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Wahlen ohne Wahl

Автор: Dr. Alexander Brakel

Kommunalwahlen in Belarus

Am 23. März 2014 fanden in Belarus landesweit Kommunalwahlen statt. Interessant waren weniger die Ergebnisse als die allgemeine politische Stimmung.

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Kommunalwahlen sind in Belarus von untergeordnetem Interesse. Zum einen, weil sie – genau wie alle anderen Urnengänge seit 1996 – systematisch gefälscht werden und somit keine wirkliche Abstimmungsmöglichkeit bieten, zum anderen, weil die kommunalen Mandatsträger kaum Befugnisse haben. Die eigentlichen Entscheidungsträger sind die zentral von Minsk eingesetzten Exekutivkomitees, nicht die gewählten Abgeordneten. Dennoch boten Verlauf der Wahlen und des Wahlkampfs interessante Einsichten zur politischen Lage im Land.

Am 23. März 2014 waren die Wahlberechtigten aufgerufen, die 18.816 Abgeordneten für die Dorf-, Stadt-, Rayon- und Oblast-Räte zu wählen. Zur Wahl standen 22.338 Personen, was alleine das geringe Interesse dokumentiert. In den meisten Wahlkreisen (88 %) stand überhaupt nur ein Kandidat zur Wahl, in vier Wahlkreisen fanden überhaupt keine Wahlen statt, weil am Wahltag kein einziger Kandidat zur Wahl stand.

Bereits im Vorfeld waren die ohnehin geringen Möglichkeiten der Oppositionsparteien weiter eingeschränkt worden. Eine Änderung des Wahlgesetzes strich die bis dahin gezahlten Zuschüsse zum Druck von Werbematerialien. Stattdessen informiert nun die Wahlkommission scheinbar neutral über die Kandidaten. Platz für politische Botschaften gab es nicht. Als Reaktion auf den Boykottaufruf eines Teils der Opposition bei den Parlamentswahlen 2012 wurde es den Parteien zudem verboten, die Bevölkerung dazu aufzufordern, der Stimmabgabe fernzubleiben.

Die Benachteiligung der Opposition zeigte sich überdies bei der Registrierung der Kandidaten sowie der Mitglieder der Wahlkommissionen. Insgesamt gut 900 Personen aus den Reihen der demokratischen Parteien meldeten ihre Kandidatur an, lediglich gut 40 Prozent von ihnen wurden registriert.

Noch eklatanter war die Diskriminierung bei der Besetzung der Wahlkommissionen: 831 Vertreter der Opposition bewarben sich um einen Sitz in den Kommissionen, 38 wurden zugelassen (ca. 7,6 % von den vorgeschlagenen Kandidaten und 0,05 Prozent von insgesamt 72.790 Mitgliedern aller Wahlkommissionen). Dagegen konnte die regimenahe Organisation „Belaja Rus“ mehr als 96 Prozent ihrer Kandidaten in den überregionalen Kommissionen unterbringen, die staatliche Jugendorganisation Belarussische Republikanische Jugendunion über 97.

Auch der Wahlkampf selbst war von einem ungewohnt hohen Level an Repressionen gekennzeichnet. Wiederholt wurden demokratische Politiker am Straßenwahlkampf gehindert, Wahlkampfmaterialien wurden beschlagnahmt. Immer wieder kam es auch zu Verhaftungen, vor allem dann, wenn die Opposition nicht lokale, sondern generelle Missstände anprangerte wie Wahlfälschungen, politische Gefangene. Auch Informationen über die Ereignisse in der Ukraine wurden im Rahmen des Wahlkampfs systematisch unterdrückt. Am spektakulärsten war der Fall des Vorsitzenden der Vereinigten Bürgerpartei, Anatolij Lebedko, der bei einer Wahlkundgebung verhaftet und zu einer zweiwöchigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde.

Wie in Belarus üblich, war die Stimmabgabe bereits fünf Tage vor dem eigentlichen Wahltermin möglich. Die „vorzeitige Abstimmung“ sollte denjenigen die Gelegenheit zur Wahl ermöglichen, die am 23. März nicht in die Wahllokale kommen konnten, weil sie beispielsweise durch eine Dienstreise verhindert waren. (Briefwahl gibt es in Belarus nicht.) Allerdings ist dieses System besonders anfällig für Manipulationen, wie unabhängige Wahlbeobachter auch dieses Mal wieder beklagten: Häufig wurden die Urnen über Nacht oder während der Mittagspausen in nicht versiegelten Räumen gelassen, so dass sich unbemerkt von Wahlbeobachtern Dritte Zutritt verschaffen konnten. In einigen Fällen wurden die Urnen bereits vor dem Wahltag geöffnet, nur in seltenen Fällen konnten Wahlbeobachter Einsicht in die Wählerverzeichnisse nehmen. Überdies wurden die Wählerverzeichnisse noch während der Stimmabgabe ergänzt, zum Teil in signifikanter Größenordnung. Beschwerden von Wahlbeobachtern über derartige Verstöße und Unregelmäßigkeiten führten häufig zum Verlust ihrer Akkreditierung. Der Koordinator der Wahlbeobachtungsinitiative „Recht auf Wahlen“ und Generalsekretär der Belarussischen Christlichen Demokratischen Partei, Denis Sadouski, wurde sogar verhaftet und verbrachte den Wahltag selbst hinter Gittern.

Nicht zufällig versuchte das Regime wie schon in der Vergangenheit, möglichst viele Personen zur vorzeitigen Stimmabgabe zu bewegen. Insbesondere auf Soldaten, Studenten und Angestellte staatlicher Betriebe wurde entsprechender Druck ausgeübt – offenbar, um die Möglichkeiten zur „Korrektur“ der Wahlergebnisse zu erhöhen.

Auch die Auszählung der Wahlen erfolgte nach dem bereits bekannten Muster: Registrierte Wahlbeobachter waren zwar zugegen, wurden jedoch so weit von den Auszählungstischen ferngehalten, dass sie das Ergebnis nicht überprüfen konnten. Zudem waren die Internetseiten der wichtigsten Wahlbeobachtungsinitiativen von den meisten Internetprovidern in Belarus gesperrt worden.

Vor diesem Hintergrund war es wenig überraschend, dass es keine Überraschungen gab. Lediglich sieben Kandidaten der Opposition gelang es, ein Mandat zu erringen, das entspricht einem Ergebnis von 0,04 Prozent.

Interessanter war die Wahlbeteiligung, die mit 77,3 Prozent nur knapp unter den 78 Prozent lag, die sich Präsident Alexander Lukaschenko kurz vorher öffentlich „gewünscht“ hatte. Angesichts der zahlreichen festgestellten Verstöße ist jedoch offensichtlich, dass diese Zahl weit über der tatsächlichen liegt.

Auf welchem Wege auch immer zustande gekommen, der Ausgang der Wahlen ist ein Triumph von Präsident Lukaschenko. Angesichts der Ereignisse in der Ukraine musste er beweisen, dass er Belarus weiterhin fest in der Hand hat. Wiederholt unterstrich er öffentlich, dass ein „Majdan“ in Belarus nicht möglich sei. Zugleich betonte er die politische Stabilität als großen Vorteil des Landes. Umfragen bestätigen, dass er damit die Stimmungslage der Mehrheitsbevölkerung trifft. Aufgeschreckt von den Propagandabildern des russischen Fernsehens sehen die meisten Belarussen die Demonstrationen und den Regierungswechsel in Kiew mit großer Skepsis, wie auch die Wahlkämpfer der belarussischen Opposition wiederholt berichteten. Diesem Teil der Bevölkerung musste Lukaschenko die Angst vor ähnlichen Ereignissen im eigenen Land nehmen. Gleichzeitig galt es, die Hoffnung derjenigen zu zerstreuen, die sich von der Demokratisierung des südlichen Nachbarlandes positive Impulse für Belarus versprachen.

Dies erklärt die selbst für belarussische Verhältnisse harte Haltung gegenüber der Opposition im Wahlkampf. Insbesondere alles, was den Anschein der Normalität stören konnte, wurde im Ansatz unterbunden, so etwa die Forderung der Vereinigten Bürgerpartei nach freien und fairen Wahlen. Auch die hohe Wahlbeteiligung ist Ausdruck dieses Bemühens: Sie soll die hohe Zustimmung der Bevölkerung zu dem Verfahren der Wahl und damit zum politischen System insgesamt signalisieren – notfalls mit Mitteln der Wahlfälschung.

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