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Tschechien hat einen neuen Staatspräsidenten

Автор: Frank Spengler, Anneke Müller

Václav Klaus zieht auf die Prager Burg

Im dritten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen wählten die 200 Abgeordneten und 81 Senatoren des tschechischen Parlaments am 28. Februar 2003 den Ehrenvorsitzenden der Bürgerlich-Demokratischen-Partei (ODS) und ehemaligen Ministerpräsidenten (1992-1997) Prof. Václav Klaus zum neuen Staatsoberhaupt der Tschechischen Republik.

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In den ersten beiden Wahlgängen am 15. Januar 2003 und am 24. Januar 2003 bekam keiner der Kandidaten in allen drei Runden die erforderlichen Mehrheiten in beiden Kammern.

In allen Wahlgängen konnten die Kandidaten der Regierungskoalition die mögliche rechnerische Mehrheit nicht nutzen. Die oppositionelle ODS, die bei den letzten Wahlen zum Abgeordnetenhaus im Juni 2002 24,7 Prozent der Stimmen bekam, hatte von Anfang an nur einen einzigen Präsidentschaftskandidaten: Václav Klaus.

Der Kandidat der Sozialdemokraten (CSSD) in der ersten Wahlrunde Jaroslav Bures scheiterte kläglich, aber auch dem Favoriten der Christdemokraten (KDU-CSL), Senatspräsident Petr Pithart, blieb der Erfolg versagt. Auch Klaus verfehlte das Ziel.

Im zweiten Wahlgang kandidierte Milos Zeman, ehemaliger Vorsitzender der CSSD und einstiger Ministerpräsident des Landes, für die Sozialdemokraten. Das Duell gegen Klaus verlor er bereits in der ersten Runde. Für die zweite Runde hatte die gemeinsame Senatsfraktion der Bürgerlichen Allianz (ODA) und Freiheitsunion-Demokratische Union (US-DEU) die Senatorin Jaroslava Moserová aufgestellt. Im Gegensatz zu Václav Klaus und Milos Zeman war die Kandidatin Moserová weitgehend unbekannt. Auch diese Runde endete ohne Ergebnis.

Staatspräsident Václav Havel durfte laut Verfassung nach zwei Amtsperioden nicht mehr kandidieren und schied am 2. Februar 2003 aus seinem Amt aus. Tschechien war bis zum

28. Februar 2002, dem Tag des dritten Wahlgangs, schon 26 Tage ohne Staatsoberhaupt. Dessen Kompetenzen hatten in dieser Zeit Premierminister Vladimír Spidla (CSSD) und der Präsident der Abgeordnetenkammer Vladimír Zaorálek (CSSD) übernommen.

Der dritte Wahlgang

Im dritten Wahlgang standen nur noch zwei Kandidaten zur Auswahl. Die Regierungskoalition aus Sozialdemokraten (CSSD), KDU-CSL und US-DEU entschied sich zum ersten Mal für einen gemeinsamen Kandidaten. Der 66-jährige ehemalige Bürgerrechtler Jan Sokol (siehe Kandidaten) wurde von Ministerpräsident Vladimír Spidla (CSSD) vor einigen Wochen als möglicher Nachfolger Havels vorgeschlagen. Dies fand auch die Zustimmung der Christdemokraten und der US-DEU.

Die ODS hatte ihren Kandidaten, Václav Klaus, zum dritten Mal aufgestellt. Schon im Vorfeld der Wahlen schrieben die tschechischen Tageszeitungen, dass Jan Sokol nicht mit allen Stimmen der Regierungskoalition werde rechnen können. Bei einigen Abgeordneten der CSSD war er mit seinem Engagement für die Aussöhnung zwischen Deutschen und Tschechen, insbesondere aber für seine Verurteilung der kollektiven Zwangsaussiedlung der Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg, auf Ablehnung gestoßen. Allerdings gab es auch in den beiden kleinen Koalitionsparteien Stimmen, die sich gegen den Hochschulprofessor aussprachen und Sympathien für den konservativen Václav Klaus bekundeten.

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In den ersten beiden Wahlrunden verfehlte Václav Klaus die nötigen Mehrheiten. Erst in der dritten Runde konnte er sich gegen Jan Sokol durchsetzen. In der ersten Runde siegte er zwar im Parlament mit 115 Stimmen vor Sokol, unterlag diesem aber im Senat um 15 Stimmen.

Im zweiten Wahlgang wiederholte sich die Konstellation des ersten: Klaus setzte sich erneut im Abgeordnetenhaus durch und Sokol im Senat. Im dritten Wahlgang reicht die einfache Mehrheit der Stimmen beider Kammern zusammen gerechnet. Mit einer Stimme mehr als notwendig –anwesend waren 280 Parlamentarier, ein Sozialdemokrat fehlte - wurde Václav Klaus – wohl zur Überraschung vieler - zum neuen tschechischen Staatspräsidenten gewählt.

Politische Beobachter gehen davon aus, dass in der geheimen Wahl die Mitglieder der kommunistischen Partei (KSCM) sowie einige Parlamentarier der Regierungskoalition für Klaus gestimmt haben. Es ist davon aus zugehen, dass die - nicht reformierten - Kommunisten wohl kaum einen aktiven Katholiken und Antikommunisten ihre Stimme gegeben haben. Vor dem Wahlgang warnte der KSCM-Vorsitzende Miroslav Grebenícek vor dem Kandidaten Jan Sokol, da dessen Einstellung zur sudetendeutschen Frage hinlänglich bekannt sei. Damit hatte der Parteichef indirekt an die kommunistischen Abgeordneten appelliert, ihre Stimme Václav Klaus zu geben, der sich darüber hinaus im Sinne der Kommunisten im Abgeordnetenhaus gegen einen Militäreinsatz im Irak aussprach.

Mögliche Stimmen aus der Sozialdemokratie für den Ehrenvorsitzenden der ODS sind wohl zu einem Teil auf die gleiche Einstellung zurückzuführen. Bei Klaus sehen wohl diese die nationalen Interessen gut aufgehoben. Zugleich gab es Pressemeldungen, dass Teile der CSSD offenkundig in Opposition zum Parteivorsitzenden gehandelt haben. Bei den sozialdemokratischen Abgeordneten, die Sokol nicht gewählt haben, soll es sich um eine Revanche von Anhänger des einstigen Partei- und Regierungschefs Milos Zeman handeln, der als Kandidat im zweiten Wahlgang am 24. Januar 2003 gescheitert war. Die Presse berichtet von einer „Rache“ an dem Ministerpräsidenten Spidla, der drei Tage nach der Präsidentschaftswahl die Konsequenzen zog. Als Reaktion auf das illoyale Verhalten einiger Parlamentarier der Regierungskoalition wird er am 11. März 2003 im Parlament die Vertrauensfrage stellen. Das Abstimmungsergebnis ist ungewiss, da die Koalition nur über eine Mehrheit von einer Stimme im tschechischen Abgeordnetenhaus verfügt.

Erwartet wird zudem, dass auf dem Parteitag der CSSD am 28. März 2003 der Parteivorsitzende Spidla abgewählt werden könnte. Jedenfalls hat Milos Zeman schon den stellvertretenden Vorsitzenden der Partei, Skromach, aufgerufen, für den Vorsitz zu kandidieren.

Die zwei erfolglosen Durchgänge der Präsidentschaftswahl haben zugleich signalisiert, dass der Wahlmodus Reform bedürftig ist. In den drei Wahlgängen mit jeweils drei Runden haben die Parteien Tschechiens ihre taktischen Winkelzüge wohl übertrieben. Weder ihrem Land noch dem neuen Staatsoberhaupt haben sie damit einen Gefallen getan. In der Öffentlichkeit nahm der Ruf nach einer zukünftigen Direktwahl des Staatsoberhauptes zu.

Reaktion der Presse

Die auflagenstärkste Zeitung, die „Mladá Fronta Dnes“, kommentiert die Wahl von Klaus mit Zurückhaltung und vorsichtigem Optimismus. Der Autor stellt die Frage: „Warum sollte Klaus kein solider Präsident sein?“ Havel habe von sich stets behauptet, ein überparteiliches Staatsoberhaupt zu sein, und sei es nicht gewesen. Von Klaus wisse jeder, dass er nicht über den Parteien stehe. Er wird deshalb beweisen müssen, dass er sich wenigstens darum bemühe. Im Wahlkampf um die Präsidentschaft habe sich Klaus als ein offener und die Regeln respektierender Politiker dargestellt. Vielleicht werde er dieses Gesicht wahren, hofft der Autor.

Der Chefredakteur der liberalen „Lidové Noviny“ meint, dass Klaus ein guter Präsident sein könne, wenn er nicht den Versuchungen erliegen werde, die eigene Vergangenheit in den neunziger Jahren schön zu färben, seine treuesten Mitstreiter und die für ihn stimmenden Kommunisten mit Pfründen und Ämtern zu belohnen sowie außenpolitisch keine „nationale Volkstumspolitik“ durchzusetzen.

Der neue Staatspräsident

Mit Václav Klaus zieht der jahrelange Widersacher des ehemaligen Staatspräsidenten Václav Havel auf die Prager Burg. Klaus gilt als ein pragmatischer Politiker. Die Parteispendenaffäre der ODS vom November 1997, an der letztlich seine Regierungskoalition zerbrochen war, überstand er unbeschadet. Für ihn war die damalige Affäre nichts anderes als ein Komplott eines innerparteilichen Flügels gegen ihn mit Unterstützung des damaligen Staatsoberhauptes Václav Havel. Letzterer hatte in einer seiner schärfsten innenpolitischen Reden im Dezember 1997 namentlich Václav Klaus für die gesellschaftspolitische Krise des Landes verantwortlich gemacht. Der damals politisch schwer angeschlagene Václav Klaus schaffte es trotz der Abspaltung eines Parteiflügels, die ODS wieder zu konsolidieren und seine Position als Parteivorsitzender zu festigen.

Innenpolitisch wird Václav Klaus wohl kaum das moralische Korrektiv der tschechischen Gesellschaft sein, wie es Václav Havel war. Andererseits hat er seine große politische Erfahrung und auch seine beachtliche Lernfähigkeit oft unter Beweis gestellt. Mit anderen Worten: Einen parteipolitischen Staatspräsidenten, der sich ausschließlich für die Interessen seiner Partei auf der Burg einsetzen wird, darf man nicht erwarten.

Václav Klaus war zudem der einzige Kandidat, der sich bei Václav Havel ausdrücklich und öffentlich für dessen Arbeit bedankte.

Außenpolitisch gehört Klaus zu jenen tschechischen Politikern, die Erfahrungen in der internationalen Politik haben und im Ausland bekannt sind. Seine Haltung gegenüber den europäischen Institutionen wird oft als „skeptisch“ bezeichnet. Er wird sich sicher nicht gegen einen EU-Beitritt Tschechiens aussprechen, doch wird er seinen Einfluss gegen eine Ausweitung der EU-Kompetenzen geltend machen.

Es wird erwartet, dass Václav Klaus auf internationaler Ebene die nationalen Interessen seines Landes konsequent vertreten wird, denkbare außenpolitische Kompromisse werden schwerer zu erzielen sein. Für die deutsch-tschechischen Beziehungen kann dies bedeuten, dass hinsichtlich der noch ausstehenden sudetendeutschen Fragen vom neuen tschechischen Staatsoberhaupt kaum ein Impuls zu erwarten ist.

Die Wahl des neuen tschechischen Staatsoberhaupts ist auch ein persönlicher Triumph für Václav Klaus. Dass er dafür die Stimmen der Kommunisten brauchte, hinterlässt aber einen bitteren Beigeschmack. Die eigentlichen Gewinner sind daher die orthodoxen tschechischen Kommunisten, die in Tschechien in einer wichtigen Frage wiederum die Politik mit gestalten konnten. Die regierenden Sozialdemokraten stehen vor einem politischen Scherbenhaufen, über eine mögliche Spaltung der Partei wird in den Medien bereits offen spekuliert. Scheitert die Regierungskoalition, könnte dies auch wieder zu Diskussionen um den Vorsitz bei den Christdemokraten führen. Von den Entscheidungen des neuen Staatspräsidenten wird es auch abhängen, ob Teile der US-DEU nicht doch wieder zurück zur ODS finden werden. Die ODS hat nach dem Verzicht von Václav Klaus auf eine Wiederwahl zum Parteivorsitzenden im letzten Jahr, noch nicht den Übergangsprozess des Machttransfers abgeschlossen. Der neue Parteivorsitzende Topolánek hat zwar erst vor einigen Tagen sein Schattenkabinett vorgestellt, aber eine Beteiligung an der Regierung käme für die ODS unter Umständen zu früh.

Die politischen Unsicherheiten und die fehlenden Alternativen sind also eine gute Grundlage, dass der Regierung am 11. März 2003 wiederum das Vertrauen ausgesprochen wird. So gestärkt, könnten sich die Chancen für Spidla wesentlich verbessern, den Parteivorsitz der CSSD zu behalten.

Anhang: Die Kandidaten des dritten Wahlganges für die Präsidentenwahl

  • Václav Klaus (61) - Kandidat der ODS (Bürgerlich-Demokratische–Partei), geb. am 19. Juni 1941, studierte Ökonomie und arbeitete viele Jahre am Prognostischen Institut in Prag. Im Dezember 1989 wurde er Finanzminister in der ersten nachrevolutionären tschechoslowakischen Regierung. Von 1992-1998 war er Ministerpräsident Tschechiens. Von April 1991 bis Dezember 2002 war er Vorsitzender der ODS. Von 1998 bis 2002 war er Parlamentsvorsitzender. Er war nie Mitglied der kommunistischen Partei. Klaus ist mit einer Slowakin verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne.
  • Jan Sokol (66) – Kandidat der Regierungskoalition: geboren am 18. April 1936, parteilos. Einer der ersten Unterzeichner der Charta 77. 1990-1992 Abgeordneter des tschechoslowakischen Parlaments. In der Interimsregierung von Josef Tosovský war er Minister für das Schulwesen. Ab 1991 wirkte er als Hochschulpädagoge an der Karlsuniversität in Prag und ist seit 2000 Professor für Philosophie und Dekan der Humanistischen Studienabteilung der Karlsuniversität.

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