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NASA Earth Observatory images by Joshua Stevens, using Suomi NPP VIIRS data from Miguel Román, NASA’s Goddard Space Flight Center; Kirsty Pargeter/ Vecteezy.com

kurzum

KI und Europa – Anspruch und Wirklichkeit

Ergebnisse der Studie „Analysis of Current Global AI Developments with a Focus on Europe“

KI ist eine Basistechnologie des digitalen Zeitalters. Europa muss eine führende Rolle bei dieser Technologie einnehmen, wenn es seine Wettbewerbsfähigkeit bewahren und das digitale Zeitalter aktiv gestalten will. Unsere Autoren Olaf Groth und Tobias Straube zeigen die Potenziale auf - aber auch die Handlungsdefizite.

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Europa ist im Wettbewerb angekommen

Im Jahr 2017 legte Finnland als erstes europäisches Land eine eigene KI-Strategie vor. Mittlerweile haben 22 Länder und auch die EU selbst ebenso ein solches Dokument vorgelegt. Die Marschrichtung ist klar: Europa will die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Potenziale von Künstlicher Intelligenz nutzen und zu einer international führenden KI-Region werden. Hierzu setzt Europa auf den Aufbau eines wettbewerbsfähigen KI-Innovationsökosystems, das mit einem menschenzentrierten Ansatz vertrauenswürdige KI-Lösungen voranbringen soll. Exzellenz und Vertrauen sind die Leitbegriffe.

Viel Potenzial, nur bedingt Stärken?

Die Voraussetzungen für eine führende Rolle sind gut. Europa hat eine starke industrielle und automatisierte Wirtschaft, ein großes Reservoir an Daten im Industrie- und Konsumentenbereich sowie eine starke Forschungs- und Entwicklungslandschaft. Zugleich ist Europa als AI-soft power ein Vorreiter für einen menschenzentrierten Umgang mit Daten und vertrauenswürdige KI. Bei näherer Betrachtung zeigt sich aber, dass vorhandene Potenziale nicht genutzt werden.

Wesentliche Defizite Europas im Bereich KI sind: 1) ein Mangel an großen und hochwertigen Datenpools; 2) eine im internationalen Vergleich geringere Dichte von KI-Talenten und Spitzenforschung; 3) ein Mangel an Supercomputern und eigenen Kapazitäten im Halbleiterbereich; 4) Schwächen bei der Kommerzialisierung von KI (KI-Start-Ups, Risiko kapital etc.); 5) Asymmetrien in der Leistungsfähigkeit nationaler KI-Innovationsökosysteme; 6) ein unvollendeter digitaler Binnenmarkt. All dies ist gepaart mit einem zwar vielfach internationale Standards setzenden, teils aber auch innovationshemmenden Rechtsrahmen.Dies birgt zum einen das Risiko, dass Europa im internationalen Vergleich zurückfällt. Zum anderen besteht die Gefahr, dass im Zuge der digitalen Transformation wirtschaftliche Ungleichheiten innerhalb Europas zunehmen.

Die Zukunft gestalten

Wie viele andere Schlüsseltechnologien des digitalen Zeitalters unterliegt auch KI einem stetigen Prozess des Wandels. Schon heute kündigen sich innovative Formen von Supercomputern bis hin zu Quantencomputern ebenso an wie neue Geschäftsmodelle (B2B2C und P2P) und Ideen für Finanzierungskonzepte (smart upgrading) oder auch Fortschritte bei KI selbst (contextual AI und explainable AI). Angesichts dieser Entwicklungen sollte sich Europa zukunftsgewandt bei KI in den folgenden Handlungsfeldern aufstellen: KI-Governance, KI-Partnerschaften, Kommerzialisierung sowie KI-Talent und Forschung.

Handlungsempfehlungen:

KI-Partnerschaften: Europa ist nicht auf sich allein gestellt. Eine kluge Wahl von internationalen Partnerschaften und Kooperationen ist essenziell, vor allem wenn Europa seine digitale Souveränität stärken will. Hierzu zählen Forschungs- und Innovationssonderzonen mit Großbritannien ebenso wie Kooperationen mit verlässlichen Partnern im Halbleiterbereich. Trotz mancher Spannungen sind die transatlantischen Beziehungen angesichts des Aufstiegs Chinas weiterhin von enormer Wichtigkeit und neue Modelle für die Zusammenarbeit zu diskutieren (sequential bridging model).

KI-Governance: Damit Europa seine soft power als normative Macht des digitalen Zeitalters behält, muss der aktuelle Rechtsrahmen weiterentwickelt werden. Hierbei gilt es, den Beweis anzutreten, dass Vertrauen, Innovation und wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit im Einklang stehen können. Neben der Umsetzung zukunftsweisender Ansätze im Bereich Datenpolitik (z.B. Datentreuhänder) oder Wettbewerbsrecht (Ex-ante-Regulierung), sollte Europa die GDPR (General Data Protection Regulation) weiterentwickeln und die Vollendung des digitalen Binnenmarkts vorantreiben.

Kommerzialisierung: Die Kommerzialisierung von KI in Europa muss gestärkt werden, ohne die eigenen Werte dabei preiszugeben. Um dies zu erreichen, sollte sich erstens die Durchlässigkeit zwischen dem Sicherheits-, dem öffentlichen und dem privaten Sektor erhöhen. Behörden und Ministerien sollten als smarte Beschaffer im Innovationsökosystem aktiver in Erscheinung treten. Zweitens bedarf es mehr Experimentierräume für Datenmarktplätze, die auf dem Aufbau europäischer Dateninfrastrukturen aufsetzen können. Dies würde ermöglichen, dass neue vertrauenswürdige Geschäftsmodelle entwickelt und deren Skalierung gerade auch zum Upgrade vorhandener Wirtschaftszweige genutzt werden kann.

KI-Talent und Forschung: Zwar offenbart die Abwanderung von KI-Talenten aus Europa die wirtschaftliche Schwäche des KI-Innovationsökosystems, gleichzeitig ermöglichen virtuelle Forschungsnetzwerke die Chance, weltweit abgewanderte Talente einzubinden. Trotzdem: Ein europäisches Forschungscenter für die nächste KI-Generation können diese Netzwerke nicht ersetzen. Darüber hinaus wären Steueranreize ein Instrument, damit Unternehmen verstärkt in die digitale Weiterbildung ihrer Mitarbeiter investieren. Dies leistet nicht nur einen wichtigen Beitrag für die digitale Transformation der europäischen Wirtschaft und eine Anpassung an den Arbeitsmarkt der Zukunft. Es stärkt auch grundlegend die Kompetenz europäischer Bürgerinnen und Bürger im Umgang mit KI, Daten und anderen digitalen Technologien. ​​​​​​​

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