Das Ergebnis der Präsidentschaftswahl fiel denkbar knapp aus. So sprachen viele Expertinnen und Experten von einem „Sieg auf Rasierklingen“. Über das Wahlergebnis, die Zukunft des Landes sowie die deutsch-polnischen Beziehungen und deren Auswirkungen sprach die Journalistin Marion Sendker im Rahmen der 51. #HessenKAS Online-Live-Ausgabe mit der stellvertretenden Direktorin des Deutschen Polen-Instituts, Dr. Agnieszka Łada-Konefał.
Bereits zu Beginn merkte Łada-Konefał an, dass die polnische Gesellschaft tief gespalten und hochgradig politisiert sei. Karol Nawrocki, der neue Präsident, war bis dahin kein klassischer Politiker. Als Leiter Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig, trat er zwar nicht als PiS-Mitglied auf, wurde jedoch als Kandidat der PiS aufgestellt. Viele sahen in ihm jemanden „von uns“, einen Kandidaten außerhalb der politischen Eliten.
Nawrocki hatte sich klar rechts positioniert – möglicherweise weiter rechts als die PiS selbst. Es besteht nun die Sorge, dass er seine Rolle nutzen wird, um zentrale Vorhaben der liberalen Regierungskoalition zu blockieren, insbesondere bei gesellschaftspolitischen Themen wie der Justizreform oder den Rechten von LGBTQ-Personen. Schon Präsident Duda hatte sein Vetorecht in dieser Weise genutzt. Die aktuelle Regierung hatte deshalb viele Gesetzesvorhaben zurückgehalten – in der Hoffnung, dass der eigene Kandidat die Wahl gewinnt. Dies hatte im Wahlkampf jedoch Rafal Trzaskowski geschadet, da viele Bürgerinnen und Bürger das Gefühl hatten die aktuelle Regierung tue zu wenig.
Der Wahlkampf zeigte weiterhin, dass große Teile der Bevölkerung empfänglich für populistische Narrative waren – etwa die Vorstellung, Brüssel wolle Polen bevormunden, oder die EU bedrohe die nationale Souveränität. Auch die Beziehungen zu Deutschland spielten im Wahlkampf eine Rolle. Deutsche Politik – etwa Grenzschließungen oder die Migrationspolitik – wurde als Bedrohung dargestellt. Häufig wird Deutschland, auch geschichtlich bedingt, nicht vertraut, und eine Einmischung über die EU hinweg wird befürchtet. Weiterhin wurde Donald Tusk als „deutscher Agent“ diffamiert und Trzaskowski als seine rechte Hand dargestellt.
Interessanterweise zeigte sich ein deutlich anderes Bild unter der polnischen Diaspora (auch Polonia genannt) in Deutschland. So leben rund zwei Millionen Menschen mit polnischen Wurzeln in Deutschland, von denen etwa 800.000 noch einen polnischen Pass besitzen. Zur Wahl registrierten sich circa 115.000 Wählerinnen und Wähler, die mehrheitlich Trzaskowski unterstützten – analog zu ihrer Wahlentscheidung vor fünf Jahren. Während die „neue Polonia“, die zum Arbeiten nach Deutschland kommt und sich als europäisch versteht, eher liberal wählte, tendierte die „alte Polonia“ – oft vor Jahrzehnten ausgewandert – eher zur konservativen Linie.
Das Wahlergebnis war auch ein Signal an Deutschland. Es zeigte, dass viele Polinnen und Polen sich mehr Sicherheit, Respekt und partnerschaftliche Zusammenarbeit wünschen. Themen wie Migration über Belarus oder der Umgang mit Energiefragen, insbesondere im Hinblick auf Nord Stream, sind für Polen sicherheitspolitisch sensibel. Eine deutsche Erinnerungskultur – etwa durch einen zentralen Gedenkort in Berlin – kann hier ein starkes symbolisches Zeichen setzen.
Dr. Agnieszka Łada-Konefał betonte, dass es ehrliche Initiativen brauche. Deutschland müsse Sorgen und Ängste in Polen ernst nehmen, das Sicherheitsbedürfnis verstehen, Missverständnisse vermeiden und auf Augenhöhe kommunizieren. Besonders wichtig sei, nicht reflexhaft zu belehren oder polnische Positionen abzuwerten, wie es zuletzt Bundeskanzler Scholz bei verschiedenen Gelegenheiten getan habe. Nur durch respektvollen Dialog, aktives Zuhören und sichtbares Engagement könne das Vertrauen erneuert und der deutsch-polnische Dialog zukunftsfähig gestaltet werden. Denn die Außenpolitik bleibt Aufgabe der Regierung – und hier liegt auch die Chance für Deutschland, konstruktiv Einfluss zu nehmen.
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