Zusammenfassung
Der Fall des Assad-Regimes am 8. Dezember 2024 verblüffte alle Experten, Beobachter und sogar die meisten Akteure vor Ort. Das 54 Jahre lang aufgebaute System aus umfassender Kontrolle, brutaler Gewalt und einer ausgeklügelten Divide-et-Impera-Logik sackte in sich zusammen. Der ausschlaggebende Dominostein kippte mit der Flucht des seit dem Jahr 2000 herrschenden Baschar Al-Assad ins russische Exil.
Seitdem befindet sich das Land in einem wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, politischen und auch militärischen Ausnahmezustand. Wir erleben eine tief traumatisierte und gespaltene Gesellschaft auf der Suche nach Stabilität, wirtschaftlicher Grundsicherung und nach einem politischen wie gesellschaftlichen Konsens, der das Land zusammenhalten könnte.
Die christlichen Gemeinschaften Syriens sind historisch tief verwurzelt, konfessionell vielfältig und heute demographisch geschwächt (mit deutlich weniger als 5 % der Gesamtbevölkerung). Emigration, islamistische Ideologien und Sicherheitsrisiken stellen ihre Zukunftsfähigkeit mehr denn je infrage.
Nach der Machtübernahme durch die Hay‘at Tahrir al-Sham (HTS) dominieren Angst und nach wie vor Skepsis – nicht nur bei den Christen im Land, sondern auch bei den anderen Minderheiten. Trotz gewisser Garantien und Annäherung zwischen Christen und den neuen Machthabern, kam es zu Übergriffen verbaler und physischer Art. Landesweit herrscht Fragilität. Doch die Gewaltausbrüche im Nordwesten (wo ein großer Teil der Minderheit der Alawiten lebt) und Süden (wo viele Drusen leben) sowie der Anschlag auf die Mar-Elias-Kirche in Damaskus deckten die besondere Vulnerabilität der Minderheiten auf.
