nur für Momente. Chávez tritt täglich auf und sorgt für hitzige Stimmung. Es scheint indessen einen stillen Pakt der bunten Opposition zu geben, ihn in dieser Stimmung allein zu lassen. Den Führern der Opposition wird in den Leserbriefspalten vorgeworfen, sie seien zu zahm und zu still. Aber die Gelassenheit hat offenbar System, das Wahlergebnis wird zeigen, ob sie auch Erfolg hat.

Chávez hat den gesamten Wahlkampf an sich gezogen, aber ganz offensichtlich hat er niemanden bestimmt, der diesen zentralisierten Wahlkampf auch zentral organisiert und strukturiert. So ließen sich zahlreiche strategische und taktische Fehler erklären. Chávez hat mehr oder weniger öffentlich mitgeteilt, dass er nun persönlich überall dort Wahlkampf machen wird, wo seine Kandidaten nicht recht vorankommen. Damit unterstreicht fast jeder seiner Auftritte die Schwäche seiner Kandidaten. Er markiert seine eigenen Leute vorab als Verlierer. In einem Land, wo die hohe Kunst des Wettbewerbs um Wählerstimmen mit Inbrunst und einer unglaublichen Verschwendung zelebriert wird, kann dieser Wahlkampf mit Chávez als Chef nur unprofessionell und verstolpert wirken.

Eine peinliche Niederlage für Chávez, der diese Wahl selbst zum Plebiszit hochstilisiert hat, wäre vor diesem Hintergrund keine ganz große Überraschung mehr. Die Oppositionsparteien und einflussreiche Organisationen der Zivilgesellschaft machen deshalb eindrucksvolle und wohl auch erfolgversprechende Anstrengungen eine Fälschung des Wahlergebnisses zu verhindern oder wenigstens zu erschweren. Verfälscht wird das Resultat weniger am Wahlabend als schon jetzt in diesem ungleichen Wahlkampf. Chávez setzt seine Macht über den Staatsapparat rückhaltlos ein, um die demokratische Opposition zu bedrängen und einzuschüchtern.

Wenn das Wahlergebnis dennoch ungünstig für ihn sein sollte, würde sich gerade diese persönliche Anstrengung im Nachhinein gegen ihn wenden. Chávez will weder Bürgermeister noch Gouverneur werden. Sein Ziel ist die Verfassungsänderung, die ihm eine Wiederwahl als Präsident erlaubt. Dazu ist ein Referendum nötig. Ein Erfolg bei einer solchen Volksbefragung erscheint heute weiter entfernt denn je. Die venezolanische Gesellschaft ist inzwischen demokratischer als Chávez lieb sein kann. Paradoxerweise hat er selbst mit seinem populistischen Diskurs nicht wenig dazu beigetragen. Chávez hat dem „Volk“ eine symbolische Macht verliehen, die sich die „Gesellschaft“, die er sich als sein „Volk“ vorstellt, nun nicht ohne weiteres nehmen lassen will.

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